Athen hat viele Museen, staatliche wie private, manche sind weltberühmt, andere fristen ein Schattendasein. Zu letzteren gehört das Historische Museum der Athener Universität in der oberen Plaka. Gegründet 1987 aus Anlaß des 150jährigen Bestehens der Athener Universität, befindet es sich in dem ehemaligen Wohnhaus von Stamatios Kleanthes, der in Leipzig und später an der Bauakademie in Berlin bei Karl Friedrich Schinkel Architektur studierte. Mit seinem Studienfreund Eduard Schaubert ging er 1930 nach Athen, wo beide maßgeblich an der Planung der gerade entstehenden neuen Hauptstadt mitwirkten. Ihr Modell für ein modernes Athen konnten sie zwar aus Kostengründen nicht in allen Punkten verwirklichen, doch blieb es - mit einigen Änderungen des bayerischen Hofbaumeisters Leo von Klenze - die Grundlage für die Neugestaltung Athens nach der Unabhängigkeit Griechenlands.
Der Grieche und der Deutsche bauten mehrere bedeutende Gebäude bzw. restaurierten unbewohnbare, ruinierte Häuser (und das waren die meisten im damaligen Athen, das mit seinen rund 6000 Einwohnern ein großes orientalisches Dorf war), darunter auch ihr künftiges, aus dem 17. Jahrhundert stammendes und für damalige Verhältnisse sehr großes Wohnhaus, das sie 1931 der Türkin Sante Hanoum abkauften und in alter Schönheit wiederherstellten. Kleanthes entwarf auch Grabdenkmäler, u.a. das streng klassizistische Grabmal für Bettina von Savigny-Schinas im protestantischen Teil des Ersten Athenischen Friedhofs, Schaubert erarbeitete den Plan für die neue Stadt Eretria auf Euböa.
Schon Mitte der Dreißiger Jahre wurde im "Kleanthes-Haus" das erste Athener Gymnasium eingerichtet und 1837 für vier Jahre die erste Universität des unabhängigen griechischen Staates. Gegründet von Otto I., dem jungen König aus dem bayerischen Hause Wittelsbach, wurde sie am 3. Mai als Ottonische Universität eingeweiht. 52 Studenten hatten sich eingeschrieben, weitere 75 Hörer waren nicht immatrikuliert. Frauen waren nicht zugelassen (die erste Studentin - und zwar in Philosophie - war 1890 Ioanna Stefanopouli). Von den 34 Professoren waren sechs Bayern, alle 28 griechischen Hochschullehrer hatten im Ausland studiert.
Da allen Beteiligten von Anfang an klar war, daß dieses Domizil nur ein Provisorium sein konnte, legte schon 1839, am 2. Juli, Otto den Grundstein für die neue, aus den Spenden von Auslandsgriechen und Philhellenen finanzierte Ottonische Universität. Sie wurde nach Plänen von Christian Hansen erbaut und bereits 1842 eingeweiht. Eingerahmt von der Akademie und der Nationalbibliothek ist diese sogenannte Athener Trilogie das bedeutendste klassizistische Bauensemble Athens und das Meisterwerk Theophil Hansens, dem auch Wien mehrere der gelungensten Bauten an der Ringstraße verdankt.
Nachdem Stamatios Kleanthis sein Haus 1861 an eine Privatperson verkauft hatte, erlitt es ein wechselvolles Schicksal als Kaserne, Flüchtlingsheim, Schule, Privathaus und Taverne. 1945 wurde es unter Denkmalschutz gestellt und 1967 kaufte es die Universität, deren offizieller Name seit 1932 Nationale und Kapodistrias-Universität lautet.
Das Historische Museum informiert ausführlich über die Geschichte der inzwischen 180 Jahre alten Athener Universität. Die Sammlungen enthalten die Gründungszeitung, Manuskripte, Dokumente und Handschriften, Memorabilia (z.B. die ersten Studenten-Register), wissenschaftliche Instrumente sowie eine große
Sammlung alter Fotografien und eine sehr ansehnliche Porträt-Kollektion. Dargestellt sind Professoren und Wohltäter der Universität, manche von bedeutenden griechischen Malern wie Nikeforos Lytras, einem Vertreter der Münchner Schule, der seit 1860 fünf Jahre lang an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte.
Eine Person sucht man vergebens. Vom Universitätsgründer Otto I. fehlt jede Spur: kein Foto, kein Portträt. Nichts.
Das Historische Museum der Athener Universität befindet sich in der Tholou 5, Plaka.
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