Montag, 17. Juli 2017

Der "grüne Fürst" - Hermann von Pückler-Muskaus Reisen in Griechenland. "Griechische Leiden"

Fürst Hermann von Pückler war ein berühmter Landschaftskünstler, dessen Parkanlagen Branitz und Muskau - heute Weltkulturerbe der Unesco - Vorbild für die Gartenarchitektur in Europa waren und bleibendes Zeugnis der Landschaftsgestaltung im 19. Jahrhundert sind. Zugleich war er ein Abenteurer und Weltreisender, der einen Großteil seines Lebens fern von Zuhause verbrachte, sowie ein namhafter Schriftsteller, der schnell literarischen Ruhm errang. Schon seine erste Veröffentlichung, die "Briefe eines Verstorbenen" 1830/31, macht ihn auf Anhieb berühmt. Der Band war ein Riesenerfolg - auch finanziell - und das nicht nur in Deutschland. Er hatte Bestsellerstatus und wurde mehr gelesen als Goethe und Schiller.

Seine Reiselust, die bis ins hohe Alter ungebrochen blieb, führt ihn durch die südlichen Länder Europas, in die Schweiz, nach Südfrankreich und Italien, wo er einen Ausbruch des Vesuvs erlebt und in Rom vom Papst empfangen wird, und schließlich nach Nordafrika, wo er von Tunis nach Malta übersetzt. Ziel dieser Reise war Griechenland. Seine Erlebnisse beschreibt er amüsant und geistvoll-ironisch in "Südöstlicher Bildersaal", deren Bände II und III er "Griechische Leiden" nennt.  (Band I beschreibt seine Nordafrika-Fahrten.)

Pückler verbringt das ganze Jahr 1836 in Griechenland. Die "Griechischen Leiden" beginnen schon mit der stürmischen Überfahrt auf einem gebrechlichen englischen Schiff von Malta nach Patras, mitten im Winter, Ende des Jahres 1835.  Bei unwirtlichem Wetter reist über den Peloponnes, besteigt den Taygetos, besucht die Ionischen Inseln und erreicht schließlich Athen. Dort verbringt er die Monate März bis Mai. Nach dem kargen Leben in Afrika und den Strapazen der Reise genießt er die athenische erste Gesellschaft, trifft den jungen König Otto I. und seinen Vater, den bayerischen König Ludwig I., der sich gerade - erstmals -  in Athen aufhält und die ihn "wohlwollend" empfangen, sowie die Regenten, Archäologen und Professoren und macht neue interessante Bekanntschaften. Beraten und begleitet u.a von dem österreichischen Diplomaten Anton von Prokesch-Osten unternimmt er Ausflüge in die Umgebung, so zum Poseidontempel von Sounion und zum Schlachtfeld von Marathon.

Er gibt seine Eindrücke des von dem erst wenige Jahre von der vierhundertjährigen Türkenherrschaft befreiten Landes wider und beschreibt die schmerzlichen Gefühle, die ihn beim Anblick der vergangenen Größe und des gegenwärtigen Niedergangs erfassen. Anschaulich vermittelt er dem Leser die Atmosphäre Athens und der Athener Gesellschaft. Er empfindet sie wie "ein halbes Wunder", als erstens nicht "kleinstädtisch", angenehm auch, "daß sie in den wenigen Cirkeln, die sie in sich faßt, dennoch eine seltene Mannigfaltigkeit darbot, und drittens, daß Feste, Assembleen, Bälle usw., deren Langeweile man, einmal in der Gesellschaft lebend, doch nicht wohl vermeiden kann, hier nur selten stattfinden."   Und: "In gesellschaftlicher Hinsicht erschien mir Athen angenehmer als viele größeren Hauptstädte, obwohl es in seinem Äußern, wie für Comfort jeder Art, noch manchem Dorfe im civilisierten Europa nach stehen mag." Pückler erweist sich als kritischer Beobachter, drückt sich aber hinsichtlich der enttäuschenden Gegenwart durchgängig sehr vorsichtig und taktvoll aus ohne jedoch die Wirklichkeit zu beschönigen. Er war nicht so kurzsichtig und verbohrt wie viele der damaligen Philhellenen, für die jegliche Kritik an Hellas ein Sakrileg war.

Die Enttäuschungen halten bis zum Ende seiner Griechenlandreise an. Mit der rauen Wirklichkeit wird er besonders auf dem rückständigen  Peloponnes konfrontiert, mit großer Armut und Not, Schmutz und Ungeziefer. Um nicht in den verwanzten und verlausten Gasthäusern übernachten zu müssen, in denen Hygiene ein Fremdwort ist, konstruiert er eigens ein "Feldzeltbett" und nächtigt im Freien.

Auch die Menschen erfährt er als grob, ungesittet und ungebildet, sie können weder lesen noch schreiben.  "Das Volk, das sich den Namen der Hellenen anmaßt, hat mit den Erinnerungen des Bodens nichts gemein", hatte schon der Diplomat Prokesch-Osten bald nach seiner Ankunft in Griechenland desillusioniert erkennen müssen.  Auch Pückler, der als gebildeter Aristokrat wie viele das Unvergängliche der Antike suchte, sah die riesige Kluft zwischen der glanzvollen Antike mit ihren magischen Namen und der jetzigen Gegenwart, den "tiefen Fall". Hinzu kam, daß selbst die antiken Überreste etwa in Delphi, Olympia, Mykene, Epidauros und den anderen antiken Orten kümmerlich waren, denn die systematischen Ausgrabungen setzten ja erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, in Olympia zum Beispiel 1875 durch Ernst Curtius. Es bedurfte schon einer beträchtlichen Vorstellungskraft, sich aus den wenigen Trümmern ein Bild von der großen Vergangenheit zu machen. 

Aber der Fürst hatte auch schöne Erlebnisse, etwa im Dorf Magula bei Sparta, "wo ein deutscher Architekt, Herr Baumgarten, mit seiner Familie wohnt, der von der Regierung mit dem Bau Neu-Spartas beauftragt ist. Er bewirtete uns mit einer kleinen Kollation, bei der seine schöne Tochter den Wein kredenzte, und es wäre höchst undankbar, nicht auch eines vortrefflichen germanischen Rahm-Kirschkuchens zu gedenken, dessen Verdienst wir mit Patriotismus erkannten." Selbst die kargen Überbleibsel Spartas sieht er positiv: "Die Überreste Spartas ... sind keineswegs so gering, als sie von den meisten angegeben werden, obgleich allerdings kein Gebäude davon sich, wie in Athen, zum größten Teile ganz erhalten hat."

Vor allem in Athen sieht er Lichtblicke: Ich muß "namentlich für den Aufenthalt in Athen gestehen, daß trotz seines ominösen Titels doch auch manche Sonnenblicke diese trüben Tage erhellten. Denn oft haben Freuden, ja selbst hoher Genuß, sich mit den schmerzlichen Gefühlen gemischt, welche der tiefe Verfall einstiger Größe so unwillkürlich hervorruft, den fast unerträglichen Mangel an allen, dem verwöhnten Europäer nötig gewordenen, Bedürfnissen ertragen helfen." Mit dem "ominösen" Titel sind die "Griechischen Leiden" gemeint.   

1837 reist er über die Kykladen - Milos, Paros, Naxos, Santorin - und das damals noch osmanische Kreta nach Ägypten, wo ihm ein fürstlicher Empfang bereitet wurde. Weiter geht es in den Sudan, nach Palästina, in den Libanon und schließlich nach Konstantinopel. Erst nach fünf Jahren kehrt er von seiner Afrika- und Orientreise nach Muskau zurück. 1785 auf Schloß Muskau geboren, stirbt er 1871 auf Schloß Branitz.

Alle Zitate sind aus "Südöstlicher Bildersaal", Band II und III: "Griechische Leiden", 1840/41, Neuauflage "Griechische Leiden", Band II und III, Stuttgart/Hamburg 1969.

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