Dienstag, 5. Februar 2013



Die Juden von Sakinthos

Im Hauptort der Insel, in Sakinthos-Stadt, wurden in der Tertseti-Strasse, am Platz der ehemaligen Synagoge, zwei Stelen aufgestellt, die zwei aussergewoehnliche Menschen ehren. Die eine gedenkt des orthodoxen Erzbischofs Chrysostomos, die andere des Buergermeisters Loukas Karrer.

Wie ganz Suedgriechenland und einige Inseln lag Sakinthos bis zur Kapitulation Italiens im September 1943 in der italienisch besetzten Zone, danach fiel es ebenso wie das uebrige Gebiet an die deutschen Besatzer. Da die Italiener dem Rassegedanken der Nazis keine sonderliche Sympathie entgegenbrachten und sich weigerten, in ihrer Zone antijuedische Massnahmen durchzufuehren, konnten sich die Juden vor Verfolgung relativ sicher fuehlen. Erst als die Deutschen dort die Herrschaft uebernahmen, setzten die Festnahmen und Deportationen in die Vernichtungslager ein.

Dieses Los war auch den Juden von Sakinthos zugedacht, ihre 2000 Schicksalsgenossen der Nachbarinsel Korfu waren bereits am 20. Juni nach Auschwitz transportiert worden. Schon kurz nach seiner Ankunft  bestellte der Kommandant der deutschen Militaerverwaltung Buergermeister Karrer zu sich und forderte ihn auf, eine Liste aller auf  Sakinthos lebenden Juden zu erstellen. Was das bedeutete, war offensichtlich. Karrer besprach sich mit dem Metropoliten, Chrysostomos, der einst in Deutschland studiert hatte und gut Deutsch sprach. Die beiden stellten eine Liste zusammen und ueberreichten sie dem deutschen Kommandeur in einem verschlossenen Umschlag. Dieser fand darin ein Blatt Papier, auf dem lediglich zwei Namen standen: Metropolit von Sakinthos, Chrysostomos; Loukas Karrer, Buergermeister.

Zuvor hatten die beiden noch veranlasst, dass alle juedischen Bewohner sicheren Unterschlupf bei ihren christlichen Landsleuten in den Bergdoerfern fanden. Da sie gut in die Inselgemeinschaft integriert waren, bereitete das keine Schwierigkeiten.

Alle 275 Juden der Insel haben ueberlebt. Damit ist die juedische Gemeinde von Sakinthos die einzige in ganz Griechenland, die keines ihrer Mitglieder verlor. Loukas Karrer (1909-1985) und Erzbischof Chrysostomos (1890-1958) geschah ebenfalls nichts. Den Kommandeur hat moeglicherweise ihr couragiertes Vorgehen beschaemt und er traute sich nicht, zwei Menschen in Gewahrsam zu nehmen, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um das anderer zu retten. Karrer und Chrysostomos  wurden 1978 in Yad Vashem als "Gerechte unter den Voelkern" geehrt.

Die Synagoge ist uebrigens nicht von den Deutschen zerstoert worden, sondern fiel dem schweren Erdbeben im Jahr 1953 zum Opfer.