tag:blogger.com,1999:blog-42447640650210148102024-02-08T09:58:07.825-08:00Kalimera GriechenlandHintergrundinformationen zu Griechenland: Politik & Geschichte, Kunst & Kultur und Tourismus von Frauke Burianfraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.comBlogger54125tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-16624204761508858612020-01-06T05:00:00.002-08:002020-01-06T05:00:42.652-08:00Der Bildhauer Gerhard Marcksfraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-91772958077680889732018-04-02T06:49:00.001-07:002018-04-03T06:03:48.694-07:00Deutsche Philhellenen in Athen - Wer steckt hinter den Straßennamen? Wilhelm Schmidt, J. F. Julius Schmidt, Theodor von Helmreich, Wilhelm Müller, Karl Otfried Müller u.a.Straßennamen sind das Gedächtnis einer Stadt, weil sie die Erinnerung an bestimmte Personen wachhalten. Demnach sind den Griechen vor allem ihre antiken Vorfahren lieb und teuer. In Athen tragen oft ein Dutzend Straßen oder mehr den Namen Aristoteles und Sophokles, Sokrates und Euripides oder Perikles, worin sich der Stolz auf die glanzvolle Vergangenheit und ihre Hinterlassenschaften sowie die oftmals noch immer mit allem Ernst vorgetragene Überzeugung ausdrückt, die direkten Nachkommen der "alten Griechen" zu sein. In diesen Olymp großer Namen aufgenommen und durch ein Straßenschild geehrt zu werden, gelang immerhin rund dreißig deutschen Wissenschaftlern, Unternehmern, Politikern und Archäologen, denen zuerkannt wird, sich um das Land verdient gemacht zu haben. Griechenland profitierte im 19. Jahrhundert in hohem Maße von der westlichen Wissenschaft, den kompetenten deutschen Gelehrten, die auf vielen Gebieten Pionierarbeit leisteten, Hellas nach außen repräsentierten und Grundlagenforschung betrieben, die noch heute gültig ist.<br />
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Allen Philhellenen wird im Zentrum Athens mit der Odos Filellinon, der "Straße der Philhellenen", gemeinsam gedacht. Sie zweigt von der Seite des Sintagmaplatzes ab, die mit der Odos Othonas den Namen des ersten Königs von Griechenland trägt, des Wittelsbachers Otto I., in dessen Gefolge die meisten Deutschen nach Hellas gekommen und geblieben sind - sofern sie den klimatischen und hygienischen Bedingungen sowie anderen Beschwernissen gewachsen waren oder Krankheiten wie das "endemische Wechselfieber" ("endemische Malaria") überlebten. <br />
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Unter denen, die sich die Hochschätzung der Athener erwarben, waren zwei deutsche Schmidts: Friedrich Schmidt und J. F. Julius Schmidt. Die Straße des letzteren, die enge Odos Smith, führt zum Nymphenhügel mit der Sternwarte, die der in Wien lebende Baron Sina, Auslandsgrieche, betuchter Bankier und Mäzen, 1843 der Stadt Athen stiftete. Der international bekannte Astronom Schmidt war von 1858 bis zu seinem plötzlichen Herztod 1884 Direktor des Observatoriums. Seine Beerdigung auf dem Ersten Athener Friedhof gestaltete sich unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu einer "nationalen Trauerfeier". <br />
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Ein Sträßchen hinter dem Friedhof, die Odos Vinkelman, erinnert an Johann Joachim Winckelmann, den Begründer der klassischen Archäologie als Kunstwissenschaft. Er war zwar selbst nie in Hellas, hat aber das Griechenlandbild der Deutschen maßgeblich beeinflußt, auch das der Dichter der Klassik. So sprach etwa Goethe von der "glücklichen Natur der Griechen", die "den Traum des Lebens am schönsten geträumt" haben und betrachtete sie als Idealtyp nicht nur der europäischen, sondern der gesamten Menschheit. Winckelmanns große Liebe galt den Griechen. Er schätzte die griechische Kunst höher ein als die römische, in ihrem Wesen liege "edle Einfalt und stille Größe" . <br />
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Die zweite Schmidt-Straße liegt südlich vom Zentrum und zweigt von der Pirras-Straße ab. Ihr Namengeber Friedrich Schmidt war preußischer Agronom und Hofgärtner, in dessen Händen, unterstützt von dem renommierten bayrischen Botaniker Carl Nikolaus Fraas (der aus gesundheitlichen 1841 nach München zurückkehren mußte), die praktische Umsetzung des Entwurfs von Francois-Louis Barrauld für einen Hofgarten lag. Auf Veranlassung Königin Amalias ließ Schmidt seltene Bäume und Pflanzen aus dem gesamten Mittelmeergebiet heranschaffen, die den Park zu einem Botanischen Garten machten. Unter den über 500 Arten wurden 102 einheimische gezählt. Über die Entstehung der Anlage veröffentlichte Schmidt den Beitrag "Der königliche Hofgarten in Athen". Die am Haupteingangstor des "Ethnikos Kipos", des heutigen Nationalgartens, entlangführende Straße trägt den Namen der Königin: Leoforos Amalias. <br />
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Nahe der Odos Smit trifft man auf die Odos Chelntraich, die ein Tourist wohl nicht auf Anhieb als Helmreich-Straße entziffert. Theodor von Helmreich, ebenfalls Botaniker, weltbekannt und auf vielen internationalen Kongressen zu Hause, war von 1851 bis zu seinem Tode 1902 Direktor des Königlichen Botanischen Garten Athens sowie von 1858 bis 1883 Kurator des Naturhistorischen Museums der Universität Athen. Auf zahlreichen ausgedehnten Exkursionen erforschte er die Flora Griechenlands und entdeckte 700 neue Arten, von denen siebzig seinen Namen tragen. Von seinen vielen Veröffentlichungen wurden einige im 20. /21. Jahrhundert nachgedruckt, so erst 2016 bei Hansebooks das 1877erstmals erschienene Werk "Die Nutzpflanzen Griechenlands". Heldreich führte eine rege Korrespondenz mit seinen europäischen Kollegen, darunter mit Charles Darwin, die 1993 veröffentlicht wurde.<br />
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Auch der deutsche Namen Müller ist in Athen präsent. Die Odos Myllerou im Stadtteil Metaxourgiou erinnert an den deutschen Dichter und leidenschaftlichen Philhellenen Wilhelm Müller, schon zu seinen Lebzeiten als "Griechen-Müller" verehrt, der über fünfzig "Griechenlieder" schrieb, darunter das populäre "Der kleine Hydriot". Den Deutschen besser bekannt sein dürfte er durch das Volkslied "Das Wandern ist des Müllers Lust" oder die von Schubert vertonte "Winterreise". Die Odos Myller im Stadtteil Kolonos würdigt Karl Otfried Müller, einen der bedeutendsten und produktivsten Altertumswissenschaftler seiner Zeit. An ihn, der 1840 nach seiner Delphi-Reise in Athen an Fieber starb, erinnert auch eine Grabstele auf dem Kolonoshügel.<br />
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Natürlich ist auch dem großen Archäologen Heinrich Schliemann eine Straße gewidmet, die Odos Errikos Sliman, im Süden des nach Lord Byron benannten Stadtteils Vyronas, ebenso dem Architekten Ernst Ziller, der Schliemanns Wohnhaus, heute Münzenmuseum, und das Schliemann-Mausoleum auf dem Ersten Athener Friedhof schuf. Mit über fünfhundert Bauten prägte Ziller das klassizistische Stadtbilds Athen, von denen so manche glücklicherweise überlebt haben. Er starb verarmt in Athen und ist ebenfalls auf dem Ersten Athener Friedhof begraben. Einige weitere Deutsche fanden dort ihre letzte Ruhestätte wie der philhellenische Baron Eduard von Reineck, der Epigraphiker Hans von Prott, Bettina von Savigny-Schinas und der Archäologe Adolf Furtwängler.<br />
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Zu den Personen hinter der Odos Streit und der Odos Esslin siehe meine Beiträge unter April 2018 und Oktober 2017, ausführlicher zu Wilhelm Müller und Karl Otfried Müller meine Beiträge vom Juni 2014 und Juli 2017. <br />
Zur Familie Fuchs, den bayrischen Gründern der Bierbrauerei Fix, nach denen eine Straße im Süden Athens - Odos Fix - sowie die Metrohaltestelle Singrou-Fix benannt ist, siehe meinen Beitrag "Fix-Bier. Die erste Brauerei Griechenlands" von Februar 2014. <br />
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<br />fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-11179297822689379562018-04-02T05:53:00.000-07:002018-04-02T05:53:25.083-07:00Die Geschichte hinter den Namen - die Odos Streit in Athen Mit dem Wittelsbacher Otto, der 1832 zum König von Griechenland gekrönt wurde, und auch später, nach seiner Abdankung 1862, kamen deutsche Beamte und Soldaten, Wissenschaftler, Ingenieure, Architekten und Handwerker nach Griechenland, die sich dort niederließen und deren Nachkommen großteils noch heute in Hellas leben. Um ihnen die Eingewöhnung zu erleichtern, publizierte Adolph von Schaden bereits 1833 in München den Ratgeber und Reiseführer "Der Bayer in Griechenland. Ein Handbuch für alle, welche nach Hellas zu ziehen gedenken, oder dasselbe in jeder Beziehung näher kennen zu lernen wünschen." Der Band gibt einen Einblick in den damaligen Rumpfstaat, die kulturellen und historischen Mißverständnisse, das verklärte - irreale - Griechenbild. Denn die Wirklichkeit sah ganz anders aus.<br />
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Unter den deutschen Emigranten - viele kamen aus Bayern wie Johann Karl Fuchs, der 1864 die Bierbrauerei Fix gründete, königlicher Hoflieferant und über hundert Jahre lang beherrschende Großbrauerei in Griechenland war, oder der Weinhändler Gustav Clauss, der 1859 auf dem Peloponnes das berühmte Weingut Achaia Clauss gründete - war auch der philhellenisch geprägte Johannes Alexander Freiherr von Streit, wie die meisten Auswanderer ein Repräsentant des gehobenen Großbürgertums bzw. des Adels. Streit, 1812 auf dem Rittergut Medewitzsch 25 Kilometer südlich von Leipzig geboren, stammte aus sächsischem und mütterlicherseits dem fränkischen Adelsgeschlecht von Wurmb. Er gehörte dem Offizierscorps Ottos I. an und ließ sich nach dem Abschied vom Militärdienst in Patras nieder. Die Nachkommen des deutschen Freiherrn sollten sich in dem aufzubauenden Land einige Verdienste erwerben.<br />
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Sein 1835 in Patras geborener Sohn Stefanos Streit heiratete 1865 Viktoria Londou, die Tochter des Bürgermeisters Andreas Londos.Nachdem seinem Studium der Rechte in Leipzig und Athen machte erfolgreich Karriere als Jurist, Bankier, Hochschullehrer und Politiker. So war er von 1896 bis 1911 Präsident der Griechischen Nationalbank und in der Regierung von Alexandros Zaimis Finanzminister.<br />
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Georgios Streit, 1868 ebenfalls in Patras geboren, trat in die Fußstapfen seines Vaters Stefanos und studierte Jura, in Leipzig, Berlin und Athen. 1898 wurde er Professor für Internationales Recht in Athen, Berater des Außenministeriums sowie 1910 griechischer Botschafter in Wien. Anfang 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs (manche Quellen nennen Dezember 1913), wurde er für acht Monate Außenminister. Weil er die Neutralität Griechenlands wahren wollte, stellte er sich gegen einen Kriegseintritt an der Seite Englands, konnte ihn aber nur hinauszögern. Als Grund für sein Widerstreben vermutete man wegen seiner Herkunft eine pro-deutsche Neigung, auch wenn er seine Haltung später damit erklärte, daß Griechenland für einen Kriegseintritt in keiner Weise vorbereitet war.<br />
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1929 wurde Streit Mitglied des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, 1931 Präsident der Akademie von Athen.<br />
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In Athen wurde die Familie Streit durch einen Straßennamen geehrt: die am Kotziaplatz abzweigende Odos Streit, ein kurzes, aus zwei, drei Häuserblocks bestehendes Sträßlein. <br />
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Nachkommen der von Streits leben noch heute in Griechenland, darunter sein Urenkel Pavlos Geroulanos, der in der Regierung von Georgios Papandreou Minister für Kultur und Tourismus war.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-46426538259942893352017-10-25T08:25:00.001-07:002017-10-25T08:25:57.595-07:00Griechischer als Griechisch: Alekos FassianosIch lernte Alekos Fassianos, heute einer der bekanntesten griechischen Künstler der Gegenwart, Ende der sechziger Jahre in der Berliner Galerie Onnasch kennen. Ein männlicher Kopf in klassisch griechischem Profil und leuchtendem Rot, gezeichnet in einfachen, klaren Konturen, fiel mir ins Auge und ließ mich nicht mehr los. Ich wußte sofort, daß ich dieses herrliche antikisierende Bildnis eines Mannes, der aussah wie ein junger Gott, haben mußte. So tätigte ich meinen ersten spontanen Kunstkauf und habe ihn nie bereut. Seitdem hängt der "rote Kopf" über meinem Schreibtisch, zwar nicht mehr ganz so intensiv leuchtend, sondern im Laufe der Jahrzehnte etwas bleicher geworden, was seiner Schönheit jedoch keinen Abbruch tut. Damals war Fassianos in Deutschland noch kaum bekannt, in Paris hingegen, wo er seit 1960 studierte und arbeitete - insgesamt verbrachte er 35 Jahre seines Lebens in Paris -, hatte man ihm schon mehrere Soloausstellungen gewidmet. Heute weiß ich, daß mein Bild das von ihm entworfene Poster für seine erste Pariser Ausstellung war und inzwischen ein rares Sammlerstück ist.<br />
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1935 in Athen geboren, studierte Fassianos zunächst Violine am Athener Konservatorium und 1956-60 Malerei an der Athener Kunstakademie, wo Yannis Moralis einer seiner Lehrer war. Mit einem Stipendium des französischen Staates setzte er seine Ausbildung 1960 in Paris fort und studierte drei Jahre lang Lithographie an der Ecole des Beaux- Arts bei Clairin und Caroline Chariot-Dayez. Er verbrachte seine Anfangsjahre als Maler in Paris und hatte dort auch seine ersten Ausstellungen. Insgesamt kann er auf nahezu hundert Solo-Auftritte weltweit zurückblicken, nach Paris in Athen, Saloniki, Mailand, Stockholm, London, Zürich, Brüssel, Tokio, Beirut, New York - dort erstmals sehr erfolgreich 1966 - sowie in Deutschland: in Hamburg, München, Düsseldorf und Köln. Er war auch Teilnehmer der Biennalen von Sao Paolo und Venedig, ferner der Basel Art Fair. Als einem der wenigen griechischen Künstler ist es ihm gelungen, schon früh über die Grenzen Griechenlands hinaus bekannt zu werden und internationales Ansehen zu erringen.<br />
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Sein künstlerisches Schaffen ist vielfältig. So arbeitete er seit 1975 mehrfach als Bühnenbildner für das Athener Nationaltheater, er entwirft die Poster für alle seine Ausstelllungen gewöhnlich selbst, kreiert Cover für Bücher, illustriert sie und veröffentlichte eine Reihe eigener Prosatexte und Gedichte. Für die Olympischen Spiele 2004 in Athen entwarf er eine Briefmarkenserie und Poster, für die Ausstellung "Ewige Wiederkehr" 2007 in Athen einen Schreibtisch, den er "Menschen-Säulen" nannte.<br />
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Seine Malerei ist keiner Schule zuzuordnen. Er malt in seiner ureigenen Weise, der Weise Fassianos. Seine tiefenlosen, flächigen Bilder haben einen hohen Erkennungswert. Der figurativen Darstellung ist er immer treu geblieben - im Zentrum seines Werkes steht der Mensch -, ebenso der Liebe zur antiken und byzantinischen Kunst, auch der griechischen Folklore. Seine Bilder haben immer etwas Poetisches, selbst wenn er Figuren aus der griechischen Mythologie - und aus ihr nimmt er gewöhnlich sein Personal - mit der heutigen Wirklichkeit bzw. dem täglichen Leben in Zusammenhang bringt, etwa "Lysander auf einem Athener Balkon" oder "Freunde mit Fahrrad". Bei manchen fühlt man sich an die griechische Vasenmalerei erinnert.<br />
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Weniger bekannt sind seine Landschaftsbilder und die übermalten Fotografien, eine neuere Art der Darstellung, in der er die griechische Realität thematisiert und - so in einer Ausstellung im Sommer 2008 in Athen - an das erinnert "Was uns blieb". <br />
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Neben verschiedenen Auszeichnungen und Preisen wurde Alekos Fassianos - die Franzosen nennen ihn Alexandre - 2013 mit dem Orden der Ehrenlegion (officier de la legion d'honneur) ausgezeichnet, einem der höchsten Orden Frankreichs. In Athen wurde die Metrostation Metaxourgio mit Kunstwerken von Fassianos ausgestattet. <br />
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<br />fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-24441775780956313892017-10-16T05:48:00.001-07:002018-04-02T05:54:00.623-07:00Bayern und Griechen. Die Esslin-Straße in Athen. Konstantin von HößlinVom Leoforos Alexandras, nahe der Kreuzung mit der Kifisias, zweigt eine kleine Straße nach Norden ab, die Odos Esslin. Sie trägt den Namen Konstantins von Hößlin, dessen in Triest geborener Vater Julius von Hößlin 1839 nach Athen auswanderte. Die weit verzweigte Familie stammt von einem alten bayerischen Adelsgeschlecht ab, das in Augsburg ansässig war.<br />
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In Athen gründete Julius nach westlichem Vorbild ein Bankhaus, das bedeutendste jener Zeit und Vorläufer der National Bank of Greece, die 1841 ins Leben gerufen wurde und heute die älteste Geschäftsbank Griechenlands ist. Erfahrungen als Bankier hatte er zuvor in Triest gesammelt, wo sein Vater und sein Onkel das Handels- und Bankhaus Gebrüder Hößlin und Co. etabliert hatten. Julius von Hößlin war finanzpolitischer Berater in der Regierung Ottos I. und wurde in den Vorstand der Nationalbank berufen. Maßgeblich beteiligt am Aufbau und Erfolg der neuen Bank, die bis 1928 auch die Funktion einer Zentralbank ausübte, war der Schweizer Bankier und Philhellene Jean Gabriel Eynard, ein Freund des Grafen Ioannis Kapodistrias', des ersten Präsidenten des unabhängigen Griechenlands; Eynard hatte ihn 1814 auf dem Wiener Kongreß kennengelernt. Nach ihm ist ebenfalls eine Straße benannt, die Odos Einardou im Norden Athens, eine Querstraße der Liossion.<br />
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Das klassizistische Nationalbankgebäude am Kotziaplatz erbaute übrigens der Deutsche Ernst Ziller, dem Athen mehr als 600 repräsentative Bauten verdankt.<br />
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Julius heiratete die aus Smyrna stammende Griechin Christina Justina Chatziapostolou und ist somit der Stammvater des griechischen Zweiges derer von Hößlin. Sie hatten drei Söhne: Aristides Emanuel Balthasar, der als Bauingenieur u.a. den Hafen von Volos plante, Ferdinand Nikolaos Balthasar, der 24-jährig im Befreiungskampf gegen die Türken 1866 auf Kreta fiel, und Konstantin Alexander Balthasar, der sich als Politiker einen Namen machte. Die drei Söhne wurden in Athen geboren; die beiden Überlebenden heirateten Griechinnen: Aristides ehelichte Maria Notaras und Konstantin Emilia Vryzakis. Alle männlichen Nachkommen der Familie tragen den Namen Balthasar als Beinamen, den Mädchennamen der Ehefrau ihres Vorfahren Gallus Hößlin, der - um 1500 geboren - eine Anna Balthasarin heiratete.<br />
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Konstantin von Hößlin studierte Jura in Leipzig, München, Zürich und Genf und anschließend Staatswissenschaften in Brüssel. Seine berufliche Laufbahn begann der promovierte Jurist 1868 als Richter in Tripolis und Pyrgos. 1897 wurde er zum Präfekten von Fthiotida und Fokida ernannt, wo er sich viele Meriten erwarb. Sein großes Verdienst war, daß es ihm in der Schlacht von Lamia gelang, die Türken daran zu hindern, in die Stadt Lamia einzufallen und die Bedingungen für einen Waffenstillstand auszuhandeln - eine Straße in Lamia erinnert an ihn.<br />
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Später - als Präsident der Verfassunggebenden Versammlung von Griechenland - war er maßgeblich an der Überarbeitung der griechischen Verfassung beteiligt, die 1910 verabschiedet wurde und bis heute gültig ist. Während seiner Zeit als Parlamentspräsident übernahm er 1916 noch die Funktion als erster Vorsitzender der Athener Rechtsanwaltskammer. Kurz darauf begann der dramatische Abstieg. Sein politischer Widersacher Venizelos vertrieb ihn 1917 ins Exil nach Korsika. Nach seiner Rückkehr am 11. Juni 1919 verurteilte ihn ein außerordentliches Militärgericht zum Tode. Zwar wurde das Urteil später aufgehoben, doch durch die Haft geschwächt und schwer erkrankt starb er am 17. Januar 1920 in einem Athener Krankenhaus, in das ihn seine Tochter Polyxenia (die erste Frau des deutschen Dramatikers und Generalintendanten des Deutschen Nationaltheaters in Weimar, Ernst Hardt) noch hatte bringen können.<br />
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Nachkommen der Familie Hößlin leben noch heute in Griechenland. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-5505189454529503362017-07-22T09:07:00.001-07:002017-07-25T07:01:52.659-07:00Athen - Graffiti-Hauptstadt EuropasEs gibt sie in Athen, die sogenannte Streetart. Aber ihr Vorkommen ist verschwindend gering. Nicht jeder, der eine Spraydose bedienen kann, ist ein Künstler,ein Banksy oder Ino (von ihm gibt es einige großartige Wandgemälde in Gazi), und nicht jeder hat eine Botschaft, geschweige denn eine, die verstanden wird. Als Kunst geht heute vieles durch. Aber das ist nicht das Thema und soll hier auch nicht behandelt werden.<br />
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Das Problem ist, daß die meisten "Kunstwerke" einfach nur Schmierereien sind, die das Auge beleidigen und deprimieren. Es gibt sie in diesem Ausmaß in keiner anderen europäischen Haupt- oder Großstadt. Sie haben im Zentrum überhand genommen und betonen die Verwahrlosung der citynahen Viertel umso mehr. Kaum eine Straße, kaum ein Haus, das von den Verschandelungen verschont geblieben ist. Das Straßenbild wird immer unansehnlicher, die schmuddeligen Ecken der Stadt werden noch schmuddeliger, besonders in den alten Vierteln der Stadt, und die Verwüstung nimmt von Jahr zu Jahr zu. Ganze Stadtteile verlottern, zugleich floriert die Sprayerszene.<br />
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Wenn man durch das Athener Zentrum geht, ob Plaka, Monastiraki, Psiri, Metaxourgio oder besonders Exarchia, ist man von Graffiti behelligt. Das gibt es nirgendwo sonst in Europa. In Exarchia zum Beispiel ist ein Gebäude ohne "Malerei" die Ausnahme. In diesem ehemals gutbürgerlichen Wohnviertel stehen in den baumbestandenen Straßen noch einige schöne klassizistische Häuser mit schmiedeeisernen Balkonen und kunstvollen Eingangstüren, manche teuer restauriert. Aber fast alle sind beschmiert, die hübschen pastelligen Fassaden besudelt. Die Eigentümer sind verzweifelt, aber was sollen sie tun? Sie fühlen sich der Zerstörungswut hilflos ausgeliefert.<br />
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In Exarchia befindet sich neben dem Archäologischen Nationalmuseum das altehrwürdige Politechnion, das einstige Polytechnikum, in dem heute nur noch die Büros einiger Fakultäten, darunter Architektur und Kunst, zu Hause sind. Das schöne klassizistische Hauptgebäude, aber auch die anderen Gebäude auf dem Campus sind sinnlos verunstaltet. An allen Fassaden liest man immer dieselben Parolen, die von beklagenswerter Ideenlosigkeit zeugen, wie "Piss off Cops", "Fuck the Police", ".... the politicians", "... the banks" und wer oder was sonst noch als Feind angesehen wird. Die verbale Ausdrucksweise ist begrenzt. Es langweilte, wenn es nicht so häßlich und zerstörerisch wäre. <br />
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Denn die Täter besprühen alles, was ihnen vor die Dose kommt. Sie schrecken weder vor Antiken, Denkmälern - etwa den geschichtsträchtigen Statuen im Areos-Park - noch vor dem Holocaust-Denkmal am Kerameikos-Friedhof zurück, das seit seinem Bestehen schon mehrfach mit beleidigenden Krakeleien "bemalt" wurde. <br />
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Obwohl die Graffiti-Malerei offziell verboten ist, scheint sich niemand darum zu kümmern, diese Unart zu unterbinden. Entfernt werden die Schmierereien meist nicht, weil kein Geld dafür vorhanden ist, der Staat ist arm und die Kosten sind hoch. Vermutlich würde es auch nichts nützen, denn manche "Malereien" sind zentimeterdick vom mehrfachen Überpinseln, Überkleben, Übersprühen. Heute gereinigt, morgen dieselbe Prozedur der Zerstörung. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-83033387641260135752017-07-17T05:44:00.001-07:002017-08-12T07:30:15.563-07:00Der "grüne Fürst" - Hermann von Pückler-Muskaus Reisen in Griechenland. "Griechische Leiden" Fürst Hermann von Pückler war ein berühmter Landschaftskünstler, dessen Parkanlagen Branitz und Muskau - heute Weltkulturerbe der Unesco - Vorbild für die Gartenarchitektur in Europa waren und bleibendes Zeugnis der Landschaftsgestaltung im 19. Jahrhundert sind. Zugleich war er ein Abenteurer und Weltreisender, der einen Großteil seines Lebens fern von Zuhause verbrachte, sowie ein namhafter Schriftsteller, der schnell literarischen Ruhm errang. Schon seine erste Veröffentlichung, die "Briefe eines Verstorbenen" 1830/31, macht ihn auf Anhieb berühmt. Der Band war ein Riesenerfolg - auch finanziell - und das nicht nur in Deutschland. Er hatte Bestsellerstatus und wurde mehr gelesen als Goethe und Schiller.<br />
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Seine Reiselust, die bis ins hohe Alter ungebrochen blieb, führt ihn durch die südlichen Länder Europas, in die Schweiz, nach Südfrankreich und Italien, wo er einen Ausbruch des Vesuvs erlebt und in Rom vom Papst empfangen wird, und schließlich nach Nordafrika, wo er von Tunis nach Malta übersetzt. Ziel dieser Reise war Griechenland. Seine Erlebnisse beschreibt er amüsant und geistvoll-ironisch in "Südöstlicher Bildersaal", deren Bände II und III er "Griechische Leiden" nennt. (Band I beschreibt seine Nordafrika-Fahrten.)<br />
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Pückler verbringt das ganze Jahr 1836 in Griechenland. Die "Griechischen Leiden" beginnen schon mit der stürmischen Überfahrt auf einem gebrechlichen englischen Schiff von Malta nach Patras, mitten im Winter, Ende des Jahres 1835. Bei unwirtlichem Wetter reist über den Peloponnes, besteigt den Taygetos, besucht die Ionischen Inseln und erreicht schließlich Athen. Dort verbringt er die Monate März bis Mai. Nach dem kargen Leben in Afrika und den Strapazen der Reise genießt er die athenische erste Gesellschaft, trifft den jungen König Otto I. und seinen Vater, den bayerischen König Ludwig I., der sich gerade - erstmals - in Athen aufhält und die ihn "wohlwollend" empfangen, sowie die Regenten, Archäologen und Professoren und macht neue interessante Bekanntschaften. Beraten und begleitet u.a von dem österreichischen Diplomaten Anton von Prokesch-Osten unternimmt er Ausflüge in die Umgebung, so zum Poseidontempel von Sounion und zum Schlachtfeld von Marathon.<br />
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Er gibt seine Eindrücke des von dem erst wenige Jahre von der vierhundertjährigen Türkenherrschaft befreiten Landes wider und beschreibt die schmerzlichen Gefühle, die ihn beim Anblick der vergangenen Größe und des gegenwärtigen Niedergangs erfassen. Anschaulich vermittelt er dem Leser die Atmosphäre Athens und der Athener Gesellschaft. Er empfindet sie wie "ein halbes Wunder", als erstens nicht "kleinstädtisch", angenehm auch, "daß sie in den wenigen Cirkeln, die sie in sich faßt, dennoch eine seltene Mannigfaltigkeit darbot, und drittens, daß Feste, Assembleen, Bälle usw., deren Langeweile man, einmal in der Gesellschaft lebend, doch nicht wohl vermeiden kann, hier nur selten stattfinden." Und: "In gesellschaftlicher Hinsicht erschien mir Athen angenehmer als viele größeren Hauptstädte, obwohl es in seinem Äußern, wie für Comfort jeder Art, noch manchem Dorfe im civilisierten Europa nach stehen mag." Pückler erweist sich als kritischer Beobachter, drückt sich aber hinsichtlich der enttäuschenden Gegenwart durchgängig sehr vorsichtig und taktvoll aus ohne jedoch die Wirklichkeit zu beschönigen. Er war nicht so kurzsichtig und verbohrt wie viele der damaligen Philhellenen, für die jegliche Kritik an Hellas ein Sakrileg war.<br />
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Die Enttäuschungen halten bis zum Ende seiner Griechenlandreise an. Mit der rauen Wirklichkeit wird er besonders auf dem rückständigen Peloponnes konfrontiert, mit großer Armut und Not, Schmutz und Ungeziefer. Um nicht in den verwanzten und verlausten Gasthäusern übernachten zu müssen, in denen Hygiene ein Fremdwort ist, konstruiert er eigens ein "Feldzeltbett" und nächtigt im Freien. <br />
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Auch die Menschen erfährt er als grob, ungesittet und ungebildet, sie können weder lesen noch schreiben. "Das Volk, das sich den Namen der Hellenen anmaßt, hat mit den Erinnerungen des Bodens nichts gemein", hatte schon der Diplomat Prokesch-Osten bald nach seiner Ankunft in Griechenland desillusioniert erkennen müssen. Auch Pückler, der als gebildeter Aristokrat wie viele das Unvergängliche der Antike suchte, sah die riesige Kluft zwischen der glanzvollen Antike mit ihren magischen Namen und der jetzigen Gegenwart, den "tiefen Fall". Hinzu kam, daß selbst die antiken Überreste etwa in Delphi, Olympia, Mykene, Epidauros und den anderen antiken Orten kümmerlich waren, denn die systematischen Ausgrabungen setzten ja erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, in Olympia zum Beispiel 1875 durch Ernst Curtius. Es bedurfte schon einer beträchtlichen Vorstellungskraft, sich aus den wenigen Trümmern ein Bild von der großen Vergangenheit zu machen. <br />
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Aber der Fürst hatte auch schöne Erlebnisse, etwa im Dorf Magula bei Sparta, "wo ein deutscher Architekt, Herr Baumgarten, mit seiner Familie wohnt, der von der Regierung mit dem Bau Neu-Spartas beauftragt ist. Er bewirtete uns mit einer kleinen Kollation, bei der seine schöne Tochter den Wein kredenzte, und es wäre höchst undankbar, nicht auch eines vortrefflichen germanischen Rahm-Kirschkuchens zu gedenken, dessen Verdienst wir mit Patriotismus erkannten." Selbst die kargen Überbleibsel Spartas sieht er positiv: "Die Überreste Spartas ... sind keineswegs so gering, als sie von den meisten angegeben werden, obgleich allerdings kein Gebäude davon sich, wie in Athen, zum größten Teile ganz erhalten hat."<br />
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Vor allem in Athen sieht er Lichtblicke: Ich muß "namentlich für den Aufenthalt in Athen gestehen, daß trotz seines ominösen Titels doch auch manche Sonnenblicke diese trüben Tage erhellten. Denn oft haben Freuden, ja selbst hoher Genuß, sich mit den schmerzlichen Gefühlen gemischt, welche der tiefe Verfall einstiger Größe so unwillkürlich hervorruft, den fast unerträglichen Mangel an allen, dem verwöhnten Europäer nötig gewordenen, Bedürfnissen ertragen helfen." Mit dem "ominösen" Titel sind die "Griechischen Leiden" gemeint. <br />
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1837 reist er über die Kykladen - Milos, Paros, Naxos, Santorin - und das damals noch osmanische Kreta nach Ägypten, wo ihm ein fürstlicher Empfang bereitet wurde. Weiter geht es in den Sudan, nach Palästina, in den Libanon und schließlich nach Konstantinopel. Erst nach fünf Jahren kehrt er von seiner Afrika- und Orientreise nach Muskau zurück. 1785 auf Schloß Muskau geboren, stirbt er 1871 auf Schloß Branitz.<br />
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Alle Zitate sind aus "Südöstlicher Bildersaal", Band II und III: "Griechische Leiden", 1840/41, Neuauflage "Griechische Leiden", Band II und III, Stuttgart/Hamburg 1969.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-42112490492116871122017-07-15T09:01:00.000-07:002018-04-02T05:54:27.121-07:00Karl Otfried Müller und Wilhelm Müller: Die Straßen Odos Myller und Odos Myllerou in AthenEs gibt in Athen tatsächlich zwei Müllerstraßen: die Odos Myllerou im Stadtteil Metaxourgio und die Odos Myller im Stadtteil Kolonos. Die Myllerou ist benannt nach dem Dessauer Wilhelm Müller (1794-1827), einem deutschen Dichter der Romantik, von seinen Zeitgenossen auch "Griechen-Müller" genannt, ein leidenschaftlicher Hellenenfreund, der mehr als fünfzig "Griechenlieder" schrieb, den Deutschen aber wohl hauptsächlich durch das Volkslied "Das Wandern ist des Müllers Lust" und durch seine von Franz Schubert vertonten Liederzyklen "Die schöne Müllerin" und "Die Winterreise" bekannt ist. (Siehe meinen Beitrag "Der deutsche Philhellene Wilhelm Müller. Die Odos Myllerou in Athen".)<br />
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Die Odos Myller würdigt den am 28. August 1797 in Brieg (Schlesien) geborenen Karl Otfried Müller, einen der bedeutendsten Altertumswissenschaftler seiner Zeit, der grundlegende Arbeiten in verschiedenen Fächern der Altertumskunde vorlegte, darunter auf Gebieten, die damals noch kaum im Fokus der Aufmerksamkeit standen. Sie wirkten als bahnbrechend über das 19. Jahrhundert hinaus und werden noch heute als grundlegend angesehen. Vielseitig begabt, war sein Interessengebiet weit gefächert; es umfaßte neben der klassischen Philologie die klassische Archäologie, Alte Geschichte, Ägyptologie und einige Randgebiete.<br />
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Müller beschäftigte sich schon als Schüler mit Fragen des Altertums. Thema seiner bereits 1817 (auf Latein) abgeschlossenen Dissertation war die Geschichte der Insel Ägina von den Anfängen bis zur Frankenzeit, die umfassende Darstellung einer Lokalgeschichte Griechenlands. Ein unermüdlicher Arbeiter, produzierte er viel in seinem kurzem Leben. So legte er eine komplette Topographie von Athen vor und publizierte in schneller Folge weitere bedeutende Werke, darunter seine "Geschichten hellenischer Stämme und Städte" (Band 1: "Orchomenos und die Minyer", Band 2 und 3: "Die Dorier"), ein bis heute beispielhaftes "Handbuch der Archäologie der Kunst", ferner "Über das Nachahmende in der Kunst nach Aristoteles", "Aristoteles und das deutsche Drama" und "Über Sophokleische Naturanschaung".<br />
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Seine "Geschichte der griechischen Literatur bis auf das Zeitalter Alexanders" blieb unvollendet. Sein Bruder, der Philologe Eduard Müller, veröffentlichte sie postum 1857. Das Werk fand große Resonanz; es wurde nicht nur wie viele seiner anderen Bücher ins Englische, sondern auch ins Französische, Italienische, Ungarische und Griechische übersetzt.<br />
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Professor der klassischen Archäologie in Göttingen, war Müller nicht nur in der deutschen Fachwelt, sondern auch international hoch angesehen. Er galt als genialer Geist, als scharfsinnig, ideenreich, methodisch richtungweisend, dabei immens fleissig und arbeitsam. Eine glänzende Zukunft schien ihm sicher.<br />
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1839 erfüllte er sich den lang gehegten Wunsch, die antiken Stätten Italiens und Griechenlands zu besuchen. Die Reise wurde ihm zum Verhängnis.<br />
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"Diese Reise sollte die Voraussetzung schaffen für sein Lebenswerk, die große Geschichte Griechenlands, für die er seine bisherigen Werke als Vorarbeiten ansah. Von seiner Reise nach Griechenland kehrte er nicht zurück. Fast am Ende des für ihn wissenschaftlich so ertragreichen Besuchs in Hellas wurde er Opfer seines unermüdlichen Forschungsdrangs. Beim Kopieren von Inschriften an der Tempelterrasse in Delphi bei glühender Sonnezog er sich eine schwere Hirnentzündung zu. Auf der Rückreise von Delphi brach er zusammen. Seine Begleiter brachten ihn noch nach Athen. Dort starb er am 1. August 1840. Sein Grab fand er auf dem Kolonoshügel im Norden Athens, wo noch heute eine Grabstele an ihn erinnert." So Friedrich Lücke im November 1840 in der Schrift "Erinnerungen an Karl Otfried Müller".<br />
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Einer seiner Begleiter nach Delphi war der junge Ernst Curtius, der später, ab 1875, die Ausgrabungen in Olympia leitete. In einem Brief an seine Eltern vom 7. August 1840 berichtete Curtius über Müllers Erkrankung, seine letzten Tage und seinen Tod.<br />
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Auf dem Kolonoshügel befindet sich eine weitere Grabstele, die des französischen Archäologen Charles Lenormant (1802-59). Sie ist eine Arbeit Theophil von Hansens, dem Athen einige seiner schönsten Bauten verdankt. Den Namen des Archäologen trägt auch die sich durch den Stadtteil Kolonos, heute ein tristes Arbeiterviertel, bis nach Metaxourgio ziehende Odos Lenorman.<br />
<br />fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-29107239657208029262017-07-11T04:20:00.000-07:002017-08-13T08:55:52.252-07:00Spree-Athen hat keine Athener Straße, aber eine Griechische AlleeFrankfurt am Main hat eine Athener Straße im Europa-Viertel, Köln und Stuttgart haben eine Athener Straße, ebenso "Isar-Athen" München, das nahebei auch eine Naupliastraße und einen Griechenplatz in Harlaching hat. Berlin hat keine Athener Straße, dafür jede Menge Tavernen und Grills mit Namen Athen, Athene oder Athina. So gesehen, wird Berlin von griechischem Geist üppig durchweht, ist die griechische Metropole in der deutschen Hauptstadt reichlich vertreten.<br />
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Straßennamen dienen bekanntlich nicht nur der Orientierung, sondern würdigen Orte und Städte, Personen - vornehmlich Künstler, Wissenschaftler und Politiker - oder Schauplätze historischer Ereignisse. Sie sind das Gedächtnis einer Stadt. Da verwundert es doch etwas, daß Berlin in der Vergabe seiner Straßennamen Griechenland so sträflich vernachlässigt. So ist mir - um nur ein Beispiel zu nennen - keine Platon-, Sokrates- oder Aristotelesstraße in der City Berlins und den umliegenden Stadtbezirken bekannnt. Lediglich "janz weit draußen" oder "Jotweedee", wie der Berliner sagt, wo nie jemand hinkommt, Touristen schon gar nicht, nämlich in Karlshorst, trifft man an der Kleingartenanlage "Gute Hoffnung" auf einen Aristotelessteig und einen Sokratesweg. Es wäre doch schön, wenn uns die Namen dieser Unsterblichen, deren Lehren heute so aktuell wie je sind, im alltäglichen Straßenbild im Zentrum begegneten. Diese Ehre sollten sie in "Spree-Athen" verdient haben. Darüber sollte man nachdenken.<br />
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Wer kennt das brandenburgische Elstal? Der Ort nur dadurch bemerkenswert, daß zu den XI. Olympischen Sommerspielen 1936 hier das Olympische Dorf errichtet wurde. Es steht heute unter Denkmalschutz und kann zu bestimmten Zeiten besichtigt werden. Damals wohnten fast alle der fast 4000 männlichen Athleten aus über 50 Nationen hier. Die taktische Benennungspolitik der Nazis ist der Grund dafür, daß die Straßen rundum Antwerpener, Stockholmer, Pariser oder Londoner Straße heißen. Und hier findet man endlich auch eine Athener Straße. Elstal ist 18 km vom Berliner Olympiastadion entfernt, und dort gibt es - passend - immerhin eine Marathonallee. <br />
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Aber Berlin hat auch etwas, was alle anderen Städte nicht haben, nämlich eine Griechische Allee im Ortsteil Oberschöneweide. Dieser Straßenname ist einzigartig in Deutschland. Sie wurde als Rathausstraße angelegt und da das Rathaus nicht gebaut wurde, in der NS-Zeit in Griechische Allee umbenannt. Es gibt sogar einen Griechischen Park, eine kleine Grünfläche, auf der die Skulptur "Venus und Amor (1925) von Peter Christian Breuer steht. Allerdings ist auch Oberschöneweide sehr weit weg vom Zentrum, eben "Jotweedee". <br />
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Mitten im historischen Zentrum Berlins liegt der Alexanderplatz, der "Alex". Er ist aber nicht nach Alexander dem Großen benannt, sondern nach dem russischen Zaren Alexander I. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-70969161629523995062017-07-06T10:36:00.002-07:002017-07-11T03:54:04.989-07:00Spurensuche - Die erste Athener Universität im "Kleanthes-Haus". Das Historische Museum der Athener UniversitätAthen hat viele Museen, staatliche wie private, manche sind weltberühmt, andere fristen ein Schattendasein. Zu letzteren gehört das Historische Museum der Athener Universität in der oberen Plaka. Gegründet 1987 aus Anlaß des 150jährigen Bestehens der Athener Universität, befindet es sich in dem ehemaligen Wohnhaus von Stamatios Kleanthes, der in Leipzig und später an der Bauakademie in Berlin bei Karl Friedrich Schinkel Architektur studierte. Mit seinem Studienfreund Eduard Schaubert ging er 1930 nach Athen, wo beide maßgeblich an der Planung der gerade entstehenden neuen Hauptstadt mitwirkten. Ihr Modell für ein modernes Athen konnten sie zwar aus Kostengründen nicht in allen Punkten verwirklichen, doch blieb es - mit einigen Änderungen des bayerischen Hofbaumeisters Leo von Klenze - die Grundlage für die Neugestaltung Athens nach der Unabhängigkeit Griechenlands.<br />
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Der Grieche und der Deutsche bauten mehrere bedeutende Gebäude bzw. restaurierten unbewohnbare, ruinierte Häuser (und das waren die meisten im damaligen Athen, das mit seinen rund 6000 Einwohnern ein großes orientalisches Dorf war), darunter auch ihr künftiges, aus dem 17. Jahrhundert stammendes und für damalige Verhältnisse sehr großes Wohnhaus, das sie 1931 der Türkin Sante Hanoum abkauften und in alter Schönheit wiederherstellten. Kleanthes entwarf auch Grabdenkmäler, u.a. das streng klassizistische Grabmal für Bettina von Savigny-Schinas im protestantischen Teil des Ersten Athenischen Friedhofs, Schaubert erarbeitete den Plan für die neue Stadt Eretria auf Euböa.<br />
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Schon Mitte der Dreißiger Jahre wurde im "Kleanthes-Haus" das erste Athener Gymnasium eingerichtet und 1837 für vier Jahre die erste Universität des unabhängigen griechischen Staates. Gegründet von Otto I., dem jungen König aus dem bayerischen Hause Wittelsbach, wurde sie am 3. Mai als Ottonische Universität eingeweiht. 52 Studenten hatten sich eingeschrieben, weitere 75 Hörer waren nicht immatrikuliert. Frauen waren nicht zugelassen (die erste Studentin - und zwar in Philosophie - war 1890 Ioanna Stefanopouli). Von den 34 Professoren waren sechs Bayern, alle 28 griechischen Hochschullehrer hatten im Ausland studiert. <br />
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Da allen Beteiligten von Anfang an klar war, daß dieses Domizil nur ein Provisorium sein konnte, legte schon 1839, am 2. Juli, Otto den Grundstein für die neue, aus den Spenden von Auslandsgriechen und Philhellenen finanzierte Ottonische Universität. Sie wurde nach Plänen von Christian Hansen erbaut und bereits 1842 eingeweiht. Eingerahmt von der Akademie und der Nationalbibliothek ist diese sogenannte Athener Trilogie das bedeutendste klassizistische Bauensemble Athens und das Meisterwerk Theophil Hansens, dem auch Wien mehrere der gelungensten Bauten an der Ringstraße verdankt. <br />
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Nachdem Stamatios Kleanthis sein Haus 1861 an eine Privatperson verkauft hatte, erlitt es ein wechselvolles Schicksal als Kaserne, Flüchtlingsheim, Schule, Privathaus und Taverne. 1945 wurde es unter Denkmalschutz gestellt und 1967 kaufte es die Universität, deren offizieller Name seit 1932 Nationale und Kapodistrias-Universität lautet.<br />
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Das Historische Museum informiert ausführlich über die Geschichte der inzwischen 180 Jahre alten Athener Universität. Die Sammlungen enthalten die Gründungszeitung, Manuskripte, Dokumente und Handschriften, Memorabilia (z.B. die ersten Studenten-Register), wissenschaftliche Instrumente sowie eine große<br />
Sammlung alter Fotografien und eine sehr ansehnliche Porträt-Kollektion. Dargestellt sind Professoren und Wohltäter der Universität, manche von bedeutenden griechischen Malern wie Nikeforos Lytras, einem Vertreter der Münchner Schule, der seit 1860 fünf Jahre lang an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte.<br />
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Eine Person sucht man vergebens. Vom Universitätsgründer Otto I. fehlt jede Spur: kein Foto, kein Portträt. Nichts.<br />
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Das Historische Museum der Athener Universität befindet sich in der Tholou 5, Plaka.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-56433592761680699172016-11-02T08:50:00.001-07:002016-11-03T07:00:57.584-07:00Die Insel Milos - Perlitabbau, Katakomben und das World War II Bomb Shelter oder Refuge Project Die armlose "Venus von Milo" ist weltberühmt als eines der vielbewunderten Kunstwerke des Pariser Louvre. Die Insel Milos, von der sie stammt, ist weit weniger bekannt. Die Insulaner haben den Tourismus bislang nicht so forciert wie ihre Nachbarn Paros, Naxos, Mikonos und Santorin, die frühzeitig auf den Fremdenverkehr setzten. Dabei ist Milos ein grandioses Stückchen Natur, ein kleines Paradies mit rund sechzig Stränden, Seegrotten, Lagunenlandschaften, bizarren Felsskulpturen und kristallinen Lavaformationen.<br />
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Aber Milos ist auch gesegnet mit Bodenschätzen, denen es schon in der Antike seinen Wohlstand verdankte. Damals war es der harte Obsidian, heute sind es die "seltenen Erden" wie Bentonit, Baryt und vor allem Perlit, denn hier, auf diesem kleinen Ägäis-Eiland, liegt das größte Perlit-Vorkommen Europas; es findet vor allem in der Bauindustrie Verwendung. Abgebaut wird es von der Gesellschaft S & B (Silver & Baryte Industrial Minerals), für die jeder fünfte Milier arbeitet und recht gut verdient. Die Insel ist vergleichsweise wohlhabend. Das Einkommen der Milier liegt insgesamt über dem griechischen Durchschnitt.<br />
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S & B richtete auch das kleine Mining Museum in Adamas ein, das eine Vorstellung von den reichen Schätzen unter der Erde sowie einen Überblick über die Geologie, die lange Geschichte des Bergbaus und seine Bedeutung für die Insel gibt. Am besten besucht man es, bevor man die Insel erkundet.<br />
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Auf Milos liegen noch weitere Schätze unter der Erde. So wurden die Gräber der frühchristlichen Katakomben bei Tripiti (die "Durchlöcherte") in die weichen Tuffsteinwände gegraben, dicht aneinander gereihte Nischen an verzweigten unterirdischen Gängen, in denen die Toten begraben wurden. Sie wurden 1840 entdeckt und 1843 von dem deutschen Archäologen Ludwig Ross erforscht.<br />
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Ein weiterer ausgedehnter Komplex von in das weiche Felsgestein gehauenen Gängen, Räumen und Treppen wurde 2014 in Adamas, gegenüber vom Fährhafen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: das World War II Bomb Shelter, auch Refuge Project genannt. Damals, im Zweiten Weltkrieg spielte das kleine Milos, auf dem Seeweg nach Kreta und Afrika liegend, für die Deutschen eine bedeutende strategische Rolle als Basis für die Einnahme Kretas. Deutsche Truppen fielen am 9. Mai 1941 auf Milos ein und besetzten es nach heftiger Gegenwehr. In den Hochzeiten hielten sich hier mehr als 3000 Soldaten auf, die Stellungen und Bunker bauten und Funkanlagen betrieben. Sie blieben genau vier Jahre, erst am 9. Mai 1945 erfolgte die Kapitulation und der Inselkommandant, ein Major Knauer, ergab sich und seine 529 Männer dem griechischen Major Drakoulis Vassilarakis.<br />
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Die von den Deutschen ausgehobenen Stollen und Räume, die als Verpflegungs- und Munitionslager sowie als Schutzbunker für die Soldaten dienten, sind heute ein sehr besonderer Ort. Der ganze Komplex ist Kunstgalerie. Siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg finden hier Kunstausstellungen und Installationen statt, und in den Tunneln geht der Besucher auf Entdeckungsreise von einem zum nächsten Kunstwerk.<br />
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Nebenan ist eine nach Hippokrates benannte Thermalbadeanlage entstanden, die die natürlichen heißen Quellen gegen Krankheiten wie Rheuma, Arthritis und gynäkologische Beschwerden nutzt. Die 15 Meter lange Höhle wurde mit modernen Einrichtungen versehen.<br />
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Es gibt noch weitere Orte auf Milos, in denen die Deutschen Stellungen und Bunker gebaut haben, zum Beispiel an der Nordwestküste und in Plakes. Der dortige Bunker diente im Zweiten Weltkrieg als Lazarett. Seit März 2014 befindet sich hier ein interessantes kleines Museum, das anschaulich die Bedingungen auf Milos in Kriegszeiten darstellt. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-40260717740280977872016-10-31T08:23:00.001-07:002017-08-12T07:36:51.710-07:00Athen - eine zerbröselnde Stadt?Die Athener Ruinen, da denkt jeder an die Antike, an Akropolis, Agora, Zeustempel und andere antike Überreste, die alljährlich Scharen von Besuchern aus aller Welt in die griechische Hauptstadt ziehen. Bei Spaziergängen durch die Stadt stößt man jedoch auf andere Ruinen, die verstörend wirken. Es gibt wohl keine europäische Metropole, in der man mitten im Zentrum auf so viele dem Verfall preisgegebene Gebäude trifft wie in Athen, mehrere Hundert dürften es sein. Es handelt sich in erster Linie um klassizistische Wohnhäuser aus der Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, die einst das Gesicht der Stadt prägten. Allein der fleißige deutsche Baumeister Ernst Ziller hat annähernd 600 Gebäude in Athen und Piräus geschaffen. In zeitgenössischen Berichten wurde das damalige Athen denn auch als wunderschöne Stadt beschrieben, Fotos und Gemälde bestätigen das. Davon ist heute nicht mehr viel zu sehen.<br />
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Athen war nach den fast 400 Jahren türkischer Besatzung (1456-1830) nur noch ein "Haufen schmutziger Trümmer" - so beschrieb es Graf Prokesch von Osten, der österreichische Gesandte in Athen. Es war ein größeres Dorf, dessen rund 6000 Einwohner zu Füßen der Akropolis wohnten. Dieses Dorf nun machte 1834 den Sprung zur königlichen Residenz- und Hauptstadt des modernen Griechenland, und ein beispielloser Bauboom setzte ein. Die besten deutschen Stadtplaner und Architekten des 19. Jahrhunderts - Leo von Klenze, Friedrich von Gärtner, Eduard Schaubert und sein Freund Stamatis Kleanthis (beide hatten bei Karl Friedrich Schinkel in Berlin studiert), Ernst Ziller sowie die beiden dänischen Brüder Christian und Theophil Hansen - verwandelten den "Haufen" in kurzer Zeit in eine schmucke klassizistische Stadt. Damals wurden auch die breiten Boulevards angelegt, die das Zentrum bis heute prägen.<br />
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Größere Gebäude aus jener Zeit sind, sofern sie öffentlich genutzt werden, in recht gutem Zustand, ausgenommen das von Lysandros Kaftanzoglou erbaute Politechnion (neben dem Archäologischen Nationalmuseum), einstmals Eliteuniversität, heute wie so viele Athener Gebäude von Grafitti beschmiert und von Parolen der Qualität "Fuck you" und "Bullshit" besudelt, zum großen Teil leer stehend, öde und verwahrlost. Das ist um so beschämender, als von hier aus die Unruhen ausgingen, die wesentlich zum Sturz der Militärjunta im Jahr 1974 beigetragen haben. Beschämend auch der Zustand des Denkmals, das der toten Studenten erinnert, die bei der Protestaktion ums Leben kamen - der liegende Bronzekopf : Aus den Sockelritzen sprießt das Unkraut und daneben wurden ausrangierte verrostete Geräte abgelegt, eine Müllkippe. <br />
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Einstmals gehörte das Politechnion zu den Athener Sehenswürdigkeiten wie jene gepflegten Gebäude an der Panepistimiou, der Universitätsstraße: das Bauensemble der Athener Trilogie (Akademie, Universität und Nationalbibliothek) von Christian und Theophil Hansen, dem auch Wien mehrere bedeutende Bauten verdankt, das Schliemann-Haus von Ziller, heute Numismatisches Museum, das Arsakeion, die von Kaftanzoglou erbaute, 1836 gegründete Mädchenschule, ferner die katholische Dionisius-Kathedrale des bayerischen Hofbaumeisters Leo von Klenze und die Augenklinik daneben, ein Entwurf Theophil Hansens, deren Bauleitung Kaftanzoglou oblag. Aber selbst in dieser repräsentativen Hauptstraße, die den zentralen Sintagma- mit dem Omoniaplatz verbindet, fallen einem Ruinen ins Auge (etwa das schöne langgestreckte Haus neben dem Rex-Kino), mehr noch in der parallel verlaufenden Hauptstraße Stadiou, an der sich zumindest das Alte Parlament, das Palaia Vouli, in erfreulichem Zustand darbietet; es dient heute als Historisches Nationalmuseum. <br />
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Das überaus bescheidene einstöckige Haus in der Nebenstraße Paparigopoulou war die erste Residenz Ottos I. und Amalias, bis sie sieben Jahre später in das frühklassizistische, von Friedrich von Gärtner erbaute Königliche Schloß am Sintagmaplatz einziehen konnten. Die provisorische "Residenz", heute Museum der Stadt Athen mit proper Fassade, hat für Ausländer den Nachteil, das eine unauffällige Tafel am Eingang nur in griechischen Lettern auf die einstige Bestimmung hinweist. Das hält die Besucheranzahl in überschaulichen Grenzen, das Haus ist gewöhnlich leer. <br />
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Ein Trauerspiel größten Ausmasses aber ist die seit Jahren voranschreitende Verwahrlosung der privaten Wohnhäuser und Villen. Besonders auffällig ist der Verfall in den Innenstadtquartieren Psirri, Keramikou und Metaxourgio, das - merkwürdig genug - in manchen Medien noch immer als aufstrebendes Galerienviertel mit einem Zustrom von Künstlern aus aller Welt gepriesen wird, in dem Gentrifizierung stattfindet. Nur wo? Zu sehen ist nichts, nicht einmal eine zarte Andeutung von Aufschwung, keine chicen Bars, Boutiquen, Galerien, im Gegenteil. Ganze Straßen verfallen. Als Beispiel sei die Iasonos genannt, eigentlich ein idyllisches Gäßchen, baumbestanden, mit rund zwanzig Häusern auf jeder Seite. Von den meisten stehen nur noch die einstmals schönen Fassaden mit ihren schmiedeeisernen Balkonen und Gittern, kunstvoll gestalteten Haustüren und Gesims. Doch dahinter ist nichts, Unkraut wuchert aus den Fenstern. Ein Potemkinsches Dorf. Einige wenige Häuser sind noch bewohnt, manche nur im Erdgeschoß, genutzt von Bordellen. Manche Häuser ließen sich vermutlich sanieren, andere sind so marode, daß nur noch der Abriß bleibt. Am funktionierenden Ende der Straße besteht eine Galerie, The Breeder, eine der besten Athens. Daneben ein kleines Restaurant mit Cafe, "La Grande Piatsa", besucht fast ausschließlich von den Bewohnern ringsum.<br />
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Ruinen auch in der Ermou, der Hauptgeschäftsstraße in der Plaka, viele ab dem Monastiraki-Platz. In Psirri, dem hochgelobten,doch völlig überschätzten Ausgehviertel Athens, sind wenige Straßen saniert - schön ist nur die Agii Anargiri mit ihren klassizistischen Häuserzeilen, in denen sich ein Straßencafe an das andere reiht -, andere Straßen sind heruntergekommen. Um den Omonia-Platz, den Viktoria-Platz, den Larissa-Bahnhof sieht es ähnlich aus. Diese einstigen Mittelstandsquartiere verkommen zusehends. Die früheren Bewohner sind weggezogen, Wohnungen und Läden stehen leer. Die Viertel haben sich zur Durchgangsstation für Migranten entwickelt und verslummen.<br />
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Die Bevölkerung im Athener Zentrum hat in den letzten Jahren, besonders nach der Krise 2008, stark abgenommen. Das ist nicht nur das Problem einer alternden Population, das auch, denn die Geburtenrate ist ebenfalls gesunken, sondern in erster Linie ein finanzielles. Der Hausbau ist fast zum Erliegen gekommen, die Wohnungspreise sind beträchtlich gefallen, im Schnitt um 40 Prozent, ebenso die Mieteinkünfte bzw. lassen sich Häuser und Wohnungen gar nicht mehr vermieten. Der Hauseigentümer kann bei niedrigeren Einkommen die stetig steigenden Steuern und Nebenkosten nicht mehr aufbringen, Geld für Reparaturen, Renovierungen geschweige denn Sanierung ist nicht da. Die Banken geben kaum Kredite, Fördergelder von der Regierung gibt es nicht. Viele marode Häuser stehen zum Verkauf, aber es finden sich keine Käufer. Niemand will investieren. Die Unsicherheit ist zu groß, die Preise könnten ja noch weiter fallen. Aus diesen Gründen schlagen auch die Kinder mehr und mehr das Erbe ihrer Eltern aus, sofern es sich um Hauseigentum handelt. Eigentum ist nur noch eine Last und kein sicherer Hafen mehr wie noch vor der Krise. Es ist eine Spirale ohne Ende. Athen wird sein Gesicht verändern. <br />
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Selbst in den wohlhabenden Stadtteilen Palaio Psychiko, Kifissia und Kolonaki geht die Unsicherheit um. Allerdings strahlen die Villen dort weiterhin in blendendem Weiß. Keine Grafitti, kein Verfall.<br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-1392914318629150742016-08-14T14:37:00.002-07:002018-04-02T05:55:13.171-07:00Der Erste Athenische Friedhof - Melina Merkouri, Andreas Papandreou, Alekos Panagoulis, Bettina von Savigny-Schinas, J.F. Julius Schmidt und andereAuf dem Ersten Athenischen Friedhof, dem Proto Nekrotafio Athinon, haben seit König Ottos Zeiten die Reichen und Prominenten ihre Ruhe gefunden, lokale Berühmtheiten ebenso wie internationale Geistesgrößen des 19. Jahrhunderts, die sich um Griechenland verdient gemacht haben. Die dicht bei dicht stehenden Grabbauten (Oikoi) - prunkvolle Mausoleen, Standbilder mit Medaillons, reliefverzierte Stelen und Sockel mit den Büsten der Verstorbenen, mächtige Sarkophage - haben das sorgfältig gepflegte Gelände zu einem Skulpturenpark werden lassen, der in Stein gemeißelt die bewegte Historie des neugriechischen Staates erzählt. Aber auch kunst- und kulturgeschichtlich ist der Friedhof von Bedeutung. Als Spiegel seiner Zeit dokumentiert er den sozialen und kulturellen Zustand der Gesellschaft, vor allem den der selbst- und nationalbewußten Athener Oberschicht. <br />
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Ein Meisterwerk der klassizistischen Bildhauerkunst begegnet dem Besucher gleich rechts am breiten Mittelweg: Es ist die "Koimomeni" (die "Schlafende"), das Grabmal der Sophia Afentakis, die im Alter von erst achtzehn Jahren an Tuberkulose starb. Geschaffen hat es Giannoulis Chalepas (1851-1938) von der Insel Tinos, der als der bedeutendste griechische Bildhauer des 19. Jahrhunderts gilt und eine Brücke in die Moderne schlug. Sein Leben ist von großer Tragik überschattet: 1877, dem Jahr, in dem er die "Schlafende" schuf, bildete er erste Symptome einer psychischen Krankheit aus, vermutlich Schizophrenie. Vierzig Jahre lang lag seine künstlerische Tätigkeit brach. Glücklicherweise war ihm in höherem Alter eine späte zweite Karriere vergönnt, Ausstellungen und Preise würdigten sein Werk noch zu Lebzeiten. (2007 fand in Athen eine Retrospektive statt.) <br />
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Die meisten Denkmäler in dieser schneeweißen Totenstadt aber folgten dem Zeitgeschmack. Sie kopieren antike Säulen, Skulpturen und Reliefs, deren Originale man im Archäologischen Nationalmuseum studieren kann. Ein beliebtes, immer wiederkehrendes Motiv in der Grabplastik ist die "trauernde Athene", ferner Sphinxe und Grabstelen, wie man sie auf dem antiken Athener Friedhof, dem Kerameikos, und im dortigen Museum sieht. <br />
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Nicht zu übersehen ist das links auf der Anhöhe oberhalb des Mittelweges thronende Grabmonument von Heinrich und Sophia Schliemann. Diesen exponierten Platz mit Blick auf die Akropolis hatte Schliemann schon zu Lebzeiten als letzte Ruhestätte gewählt. Auch den Bau des Mausoleums in Form eines dorischen Tempels hatte er lange vor seinem Tod - er starb am 26. Dezember 1890 im Alter von 68 Jahren in Neapel an einer verschleppten Ohreninfektion - bis ins Detail geplant. Architekt war sein Freund Ernst Ziller, dem für den Bau 50 000 Drachmen zur Verfügung standen, eine unerhört hohe Summe, die ihm völlig freie Hand in der Außen- und Innengestaltung ließ. Die Schliemann-Büste vor dem Tempel gab seine griechische Frau Sophia Engastromenou in Auftrag, die ihn um vierzig Jahre überlebte. Der umlaufende Fries stellt das Ehepaar in Troja dar, umgeben von türkischen Arbeitern, die die kostbaren Funde in Sicherheit bringen, von denen Schliemann glaubte, sie seien der Schatz des Priamos. Der Archäologe rezitiert aus einem Band Homers, dem Schliemannschen "Hausgott", die ihm zugewandte Sophia hört aufmerksam zu. In dem Grabmal ist auch ihre Tochter Andromachi Melas bestattet. Sohn Agamemnon ist in Paris beerdigt. <br />
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Einige Reihen hinter dem Schliemann-Mausoleum liegt das Grabmal eines deutschen Philhellenen, des Barons Eduard von Reineck. Aus der Inschrift geht hervor, daß er 1796 in Eisenach geboren wurde, 1822 nach Griechenland kam und als Adjutant von Alexandros Mavrokordatos, mehrmaliger Ministerpräsident nach dem Unabhängkeitskrieg und nach der Thronbesteigung Ottos I. 1833 Finanzminister, den Freiheitskrieg mitmachte. Von Reineck, der mit der Schwester Mavrokordatos', Efrosini, verheiratet war, starb 1858 als königlich-griechischer General in Athen. Anfang der 1820er Jahre war ganz Europa von schwärmerischer Begeisterung für die griechische Freiheitsbewegung erfüllt. Junge Menschen, die antiken Ideale im Kopf, zogen wie von Reineck nach Hellas, um die Griechen in ihrem Kampf gegen die vierhundertjährige türkische Besatzung zu unterstützen. Viele deutsche, österreichische, englische und amerikanische Philhellenen fanden fern der Heimat im protestantischen Teil des Friedhofs ein letztes Zuhause. So mancher wollte in griechischer Erde begraben sein, im Schatten von Pinien und Orangenbäumchen. Viel Interessantes geht aus den Inschriften hervor. Nur wenige Daten auf dem Grabstein, etwa woher sie gekommen und wie alt sie geworden sind, erzählen bereits einen Teil ihres persönlichen Schicksals und wie es mit der Geschichte Athens oder Griechenlands verknüpft ist. <br />
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Unterhalb der Anhöhe fallen zwei Grabdenkmäler auf: das Monument eines der berühmtesten griechischen Freiheitskämpfer, Theodor Kolokotronis (1770-1843), des "Helden von Morea", und die prunkvolle ewige Heimstatt von Georgios Averoff. Dieser großzügige Wohltäter Athens finanzierte seinerzeit nicht nur den Wiederaufbau des antiken Stadions, dessen Reste 1870 Ernst Ziller freigelegt hatte und in dem 1896 die ersten nachantiken Olympischen Spiele stattfanden, sondern schenkte dem Staat auch sein erstes Kriegsschiff. <br />
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Dort, direkt am Hauptweg, liegt die Grabstätte der Schauspielerin und Kulturministerin Melina Merkouri (1925-1994), die die Griechen nur "Melina" nannten, und nur wenige Schritte weiter, neben dem Mausoleum von Emmanuel Benaki, dem Stifter des Athener Benaki-Museums, die des wortgewaltigen, charismatischen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou (1919-1996), der für das Volk "Andreas" war. Keinem anderen Politiker ist diese Ehre jemals zuteil geworden. Noch immer legen seine Anhänger Rosen oder kleine Töpfchen mit Basilikum auf die schlichte Grabplatte.<br />
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Rosen oder Nelken liegen stets auch auf dem Grab des Dichters, Widerstandskämpfers und Parlamentsabgeordneten Alekos Panagoulis, über das ein ausladender Mimosenstrauch seine Zweige breitet. Panagoulis kam am 1. Mai 1976 im Alter von 36 Jahren bei einem mysteriösen Verkehrsunfall ums Leben. Nach dem mißglückten Attentat auf den Obristenchef Georgios Papadopoulos am 13. August 1968 wurde er zum Tode verurteilt. Nach fünf Jahren Haft unter unvorstellbar grausamen Bedingungen in verschiedenen Gefängnissen mußte ihn die Junta aufgrund massiver internationaler Interventionen 1973 freilassen. Die Folter, der er jahrelang ausgesetzt war, die aber seinen Willen nicht brechen konnte, und die Beisetzung dieses besessenen Kämpfers für Freiheit und Demokratie, dem mehrere hunderttausend Menschen das letzte Geleit gaben, beschreibt seine Lebensgefährtin, die italienische Journalistin und Schriftstellerin Oriana Fallaci, in ihrem dokumentarischen Roman "Ein Mann" (Un uomo), der weltweit ein Bestseller wurde. Alekos Panagoulis ist bis heute unvergessen. 1997 ehrte ihn der griechische Staat mit einer Briefmarke, 2002 wurde eine Metro-Haltestelle nahe dem Platz, an dem er starb, nach ihm benannt (Agios Dimitrios/Alekos Panagoulis), mehrere Strassen tragen seinen Namen, und 2012 wurde an der Panepistimiou-Straße eine Statue von ihm aufgestellt. Mikis Theodorakis hat einige seiner Gedichte vertont. Oriana Fallaci starb 2006 in Florenz, sie ist auf dem dortigen Cimitero Evangelico degli Allori begraben. Auf einem Stein neben ihrem Grabdenkmal erinnert sie an ihn, der mit ihr in Florenz lebte: "In Memoria di Alekos Panagulis. Posi con Amore. Oriana."<br />
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Etwas weiter den Hauptweg entlang gehend, trifft man auf die schlichte Grabstelle mit dem Medaillon von Sir Richard Church (1784-1873), Generalissimus der griechischen Truppen im Befreiungskrieg, der als "Stratikos Georgios" allseits verehrt in Athen starb. Schräg dahinter liegt das Grab von Adamantios Korais (1748-1833), einem der geistigen Wortführer im Kampf der Griechen um ihre Unabhängigkeit. <br />
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Im schon erwähnten protestantischen Teil des Friedhofs fand ein anderer bedeutender Archäologe, Adolf Furtwängler (1853-19o7), seine letzte Heimstatt. Sein Grab ist relativ bescheiden, gekrönt nur von einer bronzenen Sphinx, einer Kopie vom Aphaiatempel auf der Insel Ägina, den Furtwängler zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgrub. Hier findet man auch die Grabstele des Epigraphikers Hans von Prott (1869-1903) aus Hannover, der sich bereits während seiner Studienzeit intensiv mit griechischen Inschriften beschäftigte. Seit 1889 arbeitete er im Deutschen Archäologischen Institut in Athen. Er nahm aktiv an den Grabungen Wilhelm Dörpfelds am Nordhang der Akropolis teil. Prott beging im Alter von nur 34 Jahren Selbstmord. Die Stele ist in der Art antiker attischer Grabstelen gestaltet, mit Palmettenbekrönung und dem ergreifenden Flachrelief eines sitzenden, in sich versunkenen Jünglings mit aufgestütztem Kopf, "ein ergreifendes Bild der Trauer" (Bruno Schröder, 1904). Es ist die Kopie eines klassischen Reliefs aus Geraki in Lakonien (heute im Museum von Sparta), das Hans von Prott selbst während einer Lakonien-Reise im Jahr seines Todes entdeckt hat.<br />
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Spaziert man ein wenig umher, entdeckt man noch weitere Gräber von Deutschen, die in Athen geblieben sind. Künstlerisch interessant ist das streng klassizistische Monument für die aus Berlin stammende Bettina von Savigny-Schinas (1805-1835), die vermutlich an Typhus starb. Der Entwurf stammt von dem griechischen Architekten Stamatis Kleanthis, der bei Karl Friedrich Schinkel in Berlin studiert hatte. Zusammen mit seinem Freund Eduard Schaubert, ebenfalls Schinkel-Schüler, arbeitete er den Stadtplan des modernen Athen aus. Bettinas Vater war der bedeutende Rechtsprofessor Carl von Savigny, ihr späterer Ehemann Konstantinos Schinas, der 1833 griechischer Justizminister wurde, war sein Schüler. (Bettinas Briefe aus Griechenland an ihre Eltern, in denen sie von ihrem Alltag und ihren Begegnungen mit interessanten Menschen berichtet, erschienen 2002 im Verlag Cay Lienau, Münster, hrsg. von Ruth Steffen: "Leben in Griechenland 1834-35".) Gleich hinter der Stele Bettina Schinas' steht das Grabmal der Julie von Nordenpflycht, ein Werk des dänischen Architekten Christian Hansen. Julie von Nordenpflycht war eine der Hofdamen von Königin Amalia. Neben Bettina Schinas fand J.F. Julius Schmidt (1825-84) seine letzte Ruhe, ein in Eutin geborener, damals international berühmter Astronom, der von 1858 bis zu seinem unerwarteten Tod Direktor der Athener Sternwarte war. Seine Beerdigung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt, sie gestaltete sich zu einer "nationalen Trauerfeier", wie einem Zeitungsbericht zu entnehmen war. Ferner wurde mitgeteilt, daß er an einem plötzlichen Herzschlag gestorben sei. Den Abend zuvor hatte er "noch ganz wohl bei dem deutschen Gesandten zugebracht".<br />
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Auch der in Radebeul geborene Architekt Ernst Ziller (1837-1923), der das Stadtbild Athens Ende des 19. Jahrhunderts mit über fünfhundert Bauten maßgeblich geprägt hat, ist hier beerdigt. Er starb am 25. November 1923 verarmt in Athen. <br />
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<br />fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-9696209815700904232016-07-30T10:32:00.001-07:002016-08-01T07:25:39.670-07:00Der Marmorbildhauer Giannoulis Chalepas aus Tinos - das tragische Leben eines großen KünstlersWenn man in Reiseführern die meist kurzen Artikel über den Ersten Athenischen Friedhof liest, findet man dort regelmäßig einen Hinweis auf das Grabdenkmal der Koimomeni, der "Schlafenden", das ein Bildhauer aus Tinos, Giannoulis Chalepas, schuf. (Auch ich erweise diesem großartigen Monument jedesmal, wenn ich den Friedhof besuche, meine Reverenz). Näheres über Chalepas jedoch erfährt der Leser gewöhnlich nicht. Wer aber war der Künstler, der dieses Meisterwerk des Klassizismus schuf? Welche Bedeutung hat er für die griechische Kunstgeschichte? <br />
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Bis zur Gründung des neugriechischen Staates waren die griechische Kunst und Architektur byzantinisch und neobyzantinisch mit dem Schwerpunkt Ikonenmalerei, die Skulptur kopierte oder imitierte die Antike. Das änderte sich erst ab 1833, mit der Inthronisierung des Wittelsbachers Otto I., unter dessen Herrschaft sich Griechenland Westeuropa und besonders Bayern öffnete. Mit Beginn der bayerischen Ära erfuhren junge Griechen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten, in München ihre Schulausbildung, erhielten junge Künstler die Gelegenheit, an der dortigen Akademie der Bildenden Künste, einem Zentrum des Klassizismus in Europa, zu studieren und aus ihrer Isolation zu treten. Finanziert wurden die Aufenthalte durch Spenden und Stipendien.<br />
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Einer der Stipendiaten war der Marmorbildhauer Giannoulis Chalepas (1851-1938), der aus einer Steinmetzfamilie aus Pirgos, Hochburg der Marmorbildhauerei, stammte. Sein Vater Ioannis war ein bekannter Steinmetz, der seine Arbeiten, vor allem Grabdenkmäler, nach Athen und sogar Smyrna verkaufte. Seine Kunden waren die kleine Schicht wohlhabender Familien, die vor allem Kopien antiker Stelen und Monumente aus verschiedenen Epochen nachfragten oder die Umsetzung antiker Motive und Themen verlangten. Giannoulis, der älteste der fünf Chalepas-Söhne, entschied sich schon in jungen Jahren für die Bildhauerei und ging 1869 nach Athen, wo er bis 1872 an der dortigen Kunsthochschule studierte. Sein Lehrer war Leonidas Drosis (1834-82), einer der bekanntesten Plastiker des späten 19. Jahrhunderts, der für die Athener Akademie des Theophil Hansen ("Trilogie" an der Panepistimiou-Straße) die Statuen "Athene" und "Apollo", beide auf hohen ionischen Säulen stehend, und die Sitzbilder "Plato" und "Sokrates", alle vor der Akademie, schuf. Von ihm stammt auch die Büste des Simon Sina in der Halle,ein in Wien lebender griechischer Bankier, mit dessen finanzieller Unterstützung Drosis in München studiert hatte und der auch den Bau der Trilogie unterstützte.<br />
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Die Athener Kunsthochschule war aus der Abteilung "Schule der Schönen Künste" des 1836 als "Technische Schule" gegründeten Polytechnikums hervorgegangen. Ihr erster Direktor war der bayrische Architekt Friedrich von Zentner, sein Nachfolger der griechische, in Rom und Paris ausgebildete Architekt Lysandros Kaftanzoglou (1811-85), der das Polytechnikum von 1844 bis 1862 leitete. (Er baute übrigens die Arsakeion-Mädchenschule, stellte - nach Leo von Klenzes Plänen - die katholische Agios-Dionisios-Kathedrale und nach dem Entwurf Theophil Hansens die Augenklinik daneben fertig, alle drei an der Panepistimiou. Das ebendortige pompöse Wohnhaus Heinrich Schliemanns, im Neorenaissancestil von seinem Erzrivalen Ernst Ziller erbaut, bezeichnete der leidenschaftliche Verfechter des schlichten Athener Klassizismus als rundum geschmacklos, als "unerträglichen Aussatz".) Selbst als freischaffender Künstler arbeitend, veranstaltete Kaftanzoglou alljährlich Ausstellungen, die den Kunststudenten die Möglichkeit boten, ihre Werke der Öffentlichkeit vorzustellen sowie - andererseits - interessierte Athener mit den neuen Strömungen in der bildenden Kunst bekannt zu machen und die wenigen Vermögenden zum Kauf zu animieren. <br />
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1873 ging Chalepas an die Münchener Akademie und setzte seine Studien bei dem damals namhaften Plastiker Max von Widnmann, einem Freund des berühmten dänischen Bildhauers Bertil Thorwaldsen, fort. Schon dort wurden seine Arbeiten mit Preisen ausgezeichnet. 1876 kehrte er nach Athen zurück, wo er sich ein Atelier einrichtete und 1877 mit der Arbeit an der "Schlafenden" begann. Georgios Ikonomou Afentakis hatte ihn beauftragt, ein Grabmal für seine im Alter von achtzehn Jahren verstorbene Nichte Sophia Afentaki, Tochter seines Bruders Konstantinos, zu schaffen. An dem fertigen Bildnis deutet nichts auf die Endgültigkeit des Todes hin, das junge Mädchen scheint zu schlafen. Es war Chalepas' letztes Werk - und sein bekanntestes -, bevor seine psychische Krankheit, vermutlich Schizophrenie, diagnostiziert wurde. Da die Psychiatrische Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte, versuchte man mit untauglichen Mitteln ihn zu heilen. Doch keine Therapie half, sein Zustand verschlechterte sich sogar. 1888 schickte ihn seine Familie in eine psychiatrische Anstalt nach Korfu, wo er zwölf Jahre verbrachte. Dort wurden seine künstlerischen Arbeiten, an denen er sich versuchte, zerstört. Zuvor, zu Beginn der Krankheit, hatte er seine Arbeiten noch selbst vernichtet, weil sie ihm nicht perfekt genug erschienen.<br />
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Nach dem Tode seines Vaters 1901 holte ihn seine Mutter nach Tinos zurück, verbot ihm aber, sich künstlerisch zu betätigen, weil sie, wie zuvor die Ärzte, darin die Ursache seiner Krankheit sah. Selbst seine Skizzen und Zeichnungen nahm sie ihm weg und zerriss sie. Er lebte fortan als Schafhirte im Dorf und galt als wahnsinnig. Nachdem 1916 auch seine Mutter gestorben war, war für ihn nach vierzig verlorenen Jahren der Zeitpunkt gekommen, sich freier und intuitiver denn je seiner Kunst zu widmen. Er hatte alle Begrenzungen über Bord geworfen, ließ nichts zu, was ihn einengte. 1923 stellte ein Athener Professor Gipsabdrücke seiner Arbeiten in der Athener Akademie aus. Es wurde ein großer Erfolg. 1930 kehrte er nach Athen zurück und machte bis zu seinem Tod am 15. September 1938 eine zweite - späte - Karriere. Ihm wurden mehrere Ausstellungen gewidmet, er gewann Preise und errang die verdiente Anerkennung noch zu Lebzeiten. <br />
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Giannoulis Chalepas, dem manche Kunsthistoriker den Rang eines Rodin zuerkennen, gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer der Neuzeit Griechenlands. Er gehört zu denen, mit dem die neugriechische Kunst ihren Anfang nimmt und eine Brücke vom 19. in das 20. Jahrhundert schlägt. Von seinen Werken haben sich rund 150 erhalten, ferner mehrere hundert Skizzen. <br />
fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-4306351610099615962016-07-26T09:05:00.003-07:002016-07-26T09:05:44.897-07:00Das Makronissos-Museum in AthenAthen hat viele kleine Privatmuseen. Eines davon ist das Makronissos-Museum in der Agion-Asomaton-Straße 31, gegenüber dem Benaki-Museum für Islamische Kunst, dessen exquisite Ausstellung zu den führenden Sammlungen islamischer Kunst weltweit gehört. Entsprechend häufig wird es besucht, wohingegen das kleine Makronissos Exil-Museum eher ein Schattendasein führt. Wer sich indes ein Bild von der neueren Geschichte Griechenlands machen möchte, sollte sich ein wenig Zeit für einen Besuch nehmen. <br />
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Vor knapp hundert Jahren begannen die jeweiligen griechischen Diktatoren damit, Regimegegner, Oppositionelle und sonstige mißliebigen Zeitgenossen auf unbewohnte oder abgelegene Inseln zu verbannen. Die bekanntesten und gleichsam der Inbegriff für Deportation und Folter sind Leros, das Felseneiland Jaros nahe Siros, Ai Strati (Agios Efstratios) und später Makronissos. Der Lyriker Jannis Ritsos, der auf Limnos, Ai Strati und Makronissos inhaftiert war und 20 Jahre später von der Militärjunta auf Leros und Samos erneut festgesetzt wurde, fand für die Situation der Gefangenen die bekannte Gedichtzeile, die alles sagt: "Unsere einzigen Urkunden: drei Worte: Makronissos, Jaros und Leros. Und wenn euch unsere Verse eines Tages ungeschickt erscheinen, denkt nur daran, daß sie geschrieben wurden unter den Augen der Wächter und mit der Lanze immer in unserer Seite" (in dem Band "Unter den Augen der Wächter", 1989). <br />
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Von Leros - Gefängnis-, Verbannungs- und noch Anfang der neunziger Jahre berüchtigte Psychiatrieinsel - sagte der englische Schriftsteller Lawrence Durrell, der 1945-47 als britischer Presseattache auf Rhodos lebte: "Leros ist eine elende Insel ohne jeden Charakter. Gott helfe denen, die dort geboren sind, und denen, die dort leben." Die relativ kleine Dodekanes-Insel mit ein wenig Tourismus heute und einem schlechten Ruf seit jeher, war unter der Obristenherrschaft eines der Konzentrationslager für Regimegegner. Prominenteste Gefangene waren Jannis Ritsos und der KP-Vorsitzende Charilaos Florakis. Ein anderes Internierungslager war Jaros, das unbewohnte, nur 17 qkm große Felseneiland. Verbannungsort schon unter den römischen Kaisern und in byzantinischer Zeit, war es noch unter der Militärjunta (1967-74) Häftlingsinsel. Die Obristen schafften Tausende politische Gefangene hierher (auch Ritsos, der KP-Mitglied war, war vor seiner Deportation nach Leros auf Jaros) und auf die anderen KZ-Inseln, Mitglieder der Zentrums-Union, der Lambrakis-Jugend u.a., gewöhnlich ohne Gerichtsverfahren und -urteil. 1974, nach dem Ende der Militärherrschaft, wurde Jaros geschlossen.<br />
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Nach dem abgelegenen Ai Strati, südlich von Limnos in der nördlichen Ägäis gelegen, mit gerade einmal zweihundert Einwohnern, wurden zwischen 1928 und 1963 geschätzte Hunderttausend politische Gefangene verbracht, neben Ritsos auch Mikis Theodorakis, der Schauspieler Manos Katrakis, der Journalist und Schriftsteller Kostas Varnalis sowie der Schriftsteller Nikos Karouzos. <br />
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Für sie alle waren die griechischen Inseln die Hölle.<br />
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Auf Makronissos, das wie ein Riegel östlich vom Hafenort Lavrion und vom Kap Sounion liegt, wurden nach dem Ende des Bürgerkriegs (1946-49), ein unrühmliches Kapitel in der griechischen Geschichte, das rund 600 000 Tote forderte, vor allem Linke und Kommunisten interniert, die dort in jahrelanger Haft Folterungen, Erniedrigungen, Zwangsarbeit und Hunger ausgesetzt waren. Tausende fanden den Tod. Auch Ritsos, Katrakis, Theodorakis,der Lyriker Tassos Livaditis und der Jurist und Widerstandskämpfer Apostolos Sandas waren auf Makronissos inhaftiert. Sandas hatte am 30. Mai 1941 zusammen mit Manolis Glezos die Hakenkreuzfahne von der Akropolis gerissen. Daran erinnert auf der Akropolis seit 1982 eine Bronzetafel. Theodorakis zog sich auf Makronissos sein Lungenleiden zu, das "Makronissos-Fieber", an dem viele Deportierte litten.<br />
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Die beiden Museumsräume sind angefüllt mit Schriftdokumenten und Fotografien. Zettel, handschriftliche Briefe und Postkarten an Freunde und Verwandte sind Zeugnisse aus einer Zeit, die noch sehr präsent ist. Die gesamte Korrespondenz ist auf Griechisch geschrieben. Man kann aber eine Broschüre erwerben, die - illustriert mit Plänen und Fotos - auf Englisch über die Geschichte von Makronissos informiert. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-51351901884997033922016-03-03T08:28:00.001-08:002016-03-04T02:01:44.923-08:00Der griechische Pianist und Menschenfreund Panos Karan. Can Music change the World?Ein rastlos Reisender ist Panos Karan. Mehr als hundert Länder hat der Kosmopolit, der heute in London lebt, schon besucht, in einigen - Barcelona, Buenos Aires, Tokio und natürlich in Athen, wo er seine erste Ausbildung erhielt - war er längere Zeit zu Hause. Er bereist die Welt aber nicht nur als der großartige Konzertpianist, der er ist, sondern um benachteiligten Kindern auf der ganzen Welt die westliche klassische Musik und die Freude am Musizieren nahezubringen. Und weil ihm das eine Herzensangelegenheit ist, hat er im September 2010 die Stiftung Keys of Change unter dem Motto "Can music change the world? We believe it can" ins Leben gerufen. Die Non-profit Organisation finanziert sich durch Spenden und Konzerteinnahmen. <br />
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Seine langfristig angelegten, ambitionierten Projekte hat er in Brasilien, Japan, Sibirien, Bosnien, Uganda, Indien und Sierra Leone durchgeführt, in leidgeprüften Ländern also, die Bürgerkriege, HIV-Epidemien oder andere Konflikte und Tragödien aushalten mußten und in denen die meisten Kinder in unglaublicher Armut leben und um jedes bißchen Bildung, Anerkennung und Gesundheit kämpfen müssen. Sein erstes Ziel war im März 2011 Brasilien. In einer spektakulären Aktion fuhr er gemeinsam mit vier Helfern und einem tragbaren e-Piano den Amazonas hinunter und begeisterte die Bewohner der abgelegenen Orte am Fluß mit klassischer Musik. Der abenteuerlichen ersten Reise folgten zwei weitere. <br />
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In Japan, das am 11. März 2011 von einem gewaltigen Erdbeben mit dadurch ausgelöstem Tsunami heimgesucht wurde, der die bekannte Reaktorkatastrophe verursachte, deren Schreckensbilder um die ganze Welt gingen, gründete Panos mit Hilfe von Keys of Change das Jugendorchester Fukushima Youth Sinfonietta, mit dem er intensiv zusammenarbeitet und das er schnell zu einem der besten Jugendorchester Japans formte. Zehnmal war er bereits in Japan, auch in der verwüsteten Küstenregion, die noch immer geisterhaft öde anmutet. 2014 holte er das Fukushima-Ensemble nach London und trat mit ihm in der Queen Elizabeth Hall auf und im August 2015 in Anwesenheit von Kaiserin Michiko in der Tokyo Opera City. Die zweitausend Zuhörer dankten mit minutenlangen Standing Ovations. Erst kürzlich, am 20. Februar 2016, spielte Panos zum Gedenken an den fünften Jahrestag des "Großen Erdbebens" ein Klaviersolo in der Japanischen Botschaft in Athen. "Klassische Musik kann am Amazonas und in den Slums von Sierra Leone genauso erfreuen wie in der Carnegie Hall oder im Southbank Centre. Das ist einer der einfachsten und stärksten Wege für Menschen auf der ganzen Welt, um Brücken zum Frieden zu bauen und einen positiven sozialen Wandel einzuleiten" - meint Panos. Es ist sein Credo. <br />
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Auch in seiner griechischen Heimat organisierte Panos ein Keys of Change-Projekt. Im Januar 2014 reiste er in das nordgriechische Xanthi, einst Mittelpunkt einer florierenden Tabakindustrie, heute ein eher vergessener, orientalisch wirkender Ort nahe der Grenzen zu Bulgarien und zur Türkei. Zusammen mit dem Flötisten Zacharias Tarpagos, mit dem er häufig gemeinsam auftritt, gab er in vier Schulen ein Konzert. Eingeladen hatte ihn die griechische NGO "Mission Anthropos", eine nicht-staatliche, vor allem in der Medizin aktive Organisation, die in diesem rückständigen Landesteil, in dem eine große türkische und eine kleinere Roma-Minderheit lebt, kostenlose Impfungen durchführte. Die meisten Schüler hier sind türkischsprechende Roma, die großteils in schwierigen familiären, von Armut, Unwissen und Gewalt geprägten Verhältnissen leben. Im März 2015 kamen Panos und Zach erneut nach Xanthi, um die ein Jahr zuvor begonnene Arbeit fortzusetzen. Beide studierten mit den engagierten und inspirierten Schülern Lieder und kleine Musikstücke ein, die sie dann öffentlich vortrugen. Ziel ist die Verständigung unterprivilegierter Minderheiten über Musik: "Die Sprache der Musik verstehen alle." In der Musik finden sie zusammen und lernen, daß man durch Teamwork, Verantwortungsbewußtsein und gegenseitigen Respekt Vieles erreichen kann, dass es möglich ist, miteinander zu arbeiten und Erfolg und Freude zu haben. Freude, die sie in ihrem Alltag sonst nicht erfahren. Keys of Change will die Arbeit mit den Schülern in Xanthi weiterführen. <br />
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Panos Karan wurde 1982 auf Kreta geboren und wuchs in Athen auf, wo er im Alter von sieben Jahren ersten Klavierunterricht bekam. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt er am Athener Konservatorium und - mit einem Stipendium der Onassis-Stiftung - an der Royal Academy of Music in London, die der Hochbegabte mit Auszeichnung bestand. Sein Debut hatte er mit 19 Jahren im Londoner South Bank Centre. Es folgten weitere Auftritte, nationale und internationale Preise. Panos tritt überall in Europa und außerhalb Europas auf, in London, Wien, St. Petersburg, dem Athener Megaron Mousikis sowie dem in Saloniki, der Tokyo Opera City. Drei Solo-Konzerte hatte er in der New Yorker Carnegie Hall (Weill Recital Hall). Die Einnahmen seines Konzertes im November 2014 in Berlin kamen einem Projekt mit vierzig sehr jungen Musikern in Kalkutta zugute, das er ebenfalls mit "Keys of Change" unterstützt.<br />
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Die nächsten großen Auftritte hat Panos am 26. März 2016 mit dem Fukushima Youth Sinfonietta in der Fukushima Concert Hall und am 3. April in der Boston Symphony Hall. <br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-85492178114436300742016-02-20T10:06:00.001-08:002016-02-23T02:02:46.959-08:00Alexis Akrithakis und Fofi's Estiatorion in BerlinJedes Mal,wenn ich ins "Cassambalis" essen gehe, fühle ich mich an Fofi's Estiatorion erinnert. Fofi war wohl die bekannteste Griechin in Berlin, ihr Restaurant eine Berliner Institution, genauer: eine Westberliner Institution, denn in jenen Jahren war die Stadt noch geteilt.<br />
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Fofi und ihr Ehemann Alexis Akrithakis kamen 1969 nach Berlin, Alexis als Stipendiat des Künstlerprogramms des DAAD (von dem auch 1973 bzw. 1977 Vlassis Caniaris und Jannis Psychopedis eingeladen wurden). Das Klima in Berlin war damals vor dem Hintergrund der politischen Situation in Hellas sehr Griechenfreundlich, speziell in den siebziger Jahren, und die vor der Athener Militärdiktatur aus ihrer Heimat geflohenen Intellektuellen, Studenten und Künstler wurden überaus herzlich aufgenommen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, gingen viele zunächst in die Gastronomie und kellnerten oder eröffneten Restaurants, die meisten mitten im Zentrum West-Berlins und das war Charlottenburg. <br />
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Auch Fofi arbeitete anfangs in mehreren Tavernen, darunter in dem berühmten "Exil" in Kreuzberg und ab 1972 in dem Szene-Lokal "AxBax" (eigentlich "AchWach", aber für die Berliner war das griechische ch ein x und das vita ein B) der beiden Österreicher Oswald Wiener und Michel Würthle ("Paris Bar"), bis sie 1976 - zusammen mit Costas Cassambalis - ihr eigenes Restaurant eröffnete. Sie gab ihm den schlichten Namen "Estiatorion", das griechische Wort für Restaurant. Aber niemand nannte es so. Man sagte "Ich geh ins Fofi's", wenn man sich im "Estiatorion" in der Fasanenstraße traf. Vom ersten Tag an ein Erfolg, versammelte sich hier regelmäßig die Künstler-, Literaten- und Intellektuellenszene Berlins; jeder kannte jeden. Heiner Müller, Thomas Brasch, Luc Bondy, Peter Stein und seine Schaubühnen-Stars, Markus Lüpertz, der Komponist Wolfgang Rihm, der Prominentenmaler Reinhold Timm, der um die Ecke, in der Meinekestraße, wohnte und mindestens ein Porträt von Fofi anfertigte, und Jannis Psychopedis waren Stammgäste, Jannis Kounellis schaute vorbei, wenn er in Berlin war und da das Estiatorion weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war, fanden auch viele internationale Prominente den Weg zu Fofi, etwa Robert Rauschenberg, Takis, Ed Kienholz oder Robert de Niro.<br />
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Zwanzig Jahre lang lief das Geschäft glänzend, bis Fofi ihre Räume 1996 an Cartier verkaufte und ein neues Restaurant in Berlin-Mitte, dem ehemaligen Ostteil der Stadt, eröffnete. Ihre Stammgäste aus dem "alten Westen" waren älter geworden und scheuten den weiten Weg, in der neuen fremden Umgebung mußte sie sich erst einen Namen machen, und schließlich hatte sich nach dem Mauerfall die Situation insgesamt verändert. Und dann gab es ja das "Cassambalis". 1997 gab sie auf und kehrte zurück in ihre Heimatstadt Athen. <br />
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Alexis Akrithakis hatte Berlin bereits 1984, nach fünfzehn Jahren Aufenthalt, verlassen; hier verbrachte er einige seiner produktivsten Jahre. Anfang der neunziger Jahre ging es mit seiner Gesundheit rapide bergab und nach wiederholten Krisen und Krankenhausaufenthalten starb er am 19. September 1994 im Alter von 55 Jahren in Athen. Akrithakis gilt als einer der bedeutendsten griechischen Künstler des 20. Jahrhunderts, er war von entscheidender Bedeutung für die zeitgenössische Kunst. (Beispielsweise weisen manche Bilder von Keith Haring Ähnlichkeiten mit Akrithakis auf, etwa mit dem "Spielmann" von 1969.) Seine Malereien sind poetische und detailreiche Bilder in leuchtenden Farben, voller Codes und Symbole in allen möglichen Formen und Variationen wie Vögel, kleine Flugzeuge und Fahrräder, Blumen, Herzen, Pfeile, die in verschiedene Richtungen zeigen, und immer wieder Koffer, vielleicht ein Wunschbild für Erinnerungen oder für ein in die Welt hinausgehen. Schöner als der Galerist Folker Skulima kann man seinen Mikrokosmos nicht in Worte fassen: "Der besessene Maler-Dichter entwickelte seine Bildsprache wie ein nur ihm gehörendes Alphabet: Verwurzelung und Universales in einer seltsam eindringlichen Mischung. Was er auf seinen Griechenlandreisen am Straßenrand aufsammelte oder an den Stränden fand, das waren 'arme' Materialien: angeschwemmte Hölzer, Plankenteile von Schiffswracks. Er schuf daraus wunderbar leuchtende Reliefs. Ein mediterraner Liebender hat das Weggeworfene, Angeschwemmte verzaubert. In diesen Reliefs brachte Akrithakis Mythos und Materie ins Gleichgewicht." <br />
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2003 widmete die Berliner Neue Nationalgalerie Akrithakis eine Ausstellung, die Folker Skulima kuratierte: "Alexis Akrithakis ist auf dem Weg zum Klassiker zu werden - er hätte es sich nicht träumen lassen". Da hat er wohl Recht. Schade, daß er das nicht mehr erlebt hat. Viele Ausstellungen folgten, u.a. 2008 und 2010 bei Kalfayan in Athen, 2011 bei Faggionato Fine Art in London, und 2013 "Fofi's Berlin - Fofi Akrithaki's Berlin: 1969-1997", Makedonian Museum of Contemporary Art (Museum Alex Mylona). Hier war auch Alexis Akrithakis berühmte Installation "Bar" zu sehen, als ein Platz, an dem Menschen sich treffen, die zuerst - 1981 - die Athener Galerie Bernier zeigte und 2010 die Galerie Kalfayan. <br />
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Noch bis zum 29. Februar 2016 ist die Ausstellung "Flying over the Abyss" im Contemporary Art Center of Saloniki und bis zum 5. März 2016 "Propositions. For a History of the Artistic Avantgarde" im State Museum of Contemporary Art, ebenfalls in Saloniki, zu sehen. <br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-13646873633790728982016-02-01T03:52:00.002-08:002016-02-23T05:03:32.961-08:00Küsten in Hellas. Demokratische Strände und PrivatisierungMit seinen über dreitausend Inseln und Inselchen hat Griechenland eine Küstenlinie von knapp 14 000 Kilometer Länge, wovon rund 2500 Kilometer touristisch genutzt werden. Neben der Antike ist die Küste die wichtigste Ressource, das größte Pfund, mit dem der griechische Tourismus, der einzige Wirtschaftszweig mit Wachstumspotential, wuchern kann. <br />
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Alle Strände in Hellas sind öffentlich, das heißt, es gibt keine Privatstrände. Auch diejenigen der Hotels müssen für jedermann zugänglich sein. Selbst wenn die Hotels gerne mit "Privatstrand" werben, trifft das formal nicht zu. Es mag bedeuten, daß man möglicherweise einen Umweg gehen muß, um ihn zu erreichen, aber niemand darf den Zutritt verwehren. Der Zugang zu einem Strand bzw. die Anwesenheit dort ist immer frei, das heißt, kein Strand ist kostenpflichtig. Eine Kurtaxe, wie sie in Deutschland an Nord- und Ostsee üblich ist, ist in Griechenland unbekannt.<br />
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Der freie Zugang zum Meer ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht, Strände sind ausnahmslos öffentliches Eigentum. So gehört auch den Besitzern von Wassergrundstücken der vor ihren Anwesen liegende Strand nicht. Sie müssen sich wenn auch zähneknirschend damit abfinden, ihn mit fremden Menschen zu teilen. Mir erzählte kürzlich ein griechischer Freund, als er nahe Porto Cheli nach dem Schwimmen an Land gegangen sei, habe ein betreßter Wachmann ihn zwar höflich, aber unmißverständlich aufgefordert, den Strand zu verlassen, wohl der Angestellte irgendeines Monarchen oder Ex-Monarchen, der dort residiert. Ebenso höflich sei er der Weisung nicht nachgekommen, sondern habe Artikel 24 der Verfassung zitiert, auf den der Schutz des Meeres und der Küsten gründet ("der Schutz der natürlichen Umwelt ist Pflicht des Staates und ein Recht für jeden"). Daraufhin habe sich der Sicherheitsmann wortlos zurückgezogen. <br />
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Ganz privat sind auch Privatinseln in Griechenland nicht. Ihre Eigner sind von dem Gesetz nicht ausgenommen, mögen sie Niarchos heißen oder Emir von Katar. Letzterer hat sich im Jahr 2013 eine kleine Inselgruppe im Ionischen Meer, die Echinades bei Ithaka, zugelegt, zu einem Schnäppchenpreis, wie es heißt. Die Buchten dieser Kleininseln sind beliebte Ankerplätze bei Seglern. Die Besitzer können niemandem verbieten, an "ihrem" Strand an Land zu gehen - aber nicht weiter. <br />
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Doch mit diesem Privileg für alle könnte es bald vorbei sein. Dieses Recht wollte der griechische Finanzminister der Vor-Tsipras-Regierung 2014 aushebeln und ein Gesetz verabschieden, das es privaten Investoren ohne Einschränkungen ermöglicht, Küstengrundstücke zu erwerben und zu bebauen. Es soll bereits Pläne von Großinvestoren für gigantische Hotelkomplexe direkt an Stränden gegeben haben und noch geben, ebenso für den Bau von Golfplätzen - die Griechenland zweifellos dringend braucht, denn seit Jahrzehnten ist zu den bestehenden lediglich fünf Golfplätzen in ganz Hellas, die noch dazu in die Jahre gekommen sind, nur ein einziger auf dem Peloponnes hinzugekommen; aber sie müssen ja nicht unbedingt direkt am Strand liegen. <br />
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Das Gesetz zur Privatisierung der Küste ist inzwischen vom Tisch, weil sich ein breiter Widerstand gegen das Vorhaben formiert hatte, u.a. von Umweltorganisationen. Sie fürchten spanische Verhältnisse, die Verschandelung und Betonierung der Küsten. Aber ob sich die Großinvestoren so leicht abschrecken lassen? Ob es nicht Sondergenehmigungen gibt, jetzt, wo das Land privatisieren muß? Schließlich ist die wirtschaftliche und soziale Not noch lange nicht ausgestanden, das Land ist in der Krise (und wird es vermutlich noch lange sein). Dies soll nun nicht heißen, daß eine Privatisierung generell zu unterbinden ist, etwa bei Projekten, die der Staat nicht mehr stemmen kann und die sich in einem Stadium des Niedergangs befinden wie etwa der Yachthafen Vouliagmeni mit dem "Astir Palace" oder die Golfplätze von Glifada und Rhodos. Golfspieler fahren nicht nach Griechenland, sondern nach Portugal. Allein darin, diese zahlungskräftige Klientel über die Jahrzehnte vernachlässigt zu haben, offenbart sich ein großes Versäumnis und komplettes Versagen des Tourismusministeriums. Private (Groß-)Investoren sind also gefragt und notwendig, um wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen; das wird immer gern übersehen, wenn in Hellas gegen jegliche Privatisierung protestiert wird, diese Einstellung ist fatal, und hat in manchen Fällen - auch bei Vouligmeni - dazu geführt, daß durch die jahrelangen Verzögerungen der Marktwert der Objekte tatsächlich sogar sinkt, weil sie immer mehr verlottern. Aber es muß in jedem Einzelfall (und zwar schnell und ohne abschreckende bürokratische Hürden) entschieden werden, ob das Projekt sinnvoll ist. Der Schutz der Landschaft und das, was dieses Land auszeichnet und so besonders macht, muß erhalten bleiben.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-44352921347724790362016-01-28T04:37:00.002-08:002016-01-28T04:37:36.359-08:00Die Griechische Botschaft im Berliner Tiergarten - Erröffnung am St. Nimmerleinstag?Die Griechische Botschaft ist 1999 von Bonn nach Berlin gezogen. Bis zur Fertigstellung des neuen und der Restaurierung des alten Botschaftsgebäudes im Tiergarten residiert sie in der Jägerstraße am Gendarmenmarkt in einem Haus mit Geschichte: Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts unterhielt Rahel Varnhagen hier ihren berühmten Literarischen Salon, in dem die gehobene Gesellschaft - Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker und Aristokraten - verkehrte. Unter ihren Gästen waren die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, Jean Paul, Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel, Prinz Louis Ferdinand sowie in ihrem "zweiten" Salon Heinrich Heine und Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Letzterer machte sich nicht nur durch seine Landschaftsgärten nach englischem Vorbild einen Namen, er war auch ein grosser Reisender, dessen lebendige Land- und Leute-Beschreibungen die damalige Leserschar begeisterten. So schildert er in "Südöstlicher Bildersaal" höchst anschaulich und sehr persönlich seine Abenteuer und Eindrücke auf den beschwerlichen Reisen durch Griechenland, die Nöte und Unbilden, die er erdulden mußte wie Überfälle durch vagabundierende Banden und Wegelagerer, ganz abgesehen vom alltäglichen Schmutz und Ungeziefer. Über den Peloponnes gelangte er nach Athen, wo er mit dem jungen Wittelsbacher König Otto I. (Othon) und seinen Vater, den Bayernkönig Ludwig I., einen der engagiertesten Philhellenen seiner Zeit, ferner den Regenten des noch minderjährigen Otto und anderen Spitzen der Gesellschaft zusammentraf, die fast alle aus Deutschland und Österreich stammten. Man kann sich kein besseres Bild vom Leben im ottonischen Athen und seiner Oberschicht machen, abgerundet durch eine Prise diskreten Klatsch und Tratsch, als durch dieses Buch. Selbst heute noch sind die Bände (1969 wurden "Griechische Leiden", I, und "Griechische Leiden", II,- wie passend auch für die heutige griechische Situation! - neu aufgelegt) äusserst vergnüglich zu lesen. <br />
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Griechischer Botschafter zur Zeit der Pücklerschen Reisen war Alexandros Mavrokordatos, der in Berlin, Hauptstadt des Königreichs Preußen, und zeitgleich in München, im damaligen Königreich Bayern, akkreditiert war. Mavrokordatos war der erste griechische Ministerpräsident nach der Unabhängigkeit des Landes und hatte in dieser Funktion 1822 in Epidauros die erste griechische - liberale - Verfassung verabschiedet. Später, nach seiner Diplomatentätigkeit in London und seiner Geburtsstadt Konstantinopel, amtierte er noch weitere drei Male als Ministerpräsident.<br />
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1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, wurde Grigorios Ypsilantis erster Botschafter Griechenlands in Berlin, der schon zuvor, zur Zeit des Norddeutschen Bundes, in Berlin und gleichzeitig in Wien akkreditiert war. Alexandros und Dimitrios Ypsilantis (nach ihm ist die Stadt Ypsilanti im amerikanischen Bundesstaat Michigan benannt), die Onkel von Grigorios, waren griechische Freiheitskämpfer der ersten Stunde, Alexandros als Kopf der Philiki Etairia (Freundschaftsbund), einer 1814 in Odessa gegründeten Geheimorganisation, deren Ziel es war, Griechenland zu einem eigenen Nationalstaat, einer Republik, zu machen (was allerdings erst gut hundert Jahre später, 1924, gelang). <br />
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Der erste ausschließlich in Berlin amtierende Botschafter war Alexandros Rizos Rangavis, Professor der Archäologie in Athen, einflußreicher Schriftsteller, griechischer Außenminister (1856-59), danach Botschafter in Washington, Konstantinopel, Paris und schließlich Berlin. Rangavis, der an der Militärakademie in München studiert hatte, war auch ein bedeutender Übersetzer, der Werke von Goethe und Schiller, Dante und Shakespeare ins Griechische übertrug. Alle drei Botschafter stammten aus phanariotischen Familien, einer feudalen Elite, alle waren umfassend gebildete Persönlichkeiten, die sich auf vielen Gebieten bewiesen hatten. Ihren bemerkenswerten, fesselnden Lebensläufen nachzugehen, wäre eine spannende Aufgabe, doch dafür ist hier nicht der Ort. <br />
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Das Gebäude der Griechischen Botschaft befindet sich im sogenannten Botschaftsviertel zwischen Hiroshima- und Hildebrandstraße in unmittelbarer Nähe der türkischen und der italienischen Vertretung. Mehr als dreißig Botschaften haben hier ihren Sitz. Ursprünglich - 1912 - als klassizistische Stadtvilla für den Industriellen Sigmund Bergmann erbaut, erwarb sie 1920 der griechische Staat, um sie als Botschaft zu nutzen, bis nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland die diplomatischen Beziehungen abgebrochen wurden. Das Nachbargrundstück war eine Schenkung zweier Tabakfabrikanten an den griechischen Staat. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel das Gebäude, Obdachlose nisteten sich ein und ein Dachstuhlbrand 1988 machte es endgültig zur Ruine, lange Zeit ein trauriger Anblick in einem Viertel, wo Jahr um Jahr neue Botschaften entstanden oder alte restauriert wurden wie die benachbarte italienische und die schmucke estnische direkt neben dem griechischen Torso. Zeitweilig war aus Kostengründen daran gedacht, das historische Gebäude abzureißen. Schließlich entschied man sich dann doch, es originalgetreu zu restaurieren und daneben einen Neubau zu errichten.<br />
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Der Neubau und die Villa sind seit zwei Jahren fertig, die Gerüste verschwunden. Aber von einem Umzug aus der Jägerstraße und den sechs anderen über Berlin verstreuten Standorten der Botschaft ist nicht die Rede. Die Baukosten sollen rund 15 Millionen Euro betragen haben, die Mieten für alle Botschaftsbüros sich auf 60 000 Euro pro Monat belaufen. Diese Kosten sollten durch den Umzug eingespart werden, aber geschehen ist bislang nichts. In der Botschaft herrscht Schweigen. Auf zwei Anfragen (November 2015 und Januar 2016) teilte man mir mit, man wisse nichts Genaues, ein Eröffnungstermin stehe noch nicht fest, auch seien die Innenarbeiten noch nicht abgeschlossen. Gerüchte sagen, weil längst fällige Rechnungen nicht bezahlt sind, herrsche schon seit zwei Jahren ein totaler Baustopp. Da wird man sich wohl auf weitere Verzögerungen einstellen müssen. Hoffentlich keine unendliche Geschichte. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-43290548457010310972015-11-21T05:06:00.000-08:002015-11-21T05:55:32.310-08:00 Massaker in Epiros: Die 49 von ParamythiaParamythia ist eine hübsche Kleinstadt im gebirgigen Nord-Epirus, ca. 70 km von der Hafenstadt Igoumenitsa entfernt, wo die Fähren nach Korfu, Patras und Italien ablegen. Sie liegt zwischen den Flüssen Kalamas (auch Thyamis) und Acheron, dem mythischen antiken Totenfluß, über den der Fährmann Charon die Verstorbenen in das Reich der Toten, den Hades, gerudert hat. Heute ist die Gegend beliebt für Trekking-Touren. Paramithia hat einige Sehenswürdigkeiten - Reste der Akropolis, den spätbyzantinischen Koulia-Turm, die dreischiffige byzantinische Panagia Paramithia, den venezianischen Uhrturm von 1750 -, doch abgesehen von den Italienern, die hier im Herbst auf Singvögel schießen, verirren sich Touristen eher selten hierher. Vögel sind denn auch das Wahrzeichen des Städtchens, allerdings nicht die von den Italienern als kulinarische Delikatesse vom Himmel geholten, sondern Störche. Mit rund vierzig Nestern auf Bäumen und Hausdächern ist es ein wahres Storchenparadies. Es sind Weißstörche, die sich ab Mitte August in ihre Winterquartiere nach Afrika aufmachen und im Frühjahr zurückkehren. Der Storch wurde schon in der Antike hoch geachtet, weil er sich - Sinnbild der kindlichen Dankbarkeit - um seine alten Eltern kümmerte. Aristophanes läßt ihn in seinem Stück "Die Vögel" sagen: "Wer beißt die Mutter ins Bein und beschert euch den Segen? Der Storch ist's." Die Bürger sind mit ihren Störchen so verwachsen, daß manche sogar, wie Vize-Bürgermeister Dimitri Mamouris, der die Zukunft der Stadt im Alternativen Tourismus sieht, ein Storchenemblem auf ihrer Visitenkarte haben. <br />
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Stolz ist Paramithia auch auf den hier geborenen Goldschmied Sotirios Voulgaris (1857-1932), den Gründer der weltweit bekannten Luxusmarke Bulgari. 1877 verließ er seinen Heimatort, ging zunächst nach Korfu, dann nach Neapel und 1881 nach Rom, wo er mehrere Goldschmuckläden eröffnete und seinen Namen in Bulgari änderte. Sotirios Voulgaris stiftete Paramithia eine Schule, die seinen Namen trägt. <br />
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Im Zweiten Weltkrieg ereignete sich während der deutschen Besatzung Entsetzliches in der Stadt. Nachdem die 1. Gebirgsdivision ("Edelweiß-Division") der Wehrmacht am 16. August 1943 317 Zivilisten jeden Alters und Geschlechts in dem epirotischen Dorf Kommeno exekutiert hatte, erschoss sie sechs Wochen später, am 29. September 1943, unter dem üblichen Vorwand von "Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen" 49 Bürger von Paramithia. Die Liste mit den Namen der Todeskandidaten hatten zwei Brüder, die muslimischen Tsamen Nuri und Mazar Dino - letzterer war Polizist in Paramithia - zusammengestellt, die schon vorher durch gewalttätige Exzesse aufgefallen waren. Anlaß für die Racheaktion waren sechs in einem Gefecht mit Partisanen gefallene Soldaten der Wehrmacht. Warum gerade 49? Am 27. September um Mitternacht wurden 52 Männer verhaftet und am frühen Morgen des 29. September von einem gemeinsamen Trupp Deutscher und Tsamen auf einen Platz etwas außerhalb der Stadt geführt, wo bereits zwei Massengräber ausgehoben waren. Dort steht heute das Denkmal für die Opfer; alljährlich finden hier ergreifende Trauerfeierlichkeiten statt, um die Erinnerung wach zu halten. Der deutsche Offizier, der das Erschießungskommando befehligte, ließ im letzten Ausgenblick drei Gefangene frei, weil er glaubte, sie könnten den Deutschen handwerklich von Nutzen sein. Das konnte er, weil einige Tage zuvor elf Bürger der Präfektur Paramithia erschossen worden waren, so daß die geforderte Zahl sechzig - zehn Griechen für einen deutschen Soldaten - erreicht wurde. So ging die Rechnung auf. In den "Abendmeldungen der Truppe" vom 29. September hieß es: "In Paramithia wurden 50 (sic!) Griechen als Vergeltungsmassnahme für den Überfall am 20.9. auf vorgehenden Spähtrupp westl. Bez.P. 124 erschossen. 149 gefangene Italiener nach Bisduni in Marsch gesetzt." Nach der Kapitulation Italiens waren die ehemaligen Verbündeten zu Gegnern geworden. <br />
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Kaum ein Deutscher hat je von den Kriegsverbrechen in Griechenland geschweige denn von Paramithia gehört. Wenn überhaupt, so erreichten die NS-Greuel in den Bergstädtchen Distomon bei Delphi oder Kalavrita im Norden des Peloponnes eine gewisse Aufmerksamkeit, wo die Deutschen 228 und 511 Einwohner in einem Rachefeldzug niedermetzelten, in Distomon wahllos Männer, Frauen, Kinder, Säuglinge, in Kalavrita alle Männer und männlichen Jugendlichen im Alter von 13 bis 77 Jahren. Damit hatten sie die gesamte männliche Bevölkerung ausgerottet. Die Namen beider Orte kennen die Deutschen aber wohl erst durch die von Hinterbliebenen angestrengten Entschädigungsprozesse, die durch die Presse gingen, Kalavrita zusätzlich durch den Besuch von Bundespräsident Johannes Rau im April 2000. Joachim Gauck tat es ihm nach. Er besuchte im März 2014 das epirotische Dorf Lingiades, wo am 3. Oktober 1943 87 Menschen, ebenfalls von Angehörigen der 1. Gebirgsdivision, ermordet wurden. Beide Bundespräsidenten fanden zwar viele schöne Worte wie "Trauer und Scham" (Rau) oder "Scham und Schmerz" (Gauck), die üblichen wohlfeilen Betroffenheitsformeln, die zum Standardrepertoire der Politiker gehören, aber abgesehen davon blieben die Besuche folgenlos. Im Gedächtnis haften bleibt höchstens das peinliche Foto, auf dem der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias die Umarmung Gaucks brüsk abschüttelte. Es ging durch alle Medien. <br />
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Alle Schadenersatzansprüche von Opfern der Wehrmachtsverbrechen wurden von den deutschen Gerichten abgewiesen, 2007 auch vom Europäischen Gerichtshof und 2012 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Es bestätigte in einem Grundsatzurteil, daß Klagen von Privatpersonen gegen einen Staat nach dem geltenden Völkerrechtsprinzip der Staatenimmunität unzulässig seien. Das heißt, die Staatenimmunität gilt sogar in Fällen von Kriegsverbrechen. <br />
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Das Massaker von Paramithia hat aber noch eine andere, sehr traurige Dimension, wie sie nirgendwo sonst in Griechenland in Erscheinung getreten ist. Denn hier waren die Täter nicht nur die deutschen Besatzer, sondern die albanisch-muslimischen Mitbürger und Nachbarn der christlichen Einwohner, die "Tsamen". Sie spielten eine schändliche Rolle, indem sie während der gesamten Besatzungszeit 1941-44 zuerst mit den Italienern und nach der Kapitulation Italiens Anfang September 1943 mit den Deutschen kollaborierten. Im Juni 1941 gründeten sie die Albanische Faschistische Partei Thesprotiens sowie die Albanische Faschistische Jugend, deren Sitz Paramithia war. Die Tsamen verbreiteten Angst und Schrecken, Raub und Gewalttaten waren an der Tagesordnung. Sie vertrieben die christlichen Verwaltungsbeamten systematisch aus ihren Stellungen und besetzten sie mit eigenen Leuten. Ihre Absicht war es, die politische Macht in Thesprotien zu erlangen. Als der Niedergang Nazi-Deutschlands absehbar war, zogen sie sich nach Albanien zurück. Einen der Hauptdrahtzieher, Masar Dino, verurteilten die Albaner zum Tode. <br />
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Als einziger Deutscher wurde im Rahmen des Nürnberger Prozesses General Hubert Lanz 1948 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, und zwar für alle Verbrechen der ersten Gebirgsdivision unter seinem Kommando. Darunter fällt neben den epirotischen Massakern auch das "Gemetzel von Kefallinia", wo die Gebirgsjäger im September 1943 5200 italienische Kriegsgefangene liquidierten. Doch schon 1951 war Lanz wieder auf freiem Fuß. Er trat in die FDP ein, war ihr Berater in militär- und sicherheitspolitischen Fragen und wurde 1952 Ehrenvorsitzender des Kameradenkreises der Gebirgstruppe, die ihre alljährliches Pfingsttreffen im bayerischen Mittenwald abhielten und ihrer gestorbenen Mörder-Kameraden gedachten. Kein einziger der anderen Täter ist jemals von bundesdeutschen Gerichten schuldig gesprochen worden. Alle anhängigen Ermittlungsverfahren wurden halbherzig geführt, verschleppt und schließlich eingestellt.<br />
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Insgesamt gibt es in Griechenland 93 Märtyrerstädte, in denen während der deutschen Besatzung 1941-45 brutale Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen, die Häuser geplündert, die Orte niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht wurden.<br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-82276598067774146202015-11-15T04:40:00.000-08:002015-11-16T03:06:24.839-08:00Die Insel Spetses - ein stilles RefugiumSpetses, die üppig grüne, sanft hügelige argo-saronische Insel, hat ebenso wie das nördlichere Hydra keine antiken Überreste, aber ebenso wie diese eine große Seefahrertradition. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es eine reiche Insel, die vom Schiffbau und vom Getreidehandel mit ganz Europa und dem südlichen Rußland lebte und besonders zur Zeit der Kontinentalsperre, die die geschäftstüchtigen, gerissenen Griechen skrupellos durchbrachen, riesige Vermögen anhäufte. Nachdem die Reeder und Kapitäne - manche sollen so reich gewesen sein, daß sie ihren Schiffsballast mit Goldmünzen verstärkten - sich anfangs prächtige Villen gebaut und im Luxus gelebt hatten, zögerten sie nicht, ihren gesamten Reichtum für die Freiheit Griechenlands einzusetzen. Zusammen mit Hydra und Psara nahmen die Spetsioten als erste mit über 50 Schiffen 1821 am Unabhängigkeitskrieg teil. Die Kanonen am zentralen Hafenplatz, der Dapia, erinnern daran. Den Aufstand gegen die Türken führte eine Frau an, die legendäre Laskarina Bouboulina (1771-1825), zweimal verwitwet und siebenfache Mutter, deren "Agamemnon" das größte Schiff der griechischen Marine war. Ihr von Kanonen bewehrtes Wohnhaus, jetzt im Besitz der vierten Enkel-Generation, ist als Museum eingerichtet, ebenso das 1795 erbaute Mexis-Herrenhaus (Hatzigiannis Mexis war Reeder und erster Gouverneur der Insel), in dem man eine von dem deutschen Künstler Peter von Hess gemalte "Bouboulina an Bord der Agamemnon" bewundern kann. Der Sieg über die türkische Flotte und zugleich der Beginn des modernen Griechenlands wird alljährlich am 8. und 9. September als "Armata"-Festival aufwendig gefeiert, mit dem nachgestellten Seegefecht, Konzerten und einem opulenten Feuerwerk, das die Familie Niarchos der Insel spendiert.<br />
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Schon früh, in den fünfziger Jahren, setzte auf Spetses der Tourismus ein. Anfangs kamen vor allem wohlhabende Athener, die das stille, ländliche Leben schätzten. Erst nachdem der Reeder Stavros Niarchos 1962 das benachbarte Inselchen Spetsopoula gekauft hatte - sein ewiger Konkurrent Aristoteles Onassis legte sich im selben Jahr die ionische Insel Skorpios zu -, zogen Reiche und Prominente aus ganz Europa nach. Charles und Diana verbrachten hier ihre Flitterwochen und im August 2010 feierte Prinz Nikolaos von Griechenland, ein Sohn von Ex-König Konstantin, hier seine Hochzeit mit der Schweizerin Tatiana Blatnik. Zu dem Fest reiste die royale Verwandtschaft aus ganz Europa an. Konstantin hat eine Ferienvilla im gegenüberliegenden Porto Cheli auf dem Festland, wo auch König Willem-Alexander und Königin Maxima der Niederlande, der russische Präsident Putin und einige griechische Großreeder Sommerresidenzen besitzen. Besonders während der mehrtägigen Segelregatta im Juni ist es nicht ungewöhnlich, daß man "königlichen Hoheiten" begegnet, im Cafe nebenan oder im Grand-Hotel Possidonion, dessen Terrasse die Eigner der Luxus-Jachten bevölkern, die in der Marina ankern. <br />
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Das 1914 im Stil der Belle Epoque erbaute hochherrschaftliche "Possidonion" war eine Idee von Sotirios Anargyros, dem größten Sohn und Wohltäter der Insel. 1849 in eine einflußreiche, aber nach der Revolution verarmte Reederfamilie hineingeboren, verließ er noch als Jugendlicher die Insel in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft als das kleine Spetses sie ihm bieten konnte. Nach beruflichen Stationen in Konstantinopel, Rumänien, Ägypten, Marseille und London wagte er 1883 den Sprung nach New York, wo er es zu einem Millionenvermögen in der Tabakindustrie brachte. 1899 kam er zurück, forstete die halbe Insel mit 100 000 Aleppokiefern auf, legte die Strasse rund um Spetses an, baute das prächtige Grand-Hotel nach dem Vorbild des "Negresco" in Nizza und des "Carlton" in Cannes und gründete 1919 das Anargyrios- und Korgialenios College nach dem Vorbild englischer Internatsschulen wie Eton und Harrow. Wohl alle griechischen Prinzen, die Söhne von Ministern, Industriellen und Reedern besuchten diese Schule, die lange Zeit als die beste ganz Griechenlands galt. Sie bestand bis 1983. Seitdem dient die großzügige, aus fünf Gebäuden bestehende Anlage, die man besichtigen kann, internationalen Kongressen und als "Summer School". Sie hat einen eigenen Olivenhain, 9000 Hektar Wald, in dem sich eine Freilichtbühne versteckt, Sportanlagen, ein hübsches Cafe unter Bäumen und unterhalb des Geländes einen Strand. Hier ließ und läßt es sich sehr angenehm studieren.<br />
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Vom Massentourismus ist Spetses bisher verschont geblieben. Abgesehen von dem Luxushotel "Possidonion", das nach jahrelanger Renovierung 2009 wiedereröffnet wurde und gleich mehrere Auszeichnungen erhalten hat (London 2012: "Best Classic Boutique Hotel in the World", "Best Hotel Architecture Europe", ebenfalls London 2012 u.a.), gibt es zahlreiche Unterkünfte jeder Kategorie in kleineren individuellen Hotels oder umgebauten Kapitänshäusern. Ein beliebtes Ferienhotel ist das dem College benachbarte "Spetses", das einen kleinen Privatstrand hat. <br />
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Spetses hat den Vorteil, daß es nicht nur mit dem Schiff (mit dem Schnellboot gut zwei Stunden ab Piräus), sondern entlang der ostpeloponnesischen Küste vorbei an Epidauros und Nauplia auch auf dem Landweg erreichbar ist (rund zweieinhalb Stunden ab Athen). Dort setzt man von dem kleinen Hafen Kosta auf die Insel über (zehn Minuten). Das Auto muß allerdings auf dem Festland bleiben, der Autoverkehr ist stark reduziert. Stattdessen scheint jeder 4000 Spetsioten, die alle in dem einzigen gleichnamigen Ort wohnen, ein Moped oder einen Motorroller zu besitzen, die auf den schmalen, kurvenreichen Straßen überlaut knatternd an einem vorbeizischen und den Inselfrieden empfindlich stören. <br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-54636218391294172082015-10-15T07:20:00.000-07:002015-10-17T03:13:26.315-07:00Athener GalerienDie Akropolis besucht, in dem grossartigen Akropolismuseum, im Archäologischen Nationalmuseum und im Kykladenmuseum gewesen - die Antike also gewissenhaft abgehakt. Und was nun? Wie wäre es mit einem Kontrastprogramm, nämlich nach soviel Altertum einen Blick auf die zeitgenössische Kunst zu werfen? Athen ist nicht New York, ein dem Museum of Modern Art vergleichbares Haus gibt es hier - noch - nicht. Das neue Museum für zeitgenössische Kunst wartet nun schon seit Jahren auf seine Eröffnung im umgebauten Fix-Gebäude, es ist seit langem provisorisch untergebracht. Da es in der jetzigen Krise auf staatliche Finanzierung kaum hoffen kann (wobei das staatliche Engagement für Modernes schon vorher verschwindend gering war), ist es in der Geldbeschaffung mehr denn je auf private Kulturförderer angewiesen, um die laufenden Personal- und Betriebskosten zu decken. Jetzt soll es im Jahr 2016 seinen Betrieb aufnehmen. Man wird sehen. In der Zwischenzeit trösten wir uns mit den Glanzlichtern, die es tatsächlich auch in der Gegenwartskunst in Athen gibt, nämlich mehrere aufregende Privatsammlungen und ein Trupp einflußreicher Galeristen, denen großartige Ausstellungen und Inszenierungen gelingen. <br />
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Das sind zuallererst die Deste-Foundation von Dakis Ioannou, die Neon-Stiftung von Ioannis Daskalopoulos und der sammelnde Reeder und Investor George Economou, der für seine Kunstwerke 2012 ein eigenes hochmodernes Haus direkt hinter seinem Firmensitz in Maroussi baute und für Besucher öffnete. Ohne diese drei Großsammler geht in der Athener Kunstwelt gar nichts. Sie präsentieren die Werke weltberühmter Künstlerstars nicht nur im eigenen Haus (wie Ioannou und Economou), sondern auch an anderen Orten, z.B. im Kykladenmuseum, im Benakimuseum an der Piräosstraße oder in der Kommunalen Galerie. So hat George Economou 2012 ausgewählte Teile seiner Sammlung zum ersten Mal in der Kommunalen Galerie in Metaxourgio der Öffentlichkeit vorgeführt. Es war ein künstlerisches und zugleich soziales Ereignis, der Publikumsandrang war immens. Daskalopoulos hat kein eigenes Haus, aber er kreiert Ausstellungen speziell für bestimmte Orte wie im Jahr 2014 auf der Römischen Agora. Man achte also auf die Ankündigungen in den Programmheften und Zeitungen wie der deutschsprachigen Griechenland Zeitung, um solche Ereignisse nicht zu verpassen. <br />
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Es gibt drei Kunstorte in Athen, in denen sich die meisten Galerien niedergelassen haben: das zentrumsnahe Kolonaki, das Viertel Thission unterhalb der Akropolis und die ärmeren, einander benachbarten Viertel Metaxourgio und Kerameikos. Beginnen wir mit Kolonaki. Nur fünf Minuten vom Sintagmaplatz entfernt befindet sich in der Merlinstrasse (Odos Merlin) eine zwar sehr kleine, aber stets mit den Werken der weltweit teuersten Maler-Ikonen oder vielversprechender Jung-Stars bestückten Galerie des Kunsthändler-Tycoons Larry Gagosian, der seinen Einfluß inzwischen auf fünfzehn Niederlassungen in sieben Ländern auf drei Kontinenten ausgeweitet hat. Gerade eben - Oktober 2015 - hat er seine dritte Filiale in London eröffnet, im feinen Viertel Mayfair.<br />
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Am von hier aus fünf Minuten entfernten Kolonakiplatz ist eine der ältesten Athener Galerien, Zoumboulakis, zu Hause. Zoumboulakis wurde schon 1912 gegründet und stellt vor allem griechische Künstler aus, die bereits international bekannt sind, etwa Yannis Moralis, Yannis Psychopaidis, Takis und Vlassis Caniaris. In der nahen Odos Kriezotou 7 hat Zoumboulakis eine Zweigstelle eingerichtet, ein Ladengeschäft, in dem Multiples, kleinere Kunstobjekte, Grafik und Poster beliebter griechischer Künstler, z.B. von Alekos Fassianos, verkauft werden. Ebenfalls in der Kriezotou - neben dem Geschenkeladen des Benakimuseums, wo man ebenfalls hübsche kleine künstlerische Arbeiten kaufen kann - hat die Frissiras-Galerie eröffnet, die sich um griechische und internationale Künstler kümmert. (Wer sich für die Klassische Moderne interessiert, sollte die ständige Ausstellung der Werke von Nikos Hadjikyriakos-Ghikas besuchen, einem der bedeutendsten griechischen Künstler des 20. Jahrhunderts, der - 1906 geboren - im Haus daneben bis zu seinem Tod 1994 lebte und arbeitete.) Die kurze Kriezotou-Straße ist eine kleine Kunstmeile geworden. <br />
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Eine feste Größe im Athener Kunstbetrieb ist die seit 1995 bestehende Kalfayan-Galerie (Odos Haritos 11), die sich auf die griechische, balkanische sowie die zeitgenössische Szene der MENASA-Region (Middle East North Africa South Asia) spezialisiert hat. Einer dieser Künstler ist der 1973 in Damaskus geborene Hair Sarkissian, dem schon mehrere Aussstellungen gewidmet waren. Kalfayan ist es ein Anliegen, die griechische Kunst voranzutreiben und die lokalen Künstler, die von den internationalen Strömungen noch immer weitgehend abgeschnitten sind, auch wenn sich dank privater Initiativen in den letzten Jahren einiges getan hat, über Griechenland hinaus bekannt zu machen. So unterhält sie gemeinsame Projekte mit anderen europäischen Galerien, z.B. Esther Schipper in Berlin, arbeitet zusammen mit Museen und Kunsteinrichtungen wie der Tate Modern in London, der Kunsthalle Wien, dem New Museum in New York, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Außerdem ist sie ständiger Gast auf so bedeutenden Kunstgroßereignissen wie den Biennalen von Venedig und Istanbul, die trotz der Biennalen-Inflation - es gibt inzwischen 105 - mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, von Tampere, Art Brussels, Art Basel Hongkong, Art Basel Miami (wo sie 2014 Hair Sarkissian zu Aufmerksamkeit verhalf), The Armory Show in New York und anderen. <br />
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Überzeugende Veranstaltungen gelingen immer wieder Eleni Koroneou (Dimofontos 7, Thissiou-Viertel). Seit 1989 macht sie die Athener mit bedeutenden internationalen Künstlern bekannt, aber ihr Galeristenherz schlägt auch für die jüngeren griechischen Maler, denen sie erfolgreich zu angemessener Anerkennung verhilft. In ihrem Programm sind einige der wichtigsten Künstler der Gegenwart vertreten, darunter Helmut Middendorf, Dieter Roth, Martin Kippenberger, Michel Majerus, Christopher Wool, John Bock, Liam Everett, Yorgos Sapountzis, die sie in regelmäßigen Solo- und Gruppenausstellungen - beispielsweise 2015 in "Family and Friends" - Revue passieren läßt. Allen begegnet man in bedeutenden Museen und Ausstellungshäusern weltweit oder sie waren Teilnehmer an der Documenta und den Biennalen in Venedig und Istanbul. Der in den achtziger Jahren zu den "Jungen Wilden" gehörende Helmut Middendorf beispielsweise hatte allein 2015 drei vielbeachtete Auftritte: im Frankfurter Städel ("Die 80er. Figurative Malerei in der BRD"), im Münchner Haus der Kunst ("Geniale Dilletanten. Subkultur der 1980er Jahre in Deutschland") und im Museo del Novecento am Domplatz in Mailand. Auch Eleni Koroneou nimmt an namhaften Kunstmessen teil, darunter der Art Brussels, Art Cologne, Arco Madrid, Art Basel und Art Basel Miami.<br />
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Noch etwas älter als Koroneou ist die nahe Galerie Bernier/Eliades (Eptachalkou 11), die 1977 gegründet wurde und seitdem die zeitgenössische Kunst pflegt. Jean Bernier und Marina Eliades zeigen vor allem die Werke griechischer Künstler, die im Ausland Karriere gemacht haben, darunter Alexis Akrithakis, dessen Anfänge in Berlin liegen, und Ioannis Kounellis, der seit Jahrzehnten in Rom lebt und ein Hauptvertreter der Arte Povera ist. Sie bringen aber auch die westliche Kunstwelt in die Hauptstadt: das Künstlerpaar Gilbert and George, Richard Long, Mario Merz sowie die Deutschen Jonathan Meese, Daniel Richter, Ulrich Rückriem und Thomas Schütte, dem sie 2015 eine Einzelschau widmeten. Bernier/Eliades arbeiten ebenfalls mit anderen europäischen Galerien zusammen und nehmen an den großen Messen teil, u.a. der Art Basel, noch immer die bedeutendste Kunstmesse weltweit. <br />
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Der Standortvorteil der beiden ärmeren Stadtviertel Kerameikos und Metaxourgio sind verwaiste Häuser und bezahlbarer Wohnraum, Anzeichen für eine Gentrifizierung sind nur wenige auszumachen. Junge Kreative aus ganz Europa und den USA strömen hierher, seitdem die Mieten vor allem in New York und London ins Astronomische geschnellt sind. Sie bereichern die griechische Kunstszene, lockern verfestigte traditionelle Grenzen, machen sie internationaler. In den versteckten Studios, Laden- und Werkstattateliers schlummern vielleicht die Talente von morgen und der Markt giert danach, sie zu entdecken. Aber noch ist kommerzieller Erfolg den wenigsten beschieden.<br />
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Abgesehen von der staatlichen Kommunalen Galerie am Avdiplatz, deren Sammlung vor allem Werke griechischer Maler des 19. Jahrhunderts umfasst, haben sich hier zwei Athener Galerien niedergelassen, Rebecca Camhi (Leonidou 9) und vor allem The Breeder (Iasonos 45), deren Eingang - hinter einer schweren Stahltür ohne jeden Hinweis, was einen dahinter erwartet - man leicht übersehen kann, zumal man keinen Kunsttempel hier vermutet, denn die stille Iasonos-Straße gleicht einem Potemkischen Dorf: Man glaubt sich in eine Idylle versetzt, spaziert an kleinen zweistöckigen Häusern mit schönen klassizistischen Fassaden und kunstvollen schmiedeeisernen Balkonen vorbei, und dann der Schock: dahinter ist nichts. Es sind Ruinen. <br />
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The Breeder, 2002 von Stathis Panagoulis und Jorgos Vamvakidis gegründet, befindet sich in einer ehemaligen Eisfabrik aus den siebziger Jahren. Den hochmodernen Innenraum gestaltete der Architekt Aris Zambikos, der dafür einen Preis bekam. Auch The Breeder verfügt über gute internationale Kontakte, vertritt westeuropäische ebenso wie griechische Künstler, darunter Vlassis Caniaris, der momentan überall hoch im Kurs steht, und die jüngere Generation, etwa Hope, der als Strassenkünstler in Athen begann, oder Angelo Plessas, der 2015 den Deste-Preis gewann. Zu The Breeder gehört auch das poppige Lokal "Breeder Feeder", das Stathis Panagoulis nicht so sehr als Restaurant, sondern mehr als Projektraum sieht. Hier isst man immer wieder anders - vegetarisch, vegan, japanisch, peruanisch - je nach Küchenchef, der, so ist das Konzept, regelmäßig wechselt. <br />
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Rebecca Camhi besteht seit 1995, 2008 hat sie ihr jetziges Domizil, das kleine neoklassizistische Gebäude in Metaxourgio (Leonidou 9) bezogen. Von Anfang ihres Bestehens an vertrat sie so prominente Künstler wie Nan Goldin, Julian Opie, Rita Ackermann, Bill Owens und andere sowie Takis, Angelo Plessas, Nikos Alexiou und die in New York und Athen lebende Deanna Maganias, die das Athener Holocaust-Denkmal (oberhalb des antiken Kerameikos-Friedhofs) schuf. Auch Camhi ist aktiv im internationalen Austausch tätig und nimmt an allen wichtigen Messen wie der Londoner Frieze, Arco, Art Basel, Art Brussels, der New Yorker The Armory Show und der jährlich stattfindenden Messe Art Athina teil, die 1994 aus einer Privatinitiative einheimischer Galeristen hervorging und einen guten Überblick über das griechische Kunstschaffen vermittelt. So gut wie alle Athener Kunsthändler sind regelmäßig dort vertreten, das Ausland bleibt - noch - eher fern. Auch die 2005 gegründete Athener Biennale wird außerhalb Griechenlands nicht so richtig wahrgenommen. Das könnte sich mit der 5. Biennale 2015 ändern, die nicht nur wie üblich einige Monate laufen wird, sondern - gedacht als Ideen- und Experimentierwerkstatt - zwei Jahre lang, bis 2017. Dann beginnt die Documenta 14, die diesmal nicht wie die vergangenen 70 Jahre nur in Kassel stattfindet, sondern als gleichberechtigten Ausstellungsort die griechische Hauptstadt gewählt hat. Dort startet sie im April, zwei Monate eher als in Kassel, wo sie Anfang Juni eröffnet wird. Die Weltkunstausstellung steht unter dem Motto "Von Athen lernen". Sie könnte Athen zu einem kräftigen Schub verhelfen. <br />
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Athen ist ein aufregender Ort für Gegenwartskunst geworden, es ist noch nicht so glatt und kommerziell wie an anderen Orten. Natürlich wird der kulturelle Vorsprung Westeuropas nicht so schnell aufzuholen sein, zumal die staatliche Unterstützung fehlt. Man muß das bedauern, denn es würde sich rechnen. Aber die Athener Kunstwelt ist nicht mehr gänzlich isoliert. Und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-81947642066537838882015-08-30T14:15:00.002-07:002015-08-30T14:15:22.992-07:00Euböa (Evia) - Schweizer Archäologen graben seit 50 Jahren Eretria ausDas 175 km lange Euböa, griechisch Evia, ist nach Kreta die zweitgrösste griechische Insel. Trotz idealer Wandermöglichkeiten in den gebirgigen Regionen im Inselinnern - der Dirfis erreicht eine Höhe von fast 1800 Metern -, tiefer Schluchten, Wasserfällen, Heilquellen, dichter Pinien- und Platanenwälder, die bis an die kilometerlangen Sandstrände reichen, hat sie noch immer erstaunlich wenig Tourismus. Die meisten Besucher sind Griechen, vor allem Athener, die an den Wochenenden kommen, denn sie ist von der Hauptstadt nur etwa 80 Kilometer entfernt. Den modernen Hauptort Chalkis oder Chalkida trennt vom Festland lediglich eine flußbreite Meerenge, der Euripos, über den man schon in der Antike, um 410 v. Chr., eine erste Brücke spannte. Sie wurde im Laufe der Zeit durch einige Neubauten ersetzt, darunter eine Konstruktion Mitte des 19. Jahrhunderts, die König Otto 1854 einweihte; die heutige Brücke stammt aus dem Jahr 1961. Man erreicht Chalkida mit Auto, Bahn oder Bus von Athen in gut einer Stunde. Von seiner breiten stets belebten Hafenpromenade, an der fast alle Tavernen und Cafes liegen, blickt man hinüber zur türkischen Festung Karababa auf der Festlandsseite, unterhalb der es auch ein kleines Strandbad gibt. Außerdem hat es eine alte Moschee, eine Synagoge, die einstige Hauptkirche der Venezianer Agia Paraskevi und ein Archäologisches Museum zu bieten. <br />
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Zum interessantesten Inselort, der Küstenstadt Eretria, heute ein beliebter und im Hochsommer recht belebter Ferienplatz, setzt die Fähre vom Festland, von Oropos, über den schmalen Golf. In ihrer Blütezeit, im 8. Jahrhundert v. Chr., spielten die beiden bald miteinander konkurrierenden Stadtstaaten Chalkis und Eretria eine überragende Rolle in der frühen griechischen Kolonisation. Sie gründeten Kolonien auf der Chalkidike, auf Korfu, in Süditalien (z.B. Pithekussai, das heutige Ischia) sowie an der adriatischen Küste und trugen wesentlich zur Verbreitung der griechischen Zivilisation bei. Ihre starke Handelsflotte war die Basis reger Wirtschaftsbeziehungen im gesamten Mittelmeerraum und führte zu Niederlassungen auf Zypern, in Syrien und auf mehreren ägäischen Inseln. <br />
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Die wechselvolle Geschichte Eretrias läßt sich bis zu seiner Eroberung durch die Römer 198 v. Chr. lückenlos verfolgen. Von diesem Schlag und der dann endgültigen Zerstörung durch die Römer 90 Jahre später konnte sich die Stadt nicht mehr erholen. Sie verlor jegliche Bedeutung, kulturell wie wirtschaftlich, wurde im 6. Jahrhundert gänzlich verlassen, verödete und fiel dem Vergessen anheim. <br />
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Das heutige Eretria (oder Nea Psara, wie es von 1849 bis 1961 hieß) wurde 1834 gegründet und nach einem Entwurf des Schinkel-Schülers Eduard Schaubert angelegt, der zusammen mit seinem Studienfreund Stamatios Kleanthes zwei Jahre zuvor den Plan für die Neugestaltung Athens erarbeitet hatte. Griechenlands erster König, Otto I. aus dem bayerischen Hause Wittelsbach, verfolgte die Idee, ruhmreiche Städte des alten Hellas wiedererstehen zu lassen, wie Athen, Piräus, Sparta und eben auch das einst machtvolle Eretria. Der leidenschaftliche Philhellene hatte erfaßt, was das Wesen der europäischen Städte und der griechischen insbesondere ausmacht und was noch die vom Europäischen Rat der Stadtplaner verfaßte Neue Charta von Athen 2003 festhält: Die Siedlungen des Altertums "entwickelten sich zu strukturierten Gessellschaften mit einer Vielzahl von Fertigkeiten, sie steigerten die Produktion und wuchsen zu mächtigen Zentren der Zivilisation heran. Im Vergleich mit städtischen Strukturen in vielen anderen Teilen der Welt zeichnen sich europäische Städte durch eine lange Entwicklungsgeschichte aus, die die spezifischen Eigenarten der politischen, sozialen und ökonomischen Strukturen der jeweiligen Staaten deutlich widerspiegeln. Es ist diese Geschichte und Vielfalt, die die europäischen Städte unterscheidet. Im Gegensatz dazu werden die Städte des 21. Jahrhunderts immer schwerer zu unterscheiden sein." Die Charta 2003 ist eine Nachfolgerin der Charta von Athen 1933, die Le Corbusier initiierte.<br />
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Doch der Wiedererweckung Eretrias war anfangs kein großer Erfolg beschieden. Schon 1844, als der Altertumsforscher Ludwig Ross mit König Otto die Stadt besuchte, war sie erneut verlassen, wegen Malariagefahr. Erst als es 1922 gelang, das versumpfte Stadtgebiet trocken zu legen, setzte wieder ein allmählicher Zuzug ein. Einige klassizistische Häuser aus der Gründungszeit lassen noch den Charme des 19. Jahrhunderts erahnen.<br />
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Erste Grabungen nahmen seit 1885 griechische Archäologen vor. Als der Aufschwung Eretrias als Ferienziel und der gleichzeitig einsetzende Bauboom die unter der modernen Stadt liegenden antiken Überreste gefährdete, lud der griechische archäologische Rat Karl Schefold, Professor für klassische Archäologie der Universität Basel und Mitbegründer des Basler Antikenmuseums, ein, sich an den Ausgrabungen zu beteiligen. Seitdem - 1964 - erforschen Schweizer Archäologen in Zusammenarbeit mit der griechischen Behörde das ausgedehnte Stadtgebiet, anfangs unter der Leitung Schefolds, heute unter der Karl Rebers, der sich mit der Arbeit "Die klassischen und hellenistischen Wohnhäuser im Westquartier von Eretria" habilitierte und an der Universität von Lausanne lehrt. Eretria ist noch lange nicht freigelegt und erforscht. Es ist heute neben einer kleineren Grabung auf dem Peloponnes das zentrale Projekt der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland. <br />
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Um einen Überblick über das ausgedehnte Stadtgebiet zu erhalten, sollte man zur fast fünf Kilometer langen und mit Schutztürmen ausgerüsteten Akropolismauer hochsteigen, die wohl um 400 v. Chr. zu datieren ist. Hinter ihrem bollwerkartigen frühklassischen Westtor öffnet sich das sogenannte Westquartier, wo man vornehme Wohnhäuser mit Atriumhöfen und Gräberstraßen freilegte. Ein 1977 hier gefundenes Kieselmosaik ist unter einem Schutzdach zu besichtigen. Weitere Mosaiken aus der römischen Zeit wurden erst in den letzten Jahren entdeckt. Das eindrucksvollste Gebäude ist das Theater, das wohl ebenfalls aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammt und in seiner Anlage dem Dionysostheater in Athen ähnelt. Gleich daneben liegen die Ruinen des Dionysostempels. Weitere Heiligtümer sind das Iseion, der Tempel der ägyptischen Göttin Isis, und der spätarchaische Tempel des Apollon Daphnephoros. Aus seinem Giebelfeld stammt der Torso der Athena von Eretria (um 500 v. Chr.), der heute im Museum steht. Von dem nur aus Schriftquellen bekannten Artemistempel konnte man im Nachbarort Amarinthos seit 2007 die Fundamente freilegen.<br />
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Im 1962 eröffneten Ortsmuseum sind die meisten der hier gemachten Funde ausgestellt: sehr viel Keramik, zumeist Grabbeigaben, Grabstelen und Weihereliefs sowie Inschriften aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert, die zu den frühesten Zeugnissen der griechischen Schrift gehören. Viele Fundstücke sind über die Museen der ganzen Welt verstreut, manche sind auch im Besitz des Athener Nationalmuseums. 2010 wurden fast 500 Funde aus Eretria, die die Blütezeiten der antiken Stadt wiederaufleben lassen, unter dem Titel "ausgegraben!" im Antikenmuseum Basel gezeigt. Dieselbe Ausstellung war zuvor im Athener Nationalmuseum zu sehen - daß sie danach ins Ausland, in die Schweiz, ging, war eine "Ehre", wie sie "bis jetzt noch keinem der insgesamt 17 archäologischen Institute in Griechenland zuteil geworden" ist (NZZ vom 23.9.2010). Der Besucher von Eretria hat die Möglichkeit, direkt vor Ort alles selbst in Augenschein zu nehmen, inklusive der neuesten Funde. <br />
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fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-34348204182661849932015-08-11T04:04:00.000-07:002015-08-11T04:04:43.636-07:00Die 56. Biennale Venedig 2015 . Maria Papadimitriou im griechischen Pavillon Die diesjährige Biennale versammelt 89 Länderpräsentationen und 136 Künstler. Okwui Enwezor, Leiter des Hauses der Kunst in München und Kurator der Gesamtschau, der schon die Documenta 2002 in Kassel verantwortete, hatte das Motto "All the world's futures" ausgegeben, das wohl nur auf den ersten Blick optimistisch schien. Man durfte auf aktuelle Kunst gespannt sein, die politische und soziale Positionen ins Zentrum ihrer Arbeit stellt: die Globalisierung und ihre Folgen für den einzelnen Menschen, die Instabilität der Welt, die Verfolgung, Kriege und Flüchtlingsströme nach sich zieht sowie Existenzkampf und Armut auslösende Krisen auch in Industriestaaten und deren Auswirkungen auf die Gesellschaften, ferner andere drängende Fragen, etwa im Natur- und Umweltschutz. <br />
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Diesem Konzept werden relativ viele Präsentationen gerecht, eine positive Sicht auf die Zukunft bleibt jedoch meistens aus, selbst in dem mit "Hope!" betitelten Pavillon der Ukraine. Sehr viel Hoffnung gibt es dort zur Zeit tatsächlich nicht, der Titel ist wohl sarkastisch gemeint oder eher der Schrei nach einer besseren, friedlicheren Welt. Manche Künstler gehen das Thema selbstironisch an wie Filip Markiewicz. Im luxemburgischen Pavillon in der Ca' del Duca stellt er unter dem Zitat von Oscar Wilde: "The world is a stage but the play is badly cast" das "Paradiso Lussemburgo" vor, ein Paradies der Steuerzahler oder wohl eher Steuervermeider, in dem auch Jean-Claude Juncker und Yannis Varoufakis ihren Auftritt haben. Aserbaidschan präsentiert sich an zwei Orten, im Palazzo Lezze sowie in der Ca' Garzoni, dem grösseren und interessanteren Ausstellungsort, in dem sich längst etablierte Künstler wie Tony Cragg, Julien Opie, Andy Warhol, Erwin Wurm und viele andere mit Umwelt- und Klimafragen auseinandersetzen. Andreas Gursky dokumentiert den weltweiten Kapitalismus in seinen Fotografien von der "Tokyo Stock Exchange", der Tokioter Börse, und im Zentrum des deutschen Pavillons nimmt sich der Film "Out on the Street" von Philip Rizk und Jasmina Metwaly ägyptischer Arbeiter an, deren Fabrik weit unter Wert an private Investoren verkauft wird; die Fabrik wird abgerissen, die Arbeiter verlieren ihre Existenz. Ob wohl viele Besucher die Zeit und die Geduld aufbringen, sich den 70minütigen Film anzuschauen? Auch in der Überfülle an Kunstwerken in den Hallen des Arsenale <br />
geht vieles unter.<br />
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Dies ist eine kurze Einstimmung auf die Biennale. Krisen sind überall, auch in Venedig gibt es derzeit kaum ein anderes Thema. Die Kunst scheint von der Not zu profitieren. <br />
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Den Niedergang anhand eines privaten Schicksals führt uns Maria Papadimitriou im griechischen Pavillon in den Giardini vor Augen. "Why look at animals? Agrimika" nennt sie ihre Installation. Agrimika ist eine Ableitung von Agrimi, der nur auf Kreta beheimateten Wildziege. Gewöhnlich wird Agrimi als Bezeichnung für Wildtiere verwendet, die zwar mit dem Menschen koexistieren können, sich aber nicht domestizieren lassen, etwa Bären und Wölfe oder auch Frettchen und Dachse. <br />
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Papadimitriou hat den Laden und die Werkstatt eines Pelzhändlers aus Volos Stück für Stück in den Pavillon verpflanzt - einschließlich alter verblichener Zeitungsartikel und Familienfotos, Kinderzeichnungen, angejahrter Notizzettel, ausgestopfter Tiere und Bärenfellen. Dimitris Ziogos, der jetzige Eigentümer, nahm 1947 eine Stelle als Verkäufer bei seinem Vorgänger an und führte das Geschäft nach dessen Tod übergangslos weiter. Das verstaubte, altmodisch-ärmliche Geschäft war lange Jahre ein florierendes Unternehmen. In dem begleitenden Video erzählt er aus seinem langen Arbeitsleben und wie er die Zeitläufte - Krieg, Bürgerkrieg, Diktatur, Unheil und Verzweiflung, aber auch die kleinen Freuden des Alltags - erlebt und überlebt hat. Er beschreibt den schleichend einsetzenden Niedergang - lange vor der jetzigen Krise -, wie in den neunziger Jahren ein Pelzgeschäft nach dem anderen schliessen musste, bis nur noch eine Färberei und sein Laden übrig blieben. Er spricht ohne Larmoyanz, altersweise, in sich ruhend. Es ist ein langes bewegendes Leben, das den Besucher in leiser Wehmut zurücklässt. <br />
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Die Installation Maria Papadimitrious nimmt keinen expliziten Bezug auf die jetzige Krise in Griechenland. Das wäre zu banal. Man darf das Werk darauf beziehen, muß es aber nicht. Jeder Besucher soll sich sein eigenes Bild machen. <br />
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Die 1957 in Athen geborene Künstlerin gehört zu den erfolgreichsten griechischen Künstlerinnen der Gegenwart. Sie lebt und arbeitet in Athen und Volos, wo sie Professorin für Kunst und Umwelt an der Universität von Thessalien ist. 2003 gewann sie den Deste-Preis für zeitgenössische griechische Kunst für ihre kontinuierliche Arbeit mit sozialen und kulturellen Belangen, die das gegenwärtige Leben analysieren, wie das TAMA-Projekt (Temporary Autonomous Museum for All), für das sie ausgezeichnet wurde. Mit diesem Projekt repräsentierte sie Griechenland 2002 auf der Biennale in Sao Paulo. Ihre Kunst wird weltweit in renommierten Museen und Galerien ausgestellt, darunter in London, Madrid, Rom, Brüssel. <br />
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Die Biennale dauert vom 9. Mai bis zum 22. November 2015. Die meisten Länderpavillons befinden sich in den Giardini, etwa ein Drittel in den Hallen des Arsenale und die übrigen Ausstellungen verteilen sich auf Häuser oder Palazzi über die Stadt. fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4244764065021014810.post-70973602186059404862014-12-15T03:47:00.000-08:002015-10-18T09:53:37.855-07:00 Neues aus der Kunstszene Athen: das EMST, Stiftungen (Neon, Deste, Theocharakis) und private Sammlungen Das vor zehn Jahren gegründete und seitdem provisorisch untergebrachte Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst (EMST) wartet seit Jahren auf seinen Umzug, der nach etlichen Verzögerungen und "definitiven" Ankündigungen jetzt wohl irgendwann im Jahr 2015 erfolgt; ein genaues Datum für die Wiedereröffnung steht noch nicht fest. Sein neues festes Domizil, das einstige Gebäude der Bierbrauerei Fix, ein riesiger grauer Betonquader zwischen der Odos Kallirois und dem Leoforos Syngrou, ist längst fertiggestellt. Seine Pforten bleiben aber vorerst geschlossen, weil der Etat des laufenden Museumsbetriebs nicht gesichert ist. Das Kulturbudget ist in der Schuldenkrise drastisch gekürzt worden. Da der griechische Staat nur mit Mühe in der Lage ist, seine antiken Kulturgüter angemessen zu unterhalten, bleibt für die moderne Kunst kaum etwas übrig; sie war und ist chronisch unterfinanziert. Ohne private Initiativen und Unterstützer ginge gar nichts. Drei Millionen Euro sagte die Stavros-Niarchos-Stiftung dem notleidenden Museum zu, und Dimitri Daskalopoulos, Unternehmer, Sponsor und selbst passionierter Kunstsammler - einer der kaufkräftigsten und kauffreudigsten weltweit -, stellte einen Ankaufsfonds bereit. Es fehlen aber immer noch annähernd zwei Millionen Euro, die wohl ebenfalls von privater Seite kommen müssen. Sollte das EMST endlich in den Zenetos-Bau umgezogen sein, hat es das Potenzial, ein großer Anziehungspunkt zu werden, quasi als Pendant zum Akropolismuseum. Athen kann nicht ewig nur von seiner antiken Vergangenheit zehren. <br />
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Abgesehen von den momentanen Nöten des EMST wird die Athener Kunstszene immer lebendiger. Sie verändert sich rapide, als wären in der Krise ungeahnte Kräfte frei geworden. So hat sich in kurzer Zeit eine äußerst kreative Szene in Form eines recht dichten Netzes kleinerer Künstlerkollektive etabliert, hat eine stattliche Anzahl privater Sammlungen ihre Türen geöffnet und haben neu gegründete Stiftungen ihre Arbeit aufgenommen und beachtliche Ausstellungen auf die Beine gestellt. <br />
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Eine davon ist die 2013 von Dimitri Daskalopoulos ins Leben gerufene Kulturstiftung Neon, deren Ziel es neben anderen ist, den Griechen die internationale Gegenwartskunst nahe zu bringen. Neon verzichtet auf ein eigenes Museum. Sie organisiert Kunst im öffentlichen Raum, an Orten, die in das alltägliche Leben eingebunden und jedem leicht zugänglich sind. Damit will sie ein möglichst grosses Publikum erreichen, vor allem Menschen, die noch nie eine Galerie betreten haben. Die erste Ausstellung (in Kooperation mit der Londoner Whitechapel Gallery) fand im Sommer 2013 im Garten der Gennadios-Bibliothek statt und erfreute sich regen Zuspruchs. 2014 brachte Neon einen außergewöhnlichen Künstler nach Athen, den Deutsch-Briten Tino Sehgal, der in Berlin lebt. Sehgals Kunst konnte man bereits im Guggenheim-Museum in New York, in der Turbinenhalle des Tate Modern in London, im Museum Ludwig in Köln, in Berlin und an anderen Orten erleben. Er war für den Turner-Preis, den wichtigsten englischen Kunstpreis, nominiert und wurde 2013 als bester Künstler auf der 55. Biennale Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Sehgals Kunst ist immateriell. Sie existiert lediglich in der Interaktion des Besuchers mit von Sehgal ausgewählten Akteuren, den "Interpreten", die den Besucher ansprechen, ihm Fragen stellen oder auf andere Weise mit ihm in Kontakt treten. Nichts bleibt über den Moment hinaus erhalten. Der Ort für diese Vorstellung war gut gewählt: die Römische Agora im Altstadtviertel Plaka, eine der wichtigsten antiken Stätten Athens, an der Zehntausende Menschen täglich vorbeigehen.<br />
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International bedeutende Künstler stellt seit drei Jahrzehnten die im Athener Kunstleben sehr präsente Deste-Stiftung des Dakis Ioannou aus. Im Jahr 2014 widmete sie u.a. dem deutschen Fotografen Jürgen Teller eine Solo-Schau unter dem Titel "Macho". Teller zählt zu den namhaften Fotografen der Gegenwart. Er lebt und arbeitet in London, verbringt viel Zeit in Griechenland und zeigt seine Arbeiten in renommierten Häusern auf der ganzen Welt. Die Stiftung kümmert sich aber auch um den griechischen künstlerischen Nachwuchs. So wird 2015 wieder der Deste-Preis vergeben, der seit 1999 alle zwei Jahre einen jungen Hellenen auszeichnet. Die Nominierten (die Shortlist) werden Ende Januar 2015 bekannt gegeben, ihre Werke sind von Ende Mai bis Ende September im Kykladenmuseum zu sehen. Deste organisiert ferner Ausstellungen im Benakimuseum in der Piräosstrasse und jeden Sommer in seiner Dependance auf der kleinen Insel Hydra, 50 Seemeilen südlich von Athen, ein Ereignis, das inzwischen ein Pflichttermin für die Kunstmarkt-Elite auf ihrer grossen Europatour geworden ist. Nach der Art Basel, der weltgrößten und bedeutendsten Kunstmesse, schauen alle wichtigen Leute auf Hydra vorbei - Sammler, Händler, Kuratoren und die Künstlerstars - und verbinden knallhartes Geschäft mit Spaß. Danach trifft man sich auf den grossen Londoner Auktionen, später auf der Frieze und den anderen internationalen Messen. Leider nicht auf der alljährlichen Art Athina. Der 1993 vom einheimischen Kunsthandel gegründeten Messe bleibt das Ausland eher fern. Vertreten sind aber alle wichtigen Athener Galerien, so daß man sich einen guten Überblick über deren Angebot verschaffen kann. <br />
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Ein anderer großer Sammler, der Reeder George Economou, zeigt seit 2012 Werke aus seiner Kollektion in seinem eigenen "Galeriehaus" in Maroussi. Das ultramoderne Gebäude liegt direkt hinter seinem Firmensitz. Economou, dessen Schwerpunkt lange auf der deutschen und österreichischen Malerei des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts lag, hat sein Interesse neuerdings ebenfalls auf die Zeitgenossen verlegt. Er setzt jedoch mehr als beispielsweise Dakis Ioannou auf Künstler, die ihren Platz in der Kunstgeschichte schon sicher haben, als auf solche, die sich erst noch einen Namen machen müssen. Seine Ausstellungen - zwei bis drei pro Jahr - gehören zum Besten, was man in Athen sehen kann. Jedes Stück aus seiner Sammlung ist ein Spitzenwerk, so auch jedes einzelne in der im September 2014 eröffneten Gruppenschau "Thorn in the Flesh" (kuratiert von Dieter Buchhart), die noch bis April 2015 offen ist. Zu sehen sind ausgewählte Arbeiten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute: von Basquiat, Beckmann, Bourgeois, McCarthy, Condo, Dine, Dubuffet, Judd, Shiraga, de Kooning, Oldenburg, Penck, Pistoletto und Rauch.<br />
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George Economou ist auch ein generöser Leihgeber. So richtete er von Mai 2013 bis Januar 2014 aus seiner Kollektion die Ausstellung "Gegenlicht. Deutsche Kunst des 20. Jahrhunderts" in der Sankt Petersburger Eremitage aus, mit Werken u.a. von Otto Dix, von dem Economou die größte Sammlung weltweit besitzt, Ernst Ludwig Kirchner, Georg Baselitz, Neo Rauch und Anselm Kiefer, von dem er fünf Gemälde hat (darunter "Tempelhof", das er 2012 von der Londoner White Cube Gallery erwarb). <br />
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Viel Aufmerksamkeit erfährt auch die Theocharakis Foundation, ein Kulturzentrum am Vasilissis-Sofias-Boulevard gegenüber dem Nationalgarten, wo Lesungen, Konzerte, Workshops und Ausstellungen bekannter griechischer und internationaler Künstler stattfinden und dessen Cafe-Restaurant "Merlin" ein beliebter Treffpunkt ist. Ein grosser Erfolg war 2014 die Schau "Hellenische Renaissance" über den dänischen Architekten Theophil Hansen, der (zusammen mit seinem Bruder Christian, Hofarchitekt des griechischen Königs Otto I.) das Stadtbild Athens im 19. Jahrhundert maßgeblich mitbestimmt hat. Er entwarf einige der bekanntesten Bauten im Zentrum, darunter die "Athener Trilogie", das Zappion, die Sternwarte und das Hotel Grande Bretagne (damals das Palais Dimitriou) am Sintagmaplatz. Nach seinen Athener Jahren war Hansen in Wien tätig, wo er mehrere Ring-Palais baute, ferner das Parlament, die Griechenkirche und das Gebäude des Musikvereins, noch immer einer der akustisch besten und schönsten Musiksäle der Welt, in dem die Wiener Philharmoniker alljährlich ihr berühmtes Neujahrskonzert spielen. Die Theocharakis-Aktivitäten werden zusätzlich von der Niarchos-Stiftung unterstützt, die gerade das Projekt eines eigenen Kulturzentrums verfolgt. Der Entwurf für den riesigen Komplex an der Faliro-Bucht fünf Kilometer südlich stammt von dem italienischen Architekten Renzo Piano, der u.a. das Centre Pompidou in Paris und den Wolkenkratzer The Shard in London baute. <br />
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Eine bekannte Gestalt in der Athener Kunstszene ist der Sammler Vlassis Frissiras. Das private "Frissiras-Museum", in zwei schönen neoklassischen Gebäuden in der Plaka untergebracht, besteht bereits seit Dezember 2000. Es besitzt eine ansehnliche Sammlung europäischer und amerikanischer Maler, insgesamt ca. 3500 Gemälde und Zeichnungen, ist aber stärker auf griechische Künstler konzentriert, die in Europas Museen kaum präsent sind. <br />
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Mitten in der Krise ist auch die "Freie Szene" in Bewegung geraten. Zwar ist die finanzielle Situation angespannt, besonders für die jungen und jüngsten meist kaum bekannten Künstler, aber Not macht erfinderisch, und so haben sich einige zu autonomen Gruppen zusammengeschlossen und teilen sich bezahlbare Ateliers und Projekträume, in denen sie sich ausprobieren, experimentieren und erstmals ihre Arbeiten zeigen, immer in der Hoffnung, von zahlungskräftigen Sammlern oder Sponsoren entdeckt zu werden. Möglich, daß irgendwann einmal professionelle Galerien daraus hervorgehen. Noch allerdings haben die wenigsten kommerziellen Erfolg, der Markt ist einfach zu klein, der Kreis der Käufer stark begrenzt. Viele der Ateliers befinden sich in den benachbarten Problemvierteln Metaxourgio und Keramikos, die einer schnellen Gentrifizierung erfolgreich getrotzt haben. Die günstigen Mieten für Arbeitsräume und Wohnungen und die Aufbruchsstimmung haben bereits unternehmungslustige, dynamische Talente aus der Londoner und Berliner Kreativszene angelockt. Manche vergleichen dieses Quartier schon mit dem New Yorker SoHo der achtziger Jahre. <br />
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In Metaxourgio haben sich auch einige renommierte Galerien niedergelassen wie Rebecca Camhi, The Breeder und die erst 2012 von Marina Fokidis gegründete Kunsthalle Athena. Marina Fokidis pflegt Kontakte zur europäischen Kunstszene, arbeitet als Kuratorin und verfaßt Texte für ein Magazin. Für Jürgen Tellers Ausstellung bei Deste schrieb sie die ausführliche Einführung. Jetzt muß sich Fokidis nach einem neuen Standort umsehen: Ihrer Galerie in der Odos Keramikos wurde vom Eigentümer gekündigt. <br />
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Daß die Gegenwartskunst eine immer größere Rolle spielt, ist einzig den Initiativen der privaten Sammler, Stiftungen und mehreren potenten Galerien zu verdanken. Sie machen es möglich, daß die Werke international wichtiger Künstler überhaupt in Athen zu sehen sind. Da einige der weltweit einflußreichsten Sammler wie Ioannou, Daskalopoulos, Economou u.a. ausschließlich erstrangige Werke hochgehandelter Spitzenkünstler kaufen - etwa von Jeff Koons und Gerhard Richter, die als teuerste Künstler der Welt gerade Platz eins und zwei belegen -, ist auch die Qualität der von ihnen organisierten Ausstellungen hoch. Die Kunstfreunde dürfen gespannt sein. Sie werden auch künftig mit außergewöhnlichen Präsentationen rechnen dürfen. <br />
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Wenig bekannt sind in Westeuropa die griechischen zeitgenössischen Künstler (sieht man einmal von den Auslandsgriechen wie Iannis Kounellis, Takis, Alekos Fassianos, Ioannis Psychopaidis, Alexis Akrithakis ab). Ob die Bemühungen von Einrichtungen wie Deste, Frissiras oder manchen Galerien ihnen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, bleibt abzuwarten. Noch ist ihre Sichtbarkeit außerhalb des Landes gering. Auch die Tatsache, daß Athener Galerien wie The Breeder, Bernier Eliades, Kalfayan und Koroneou international gut vernetzt sind und an den wichtigen europäischen und amerikanischen Messen teilnehmen, hat daran wenig geändert. Momentan spielt die griechische Kunst nur eine marginale Rolle. Die jungen Hellenen schauen zwar auf die westlichen Metropolen, der Westen aber nicht nach Athen. Vielleicht ändert sich das 2017, wenn die Documenta auch in Athen stattfindet. Sie könnte einen Durchbruch bewirken.<br />
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Auch die Griechen selbst tun sich noch immer schwer mit aktueller progressiver Kunst. Das Interesse ist vergleichsweise gering. Abgesehen von den Vernissagen, die als gesellschaftliches Ereignis gelten, sind die Galerien und Ausstellungsräume schlecht besucht.<br />
"Ein Teil ihres täglichen Lebens", wie es Dimitris Daskalopoulos hofft, ist den Griechen die Gegenwartskunst bisher nicht geworden.fraukeburianhttp://www.blogger.com/profile/02663698944400302664noreply@blogger.com0