Donnerstag, 10. Januar 2013



Holocaustdenkmaeler in Athen und Saloniki

Am 13. Mai 2010 war es endlich soweit. Nach jahrelangen Benuehungen und Verhandlungen der juedischen Gemeinde mit den Behoerden wurde nun auch in Athen ein Denkmal fuer die griechischen Opfer des Holocaust eingeweiht. Es befindet sich im Stadtviertel Psirri, an der Kreuzung Melidoni/Ermou, in einer kleinen Gruenanlage direkt oberhalb des antiken Friedhofs Kerameikos.

Das schlichte Denkmal aus weissem Marmor ist in der Form eines zerbrochenen Davidsterns gestaltet, dessen sechs dreieckige Teile wie ein Kompass in alle Himmmelsrichtungen weisen, dahin, wo die griechischen Staedte und Inseln liegen, deren juedische Bevoelkerung im Zweiten Weltkrieg ermordet wurde. In jeden Stein sind die Namen der Orte graviert, deren juedische Einwohner von Maerz 1943 bis August 1944 in die deutschen Konzentrationslager, die meisten nach Auschwitz, deportiert und vernichtet wurden; fast 59 000 griechische Juden - Maenner, Frauen und Kinder - wurden damals in den sicheren Tod geschickt. Der sechseckige zentrale Block steht fuer Erneuerung und Ueberleben. Die Skulptur schuf die amerikanisch-griechische Installationskuenstlerin und Bildhauerin DeAnna Maganias (geb. 1967), die in Athen und New York lebt und arbeitet.

Der Standort des Denkmals koennte in seiner Symbolkraft nicht besser gewaehlt sein: Zum einen mit Blick auf die antike Begraebnisstaette Kerameikos, zum anderen zur nur wenige Schritte entfernten Beth-Shalom-Synagoge in der Melidonistrasse. Da die Verhaftungen der Athener Juden weit hinter den Erwartungen der deutschen Besatzungsbehoerden zurueckblieben, griffen sie zu einem Trick: Am 24. Maerz 1944 kuendigten sie an, in der Synagoge werde Mehl fuer das nahende Pessachfest verteilt. Viele Gemeindemitglieder liefen in die Falle. Sie wurden festgenommen und anschliessend im Durchgangslager Chaidari unter menschenunwuerdigen Bedingungen kaserniert.

In Saloniki erinnert seit 1997, als es Kulturhauptstadt Europas wurde, ein zentrales Mahnmal an die Opfer des Holocaust. Die Bronzeplastik steht an der Platia Eleftherias, dem Freiheitsplatz, wo am 9. Juli 1942 9000 Juden zusammengetrieben und zur Zwangsarbeit im Strassenbau verpflichtet wurden - der erste Vorbote dessen, was folgen sollte. Geschaffen hat das Denkmal der juedische Bildhauer Nandor Glid (1924-1997), der den Holocaust ueberlebte. Es hat die Gestalt eines siebenarmigen Leuchters, einer Menora, deren brennende Arme in Form von Menschen in lodernde Flammen uebergehen. Nandor Glid entwarf 1968 auch das beruehmte "Internationale Mahnmal" fuer die Gedenkstaette Dachau, dessen ineinanderverschlungene Koerper von weitem wie ein monumentaler Stacheldrahtzaun aussehen.

Die Platia Eleftherias ist heute Parkplatz. Das Mahnmal steht an nicht sehr prominenter Stelle an der Seite zur Uferpromenade.

In Saloniki, dem "griechischen Jerusalem", stellten die Juden fuenf Jahrhunderte lang die Mehrheit der Bevoelkerung. Die meisten waren Sepharden, Nachfahren der Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien und Portugal vor der Inquisition geflohenen Juden. Sie sprachen einen altspanischen Dialekt, das sogenannte Ladino oder Spaniolisch. Noch um 1900 war Saloniki eine total juedisch gepraegte Stadt mit einer bluehenden, hochentwickelten Kultur. Erst 1922/23, nach der Ansiedlung Zehntausender griechischer Fluechtlinge aus Kleinasien, wurden sie zur Minderheit. 1941 zaehlte die juedische Gemeinde noch rund 50 000 Personen (ca. 25 Prozent der Einwohner), fast alle (96 Prozent) wurden in die Todeslager verschleppt.

Im April 1941 marschierten deutsche Truppen von Jugoslawien und Bulgarien aus (Balkanfeldzug) in Griechenland ein. Das Land wurde in drei Besatzungszonen aufgeteilt: in die deutsche (Nordgriechenland mit Saloniki), die italienische (Athen und Suedgriechenland sowie der Dodekanes) und die bulgarische (Thrakien). Als erste wurden Anfang Maerz 1943 4100 Juden aus Thrakien von den Nazi-Schergen nach Treblinka geschafft und sofort liquidiert. Am 20. Maerz 1943 setzten in der makedonischen Hauptstadt die Massendeportationen ein, organisiert von den beiden beruechtigten SS-Hauptsturmfuehrern Alois Brunner und Dieter Wisliceny. Binnen nur weniger Monate, bis Mitte August, deportierten sie 48 674 Juden aus Saloniki in 19 Eisenbahntransporten nach Bergen-Belsen (ein Zug, am 2. August) und Auschwitz-Birkenau. Die meisten Menschen wurden sogleich nach ihrer Ankunft vergast; nur 1950 Angehoerige der groessten juedischen Gemeinde Griechenlands ueberlebten und kehrten zurueck. Am alten Bahnhof Salonikis, von dem aus die Zuege in die Todeslager abfuhren, gedenkt eine Tafel der Opfer (auf Griechisch und Englisch).

Nach dem Sturz Mussolinis und der Kapitulation Italiens im Herbst 1943 rueckten die Deutschen in das italienische Besatzungsgebiet vor und begannen mit der Deportation der dortigen Juden, die sich bis dahin unter den Italienern relativ sicher gefuehlt hatten. Die suedgriechischen Juden konnten gluecklicherweise nicht mehr vollstaendig "registriert" werden - die Voraussetzung fuer den Abtransport. Viele von ihnen ueberlebten. Die 1673 Mitglieder zaehlende juedische Gemeinde von Kos und Rhodos dagegen wurde fast vollstaendig "erfasst" und noch Ende Juli 1944 trotz schon grosser Transportschwierigkeiten nach Auschwitz verschleppt. Es war der letzte Transport aus Griechenland. Er traf am 16. August 1944 in Auschwitz ein. Nur 200 Rhodier ueberlebten das Vernichtungslager.

87 Prozent der juedischen Bevoelkerung wurden in den deutschen Konzentrationslagern ermordet, das ist, gemessen an der Gesamtbevoelkerung, eine der hoechsten Raten in Europa. Von den etwa 71 000 Juden, die 1940 in Griechenland lebten, haben knapp 12 000 ueberlebt. Viele von ihnen wanderten nach dem Zweiten Weltkrieg aus, die meisten nach Israel und in die USA. Heute leben nur noch rund 6000 Juden in Griechenland, davon annaehernd 3000 in Athen und 1300 in Saloniki.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Der Steuerfahnder

Der Steuerfahnder

Die Goldstrasse im Hauptort Firá auf Santorin ist einer der groessten Goldmaerkte des Landes. Unzaehlige Laeden saeumen die Straße, die eigentlich Ypapantis heisst, und auch in den Nebengassen haben sich vor allem Juweliere niedergelassen. Es gibt wohl kein Gaesschen hier ohne Schmuckladen. Grosse Namen sind darunter, wie die Athener Nobeljuweliere Nick the Greek und Ilias Lalaounis, "der" Schmuckdesigner schlechthin, der sich in Athen sogar ein eigenes Museum leistet, in dem er seine Preziosen ausstellt.

Das Angebot ist vornehmlich auf die Touristen der Kreuzfahrtschiffe zugeschnitten, die im Hochsommer taeglich eines nach dem anderen in der Caldera anlegen, und auch noch in der Nachsaison ist die spektakulaere Insel Hoehepunkt einer jeden Kreuzfahrt in der Ost-Aegaeis. Dann erstuermen Horden kaufwilliger Touristinnen die Laeden und schwelgen im Luxus pfundschwerer Colliers, Perlenketten, Ringen mit riesigen bunten Steinen, breiten Armreifen, kurz, in allem, was die verfuehrerischen Auslagen hergeben. Das Angebot ist unermaesslich und die Verkaeufer duerften, das sieht man an ihren Mienen, mit der Tageskasse mehr als zufrieden sein.

Natuerlich kann auch ich dem Gold nicht widerstehen. Juwelierlaeden ziehen mich magisch an und selbstverstaendlich verbringe ich auf Santorin immer sehr viel Zeit damit, teuerste Kreationen zu probieren und schliesslich nicht ganz so Hochpreisiges,d.h. in meinem Fall eher Preiswertes, zu erstehen. Man kennt mich und meine Finanzen hier schon. Dieses Jahr im Oktober kaufte ich bei Zoe einen Ring, Silber mit Gold, den ich auf 280 Euro herunterhandelte, und bei Lalaounis, der anscheinend eine preiswerte Nebenlinie aufgelegt hat - vielleicht fuer die gewoehnlichen Touristen, die mit Faehre oder Charterflugzeug kommen oder ueberhaupt als Reaktion auf die Wirtschaftskrise -ein Armband aus Bergkristall mit echtem Goldverschluss fuer 250 Euro. Handeln kann man bei Lalaounis nicht, aber der Preis war fair. In beiden Geschaeften bekam ich eine Rechnung mit genauer Beschreibung des gekauften Stuecks: Goldgehalt und -gewicht, Silbergewicht sowie Name und Qualitaet der Steine. Alles sehr korrekt.

Um so mehr erstaunte mich die Bemerkung der Verkaeuferin, ich solle nicht erschrecken, wenn mich eventuell draussen, auf der Strasse, ein Mann anspraeche und mich auffordere, ihm die Rechnung meines Einkaufs vorzuzeigen. Das sei ein von der Regierung eingesetzter Finanzfahnder, der kontrolliere, ob die Kunden auch eine ordnungsgemaesse Quittung bekaemen. Ich solle das bitte keinesfalls persoenlich nehmen.

Ich glaubte, mich verhoert zu haben. Geschaefte, die hochwertige Waren verkaufen, die zu einem Teil mehrere tausend Euro kosten, wird doch kein Kunde ohne Rechnung und ohne Expertise verlassen. Es ist idiotisch, absurd und eine Verschwendung von Ressourcen, Kontrolleure vor alteingesessene, serioese Juwelierlaeden zu stellen. Das ist wieder einmal ein Beispiel dafuer, wie falsch die ergriffenen Massnahmen eingesetzt werden. Statt dort zu pruefen, wo mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jeder Kaeufer eine Rechnung bekommt, sollten sich die (ohnehin viel zu wenigen) Fahnder auf jene Berufsgruppen konzentrieren, wo sie auch fündig werden. Das sind in Tourismusgebieten Hoteliers, Restaurant- und Barbetreiber, ferner freie Berufe wie Rechtsanwaelte und Aerzte, die tatsaechlich die Moeglichkeit haben, "ueber den Tresen" bar auf die Hand zu kassieren. Und die diese Moeglichkeit auch weidlich nutzen, wie ich auf meiner fuenfwoechigen Reise von Mitte September bis Ende Oktober selbst erfahren habe. Und ich bin kein Einzelfall. Gleiches hoerte ich von anderen Reisenden. Wenn man bedenkt, daß die Schwarzarbeit im vierten Quartal 2012 drastisch gestiegen ist - gut ein Drittel der Beschäftigten arbeitet inzwischen am Fiskus vorbei - duerften besonders Gastronomie und Tourismus lohnende Ziele sein. 

So, wie die Fahndung nach Steuersuendern jetzt betrieben wird, naemlich am falschen Objekt, duerfte sie jedenfalls erfolglos bleiben. Der Gedanke liegt nahe, daß Griechenland zwar das Steueraufkommen erhöhen will - die hinterzogenen Steuern werden pro Jahr auf die unglaubliche Summe von rund 40 Milliarden Euro geschätzt - ohne aber die alltägliche Steuerhinterziehung tatsächlich anzupacken und entschlossen zu bekämpfen. Das sollte man aber von den griechischen Stuerbehörden wohl erwarten dürfen. Würde nur die Hälfte der Steuern bezahlt, gäbe es kein Haushaltsdefizit.

Da ich unbehelligt von Kontrolle blieb - weit und breit war kein Fahnder zu sehen - ging ich hinüber ins "Enigma" direkt am Kraterrand und genoß bei einem Glas sehr kühlen Kallisti-Weins den Ein-Millionen-Dollar-Blick auf die Caldera.