Mittwoch, 2. Januar 2013

Der Steuerfahnder

Der Steuerfahnder

Die Goldstrasse im Hauptort Firá auf Santorin ist einer der groessten Goldmaerkte des Landes. Unzaehlige Laeden saeumen die Straße, die eigentlich Ypapantis heisst, und auch in den Nebengassen haben sich vor allem Juweliere niedergelassen. Es gibt wohl kein Gaesschen hier ohne Schmuckladen. Grosse Namen sind darunter, wie die Athener Nobeljuweliere Nick the Greek und Ilias Lalaounis, "der" Schmuckdesigner schlechthin, der sich in Athen sogar ein eigenes Museum leistet, in dem er seine Preziosen ausstellt.

Das Angebot ist vornehmlich auf die Touristen der Kreuzfahrtschiffe zugeschnitten, die im Hochsommer taeglich eines nach dem anderen in der Caldera anlegen, und auch noch in der Nachsaison ist die spektakulaere Insel Hoehepunkt einer jeden Kreuzfahrt in der Ost-Aegaeis. Dann erstuermen Horden kaufwilliger Touristinnen die Laeden und schwelgen im Luxus pfundschwerer Colliers, Perlenketten, Ringen mit riesigen bunten Steinen, breiten Armreifen, kurz, in allem, was die verfuehrerischen Auslagen hergeben. Das Angebot ist unermaesslich und die Verkaeufer duerften, das sieht man an ihren Mienen, mit der Tageskasse mehr als zufrieden sein.

Natuerlich kann auch ich dem Gold nicht widerstehen. Juwelierlaeden ziehen mich magisch an und selbstverstaendlich verbringe ich auf Santorin immer sehr viel Zeit damit, teuerste Kreationen zu probieren und schliesslich nicht ganz so Hochpreisiges,d.h. in meinem Fall eher Preiswertes, zu erstehen. Man kennt mich und meine Finanzen hier schon. Dieses Jahr im Oktober kaufte ich bei Zoe einen Ring, Silber mit Gold, den ich auf 280 Euro herunterhandelte, und bei Lalaounis, der anscheinend eine preiswerte Nebenlinie aufgelegt hat - vielleicht fuer die gewoehnlichen Touristen, die mit Faehre oder Charterflugzeug kommen oder ueberhaupt als Reaktion auf die Wirtschaftskrise -ein Armband aus Bergkristall mit echtem Goldverschluss fuer 250 Euro. Handeln kann man bei Lalaounis nicht, aber der Preis war fair. In beiden Geschaeften bekam ich eine Rechnung mit genauer Beschreibung des gekauften Stuecks: Goldgehalt und -gewicht, Silbergewicht sowie Name und Qualitaet der Steine. Alles sehr korrekt.

Um so mehr erstaunte mich die Bemerkung der Verkaeuferin, ich solle nicht erschrecken, wenn mich eventuell draussen, auf der Strasse, ein Mann anspraeche und mich auffordere, ihm die Rechnung meines Einkaufs vorzuzeigen. Das sei ein von der Regierung eingesetzter Finanzfahnder, der kontrolliere, ob die Kunden auch eine ordnungsgemaesse Quittung bekaemen. Ich solle das bitte keinesfalls persoenlich nehmen.

Ich glaubte, mich verhoert zu haben. Geschaefte, die hochwertige Waren verkaufen, die zu einem Teil mehrere tausend Euro kosten, wird doch kein Kunde ohne Rechnung und ohne Expertise verlassen. Es ist idiotisch, absurd und eine Verschwendung von Ressourcen, Kontrolleure vor alteingesessene, serioese Juwelierlaeden zu stellen. Das ist wieder einmal ein Beispiel dafuer, wie falsch die ergriffenen Massnahmen eingesetzt werden. Statt dort zu pruefen, wo mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jeder Kaeufer eine Rechnung bekommt, sollten sich die (ohnehin viel zu wenigen) Fahnder auf jene Berufsgruppen konzentrieren, wo sie auch fündig werden. Das sind in Tourismusgebieten Hoteliers, Restaurant- und Barbetreiber, ferner freie Berufe wie Rechtsanwaelte und Aerzte, die tatsaechlich die Moeglichkeit haben, "ueber den Tresen" bar auf die Hand zu kassieren. Und die diese Moeglichkeit auch weidlich nutzen, wie ich auf meiner fuenfwoechigen Reise von Mitte September bis Ende Oktober selbst erfahren habe. Und ich bin kein Einzelfall. Gleiches hoerte ich von anderen Reisenden. Wenn man bedenkt, daß die Schwarzarbeit im vierten Quartal 2012 drastisch gestiegen ist - gut ein Drittel der Beschäftigten arbeitet inzwischen am Fiskus vorbei - duerften besonders Gastronomie und Tourismus lohnende Ziele sein. 

So, wie die Fahndung nach Steuersuendern jetzt betrieben wird, naemlich am falschen Objekt, duerfte sie jedenfalls erfolglos bleiben. Der Gedanke liegt nahe, daß Griechenland zwar das Steueraufkommen erhöhen will - die hinterzogenen Steuern werden pro Jahr auf die unglaubliche Summe von rund 40 Milliarden Euro geschätzt - ohne aber die alltägliche Steuerhinterziehung tatsächlich anzupacken und entschlossen zu bekämpfen. Das sollte man aber von den griechischen Stuerbehörden wohl erwarten dürfen. Würde nur die Hälfte der Steuern bezahlt, gäbe es kein Haushaltsdefizit.

Da ich unbehelligt von Kontrolle blieb - weit und breit war kein Fahnder zu sehen - ging ich hinüber ins "Enigma" direkt am Kraterrand und genoß bei einem Glas sehr kühlen Kallisti-Weins den Ein-Millionen-Dollar-Blick auf die Caldera.

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