Donnerstag, 25. April 2013

Fava - eine Spezialität aus Santorin

Fava - eine Spezialität aus Santorin - und was wir den Griechen sonst noch unbedingt abkaufen sollten


Fava sind eine Köstlichkeit. Wer Santorin besucht, sollte nicht versäumen, dieses Gericht, das die meisten guten Restaurants anbieten, zu bestellen. Man findet es auch auf anderen südlichen Kykladeninseln wie Paros, Naxos und vor allem Milos, aber dort muss man oft lange nach einem Lokal suchen, das diese Hülsenfrucht auf seiner Speisekarte führt bzw. sie nach dem Originalrezept und mit den echten Santorini-Bohnen zubereitet. Serviert mit lokalen "Accessoires" wie kleingehackten roten Zwiebeln, frischem Dill oder Kapernblätter und einem Schuss kräftigen, nativen und vor allem ungepanschten Olivenöl kann Fava zu einer Leibspeise werden.

Fava sind kleine gelbliche platte Bohnen von etwa zwei Milimeter Durchmesser, deren besonderer Geschmack und typische qualitative Merkmale auf die spezielle Santorini-Erde zurückgeführt werden. Ihre Einzigartigkeit ist den Umwelt- und Anbaubedingungen, die es nur hier gibt, zu verdanken, sowie einem speziellen Trocknungsverfahren.

Aufgrund der aussergewöhnlichen Bodenbeschaffenheit - vulkanische Erde - , den Klimabedingungen und der Pflanzenart haben die Fava Santorins einen sehr hohen Anteil an Kohlehydraten (63 Prozent) und Proteinen (20 Prozent). Für Vegetarier und Veganer sind sie die ideale Kost.

Das Anbaugebiet der echten Santorini-Bohnen ist eng begrenzt: auf Santorini und Thirasia sowie die winzigen unbewohnten Nebeninseln Aspronisi, Christiana und Askania. Archäologische Funde (Samen) aus Akrotiri belegen, dass Fava hier bereits seit 3600 Jahren kontinuierlich angepflanzt wird.

Fava gibt es auf Santorini in jedem Supermarkt. Da die echten Bohnen rar sind, haben sie einen stolzen Preis: 500 Gramm kosten sieben bis acht Euro. In Athen bekommt man die Original-Fava in den gehobenen Supermärkten. Wer nicht soviel Geld ausgeben möchte, kann Fava-Bohnen aus anderen Anbaugebieten für knapp ein Drittel dieses Preises kaufen. In Deutschland findet man Fava in Läden, die sich auf mittelmeerische Produkte spezialisiert haben.

Was können wir den Griechen sonst noch abkaufen, um ihnen ökonomisch ein wenig unter die Arme zu greifen? Worin sind sie Spitze?  Spitze ist griechischer Spargel, der vor allem im Norden angebaut wird. Er ist im Geschmack kräftiger als der deutsche, ist einige Wochen eher auf dem Markt und sehr viel billiger. Ähnliches gilt für die griechischen Kirschen, die gewöhnlich etwas kleiner als die deutschen sind, aber unübertroffen süss und voll im Geschmack. Keine Spur von Wässrigkeit. Auch mit anderen Agrarprodukten wie Pfirsichen, Aprikosen und Melonen könnten die Griechen erheblich mehr punkten, wenn sie endlich die italienischen Grosshändler ausschalten und sich ihre eigenen Vertriebswege schaffen würden.

Exportschlager sind Oliven, besonders die schwarzen aus Kalamata, und natürlich ihr berühmtes Olivenöl. Mit rund 430 000 Tonnen pro Jahr ist Hellas drittgrösster Produzent global. Feinschmecker und Sterneköche schwören auf das unnachahmlich aromatisch-bitterfruchtige "grüne Gold" aus Kalamata und einiger Anbaugebiete auf Kreta. Griechenland hat das beste Öl der Welt und verschleudert den grössten Teil an die Italiener, die es mit älterem italienischen, zum Teil auch marokkanischem Öl panschen und diesen Verschnitt unter italienischen Markennamen zu einem hohen Preis exportieren - auch in die griechischen Supermärkte. Weil die hellenischen Erzeuger keine modernen Abfüllanlagen haben, die Oliven nur in Einzelfällen an Ort und Stelle weiterverarbeitet werden und nicht in wirtschaftlich rentablen Mengen, gelangen nur knapp zehn Prozent direkt in den Handel. Ausserdem mangelt es an Marketingstrategien, die die meist familiär geführten Betriebe gar nicht leisten können, und wohl auch an Unternehmergeist. Damit verschenken die Griechen die Chance, ein Qualitätsprodukt ersten Ranges selbst auf den Markt zu bringen. Das grosse Geld verdienen die Italiener.

Ähnliches trifft auch auf andere Produkte zu. Manche griechischen Erzeugnisse kennt der deutsche Käufer gar nicht, weil sie hier kaum angeboten werden, wie Nüsse (besonders Pistazien), Honig, Käse - noch immer verbindet er mit Hellas nur Feta, Joghurt und Satziki - , darunter ganz hervorragende Hartkäsespezialitäten und anderes mehr. Da der Anteil des Agrarsektors am Export immerhin gut 20 Prozent beträgt, muss dieser Bereich erheblich ausgeweitet werden. Die Vermarktung muss professionalisiert und die industrielle Verarbeitung erhöht werden. Es ist nun mal das Hauptproblem Griechenlands, dass im Land selbst zu wenig produziert wird. Die klein- und mittelständisch geprägten landwirtschaftlichen Betriebe müssen Kooperationen gründen, um die Kosten zu senken und in Europa konkurrenzfähiger zu werden. Bei einem entsprechend grösseren Angebot wären die griechischen Erzeugnisse bekannter und somit auch viel stärker gefragt. Um zum Beispiel in das Sortiment von Supermarktketten aufgenommen zu werden, müssen die Produkte kontinuierlich und in grossen Mengen lieferbar sein. Um dieses Ziel zu erreichen, d.h. die Ausfuhren zu steigern, sind noch erhebliche Anstrengungen nötig. Die Agrarwirtschaft könnte längst konkurrenzfähig sein, hätten die Griechen die seit den neunziger Jahren aus Brüssel ins Land fliessenden Strukturhilfen in die Modernisierung der Landwirtschaft gesteckt und sie nicht auf unverantwortliche Weise für den Kauf teurer Autos oder Ferienhäuser verpulvert. Das ist Vergangenheit, aber dieses kurzsichtige Denken, von den damaligen nur auf Machterhalt bedachten Parteien noch gefördert oder zumindest nicht verhindert, hat sie langfristig um den Gewinn gebracht.

Es gibt jedoch auch Erfolgsgeschichten: Die Naturkosmetikfirma Korres, 1996 von Georgios Korres gegründet und inzwischen die grösste Griechenlands, arbeitet ausschliesslich mit natürlichen Inhaltsstoffen. Die Produkte des börsennotierten Unternehmens gibt es in 30 Ländern, auch in Deutschland, in Apotheken und guten Einzelhandelsgeschäften. Ein anderes, ebenfalls börsennotiertes und international tätiges Unternehmen ist Creta Farm. Es hat ein Verfahren entwickelt, das einen Teil der tierischen Fette aus dem Fleisch entfernt und durch gesundes Olivenöl ersetzt. Beide Firmen sind in der Krise sogar gewachsen.

Eine Erfolgsgeschichte könnte auch der Handel mit Wein werden: Die Anbaubedingungen sind optimal: kalkhaltige Böden, ganzjährige Sonneneinstrahlung, kaum Reblausbefall, so dass keine massiven Chemie-Einsätze notwendig werden, und eine grosse Anzahl einheimischer Rebsorten - ca. 300 -, die bestimmte Mikroklimata brauchen und anderswo nicht angesiedelt werden können. Griechische Weine gibt es in fünf Qualitätsstufen, die von hoher Qualität aus kontrollierten Anbaugebieten - zur Zeit sind das 25 - bis zur letzten Kategorie Tafelwein reichen.  Aber auch wenn dem griechischen Wein das Retsina-Image längst nicht mehr anhaftet (der Harzwein nimmt in der Kategorisierung übrigens eine Sonderstellung ein), sind noch immer viele erstklassige Erzeugnisse ausserhalb Griechenlands relativ unbekannt. Mittlerweile gibt es eine grosse Auswahl erlesener Weine, die dabei sind, sich zu ernsthaften Konkurrenten italienischer und französischer Spitzenerzeugnisse zu entwickeln. Aber auch hier hapert es am Export: Ebenso wie beim Olivenöl werden noch nicht einmal zehn Prozent der jährlichen Produktion (rund 4.000.000 Hektoliter)  in Flaschen ausgeführt. Die bekanntesten und grössten Weinhersteller sind Achaia Clauss, Tsantali und Boutari. Boutari besitzt sechs Weingüter in Griechenland und eins im französischen Languedoc.

Dennoch gibt es inzwischen einige Lichtblicke in der Krise. Seitdem die jetzt ins sechste Jahr gehende schwere Rezession jeden vierten Griechen (26 Prozent) und bei den unter 25jährigen jeden Zweiten (57 Prozent) arbeitslos gemacht hat, strömten Zehntausende aus den Städten zurück aufs Land, um die brachliegenden Felder ihrer Eltern oder Grosseltern zu bewirtschaften. Unter den Neubauern sind viele Akademiker, die Unternehmergeist mitbringen, Export-Netzwerke bilden und auf biologischen Anbau setzen. Speziell die grossen Inseln bieten wegen der geringen Umweltverschmutzung - es gibt kaum Industrien - die besten Voraussetzungen. Manche spürten Nischen auf, bauen Aloe Vera an, züchten Pilze, sammeln Weinbergschnecken oder Trüffel. Tausende von ihnen erhielten verbilligte Kredite, die beim Aufbau der neuen Existenz helfen. Um sich endlich von den veralteten agrarischen Geschäftsmodellen zu verabschieden, werden den Landwirten Schulungen in Ökologie und Betriebswirtschaft angeboten. Diese Schritte scheinen erste Erfolge zu zeitigen, zumindest für Wein und Olivenöl. Ihre Exporte nach Deutschland nahmen im Jahr 2012 um 24 Prozent (Wein) und 18 Prozent (Olivenöl) zu.

Es gibt noch sehr viel ungenutztes Potential in der griechischen Landwirtschaft. Und damit gute Zukunftsperspektiven.