Sonntag, 23. Dezember 2012

Gagosian-Galerie in Athen

Gagosian wächst und wächst und wächst. Der Super-Galerist Larry Gagosian, weltgrösster Kunsthändler, hat im Herbst 2009 in Athen, wenige Wochen nach der glanzvollen Eröffnung des neuen Akropolis-Museums, eine Zweigstelle eingerichtet und damit sein internationales Netzwerk erneut vergrössert. Seit dem Jahr 2004 hat der New Yorker Kunstmogul sein Imperium international ausgerichtet, nach Asien (Hongkong), Südamerika (Rio de Janeiro) und nach Europa expandiert. In Europa zuerst nach London - dort ist er an zwei Standorten präsent - , dann folgten Rom und Athen und kürzlich Paris. Seine erste Galerie eröffnete er 1979 in New York  und eine weitere in Beverly Hills.

Trotz der Eurokrise äusserte sich Gagosian zuversichtlich über den europäischen Markt, auch über die Galerie in Athen. In einem Interview im Wall Street Journal im Oktober 2012 sagte er: "It's almost become a badge of honor that we have a gallery in Greece. We keep the price points in Athens lower - under 1 million Dollar - and we maintain relationships with collectors there who want to sell things. It's our smallest gallery, but I'm going to keep it."

Das ist gut für Athen. Und es dürfte sich auch für Gagosian lohnen. Das Projekt beflügelt hat sicherlich, dass neben einem zwar begrenzten, aber betuchten und kauffreudigen Käuferkreis in Athen drei richtig wichtige Sammler zu Hause sind: Dakis Ioannou, Dimitris Daskalopoulos und Dinos Martinos. Alle drei gehören zu den aktivsten Kunstkäufern weltweit. Dinos Martinos Neffe Andreas Martinos ist übrigens verheiratet mit der Leiterin der Athener Gagosian-Filiale, der Reedererbin Marina Livanos.

Gagosian vertritt die bedeutendsten und einflussreichsten Kuenstler, darunter Giacometti, Picasso, Warhol, Lichtenstein sowie jene, die auf dem internationalen Markt zu den ganz Grossen der zeitgenössischen Kunst zählen wie Richard Serra, Jeff Koons, Richard Prince, Damien Hirst (bis 2012), die Deutschen Martin Kippenberger, Anselm Kiefer, Georg Baselitz und Anselm Reyle, den im Sommer 2012 verstorbenen österreichischen Künstler Franz West, der 2011 bei Gagosian Athen ausstellte, und Cy Twombly, der ebenfalls 2012 verstarb. Jede der ambitionierten Ausstellungen hat Museumsqualität. Mit Twombly eröffnete Gagosian im Herbst 2009 auch die Athener Niederlassung.

Die Galerie befindet sich in der Merlin-Strasse 3 im Stadtzentrum, einen Steinwurf vom Parlament und vom Sintagmaplatz entfernt. Die von Michelle Ballard designete Galerie ist klein, nur 90 qm gross, die Ausstellungen aber sind jedesmal ein Ereignis. Die Eröffnungsausstellung am 25. September 2009 mit Twombly hatte den Titel "Leaving Paphos ringed with waves", Arbeiten, zu denen ihn ein Poem von Alcman, ein Lyriker aus Sparta, inspirierte. 2011 wurden u.a. Anselm Reyle ("Meissen Debris Akropolis") und Franz West ("Furniture"), im Frühjahr 2012 Werke aus der Damien-Hirst-Serie "The complete Spot Paintings 1986-2011" ausgestellt, von denen Gagosian 300 Exemplare in seinen nunmehr elf Zweigstellen zeitgleich vorstellte.

Athen war bis in die achtziger Jahre ein weisser Fleck in der internationalen Kunstszene, seitdem hat es enorm aufgeholt. Der Wendepunkt trat ein, als Dakis Ioannou 1983 mit der Deste-Foundation für zeitgenössische Kunst sein eigenes Ausstellungsforum gründete und Athen das Gefühl gab, ebenfalls Teil der modernen Kunstwelt zu sein und den Anschluss an die weltweite Entwicklung gefunden zu haben; es hatte sich bis dahin zu stark auf seine antike Vergangenheit konzentriert und nahezu ausschliesslich sein Kulturerbe gepflegt: Fast 90 Prozent vom Etat des Ministeriums für Kultur fliessen noch immer in die Pflege des antiken Erbes, lediglich zehn Prozent werden für Zeitgenössisches bereit gestellt. Gegenwartskunst spielt in der Politik eine Nischenrolle, um so wichtiger sind die privaten Initiativen wie die von Ioannou. Seine Sammlung zählt zu den bedeutendsten weltweit. Einen Schwerpunkt bilden die Amerikaner mit u.a. Kara Walker, Andy Warhol, Jenny Holzer und Jeff Koons, von dem er über 30 Werke besitzt;  unter den Deutschen sind u.a. Martin Kippenberger, der einst auf Syros das MoMAs und eine Station seines weltumspannenden Metronetzes einrichtete, Andreas Gursky, Rosemarie Trockel und Wolfgang Tillmanns vertreten. Im Juni 2009 eröffnete Ioannou eine Zweigstelle der Deste-Foundation auf der Insel Hydra.

Andere Einrichtungen, die auch jungen griechischen Künstlern eine Plattform bieten, zogen nach. Inzwischen hat Athen rund 100 Kunstgalerien und einige hervorragende öffentlich zugängliche Privatsammlungen; die meisten sind erst in den letzten Jahren eröffnet worden.

Apodiksi parakalo, eine Rechnung bitte

Es verging wohl kein Tag auf meiner fuenfwoechigen Reise von Athen auf die Kykladen, an dem ich nicht eine Rechnung nachfragen musste. Es begann beim Taxifahrer von meinem Athener Hotel nach Piraeus. "20 Euro" sagte er, obwohl der Tachometer nur 15 Euro anzeigte. Der Rest sei Hafen- und Kofferzuschlag. Alles rechtens. Auf meine Frage nach einer Quittung stellte er sich auf beide Ohren taub: "Ochi katalava", ich verstehe nicht. Da ich meine Faehre erreichen musste und die Schiffe in Piraeus immer auf die Minute puenktlich ablegen, hatte ich keine Zeit mehr fuer einen Disput. Also zahlte ich den verlangten Betrag - ohne Apodiksi.

Im Hotel auf meiner Lieblingsinsel Paros verstand mich zwar der Hotelier, bot mir aber Ermaessigung an, wenn ich bar in die Hand bezahlte. Immerhin 50 Euro. Ich widerstand dem grosszuegigen Angebot, was er gar nicht verstand. "Ich traue den Banken nicht" rechtfertigte er sein Verhalten. Diesen Satz hoerte ich oefter. Dasselbe Spiel wiederholte sich auf Naxos und Milos, und das nicht nur in den Hotels, sondern auch in manchen Cafes und Tavernen.

Auf Santorin erwartete mich Tassos, mein ausserordentlich freundlicher und hilfsbereiter Hotelier. "Wir lieben die Deutschen, sie sollen kommen" warb er fuer seine Insel. In seinem schwarzen Mercedes-Sechssitzer chauffierte er mich vom Hafen in sein Hotel und nach meinem achttaegigen Aufenthalt in seinem Privatauto, ebenfalls ein Mercedes, zum Flughafen. Kostenlos, alles Service. "Deutsche Autos sind die besten" schwaermte Tassos, "Besonders Mercedes und BMW." Tochter Daphni fahre ein BMW-Cabrio, persoenlich aus Bayern geholt.  

Wer wollte soviel Deutschenfreundlichkeit damit vergelten, eine Rechnung zu fordern? Ich gebe zu, ich musste mich ueberwinden. Aber ich tat es und Tassos war tief enttaeuscht von mir. Ich sah es an seinem vorwurfsvollen Blick. Aber erstens war ich neidisch auf Daphnis Cabrio und zweitens hatte ich gerechnet. Mit seinen 22 selbst in der Nachsaison - es war Oktober - voll belegten Zimmern nahm Tassos pro Monat circa 19 000 Euro ein, in der Hochsaison das Doppelte. Nicht gerechnet das Fruehstueck, die Getraenke und was sonst noch so den lieben langen Tag ueber den Tresen ging. Da duerfte noch ein erkleckliches Suemmchen hinzukommen. Und der Grossteil seiner Einnahmen blieb unversteuert. Daimler und BMW moegen davon profitieren, aber der (ungeliebte) Staat geht leer aus.

Die Selbstbedienungsmentalitaet ist noch immer in erschreckend hohem Ausmass vorhanden und wird selbst in der jetzigen ruinoesen Situation, in der sich das Land befindet, ungeniert betrieben. Tricksen und schummeln scheinen die, die es sich mangels funktionierender Kontrolle leisten koennen, naemlich die Selbststaendigen, fuer ihr gutes Recht zu halten.

Trotz allem: Die griechischen Inseln sind herrlich. Allerdings sollte jeder Hellas-Reisende "apodhiksi parakalo" in seinen Grund-Wortschatz aufnehmen.