Donnerstag, 28. Januar 2016

Die Griechische Botschaft im Berliner Tiergarten - Erröffnung am St. Nimmerleinstag?

Die Griechische Botschaft ist 1999 von Bonn nach Berlin gezogen. Bis zur Fertigstellung des neuen und der Restaurierung des alten Botschaftsgebäudes im Tiergarten residiert sie in der Jägerstraße am Gendarmenmarkt in einem Haus mit Geschichte: Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts unterhielt Rahel Varnhagen hier ihren berühmten Literarischen Salon, in dem die gehobene Gesellschaft - Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker und Aristokraten - verkehrte. Unter ihren Gästen waren die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, Jean Paul, Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel, Prinz Louis Ferdinand sowie in ihrem "zweiten" Salon Heinrich Heine und Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Letzterer machte sich nicht nur durch seine Landschaftsgärten nach englischem Vorbild einen Namen, er war auch ein grosser Reisender, dessen lebendige Land- und Leute-Beschreibungen die damalige Leserschar begeisterten. So schildert er in "Südöstlicher Bildersaal" höchst anschaulich und sehr persönlich seine Abenteuer und Eindrücke auf den beschwerlichen Reisen durch Griechenland, die Nöte und Unbilden, die er erdulden mußte wie Überfälle durch vagabundierende Banden und Wegelagerer, ganz abgesehen vom alltäglichen Schmutz und Ungeziefer. Über den Peloponnes gelangte er nach Athen, wo er mit dem jungen Wittelsbacher König Otto I. (Othon) und seinen Vater, den Bayernkönig Ludwig I., einen der engagiertesten Philhellenen seiner Zeit, ferner den Regenten des noch minderjährigen Otto und anderen Spitzen der Gesellschaft zusammentraf, die fast alle aus Deutschland und Österreich stammten. Man kann sich kein besseres Bild vom Leben im ottonischen Athen und seiner Oberschicht machen, abgerundet durch eine Prise diskreten Klatsch und Tratsch, als durch dieses Buch. Selbst heute noch sind die Bände (1969 wurden "Griechische Leiden", I, und "Griechische Leiden", II,- wie passend auch für die heutige griechische Situation! - neu aufgelegt) äusserst vergnüglich zu lesen.

Griechischer Botschafter zur Zeit der Pücklerschen Reisen war Alexandros Mavrokordatos, der in Berlin, Hauptstadt des Königreichs Preußen, und zeitgleich in München, im damaligen Königreich Bayern, akkreditiert war. Mavrokordatos war der erste griechische Ministerpräsident nach der Unabhängigkeit des Landes und hatte in dieser Funktion 1822 in Epidauros die erste griechische - liberale - Verfassung verabschiedet. Später, nach seiner Diplomatentätigkeit in London und seiner Geburtsstadt Konstantinopel, amtierte er noch weitere drei Male als Ministerpräsident.

1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, wurde Grigorios Ypsilantis erster Botschafter Griechenlands in Berlin, der schon zuvor, zur Zeit des Norddeutschen Bundes, in Berlin und gleichzeitig in Wien akkreditiert war. Alexandros und Dimitrios Ypsilantis (nach ihm ist die Stadt Ypsilanti im amerikanischen Bundesstaat Michigan benannt), die Onkel von Grigorios, waren griechische Freiheitskämpfer der ersten Stunde, Alexandros als Kopf der Philiki Etairia (Freundschaftsbund), einer 1814 in Odessa gegründeten Geheimorganisation, deren Ziel es war, Griechenland zu einem eigenen Nationalstaat, einer Republik, zu machen (was allerdings erst gut hundert Jahre später, 1924, gelang).

Der erste ausschließlich in Berlin amtierende Botschafter war Alexandros Rizos Rangavis, Professor der Archäologie in Athen, einflußreicher Schriftsteller, griechischer Außenminister (1856-59), danach Botschafter in Washington, Konstantinopel, Paris und schließlich Berlin. Rangavis, der an der Militärakademie in München studiert hatte, war auch ein bedeutender Übersetzer, der Werke von Goethe und Schiller, Dante und Shakespeare ins Griechische übertrug. Alle drei Botschafter stammten aus phanariotischen Familien, einer feudalen Elite, alle waren umfassend gebildete Persönlichkeiten, die sich auf vielen Gebieten bewiesen hatten. Ihren bemerkenswerten, fesselnden Lebensläufen nachzugehen, wäre eine spannende Aufgabe, doch dafür ist hier nicht der Ort.

Das Gebäude der Griechischen Botschaft befindet sich im sogenannten Botschaftsviertel zwischen Hiroshima- und Hildebrandstraße in unmittelbarer Nähe der türkischen und der italienischen Vertretung. Mehr als dreißig Botschaften haben hier ihren Sitz. Ursprünglich - 1912 - als klassizistische Stadtvilla für den Industriellen Sigmund Bergmann erbaut, erwarb sie 1920 der griechische Staat, um sie als Botschaft zu nutzen, bis nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Griechenland die diplomatischen Beziehungen abgebrochen wurden. Das Nachbargrundstück war eine Schenkung zweier Tabakfabrikanten an den griechischen Staat. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel das Gebäude, Obdachlose nisteten sich ein und ein Dachstuhlbrand 1988 machte es endgültig zur Ruine, lange Zeit ein trauriger Anblick in einem Viertel, wo Jahr um Jahr neue Botschaften entstanden oder alte restauriert wurden wie die benachbarte italienische und die schmucke estnische direkt neben dem griechischen Torso. Zeitweilig war aus Kostengründen daran gedacht, das historische Gebäude abzureißen. Schließlich entschied man sich dann doch, es originalgetreu zu restaurieren und daneben einen Neubau zu errichten.

Der Neubau und die Villa sind seit zwei Jahren fertig, die Gerüste verschwunden. Aber von einem Umzug aus der Jägerstraße und den sechs anderen über Berlin verstreuten Standorten der Botschaft ist nicht die Rede. Die Baukosten sollen rund 15 Millionen Euro betragen haben, die Mieten für alle Botschaftsbüros sich auf 60 000 Euro pro Monat belaufen. Diese Kosten sollten durch den Umzug eingespart werden, aber geschehen ist bislang nichts. In der Botschaft herrscht Schweigen. Auf zwei Anfragen (November 2015 und Januar 2016) teilte man mir mit, man wisse nichts Genaues, ein Eröffnungstermin stehe noch nicht fest, auch seien die Innenarbeiten noch nicht abgeschlossen. Gerüchte sagen, weil längst fällige Rechnungen nicht bezahlt sind, herrsche schon seit zwei Jahren ein totaler Baustopp. Da wird man sich wohl auf weitere Verzögerungen einstellen müssen. Hoffentlich keine unendliche Geschichte.