Samstag, 22. Juli 2017

Athen - Graffiti-Hauptstadt Europas

Es gibt sie in Athen, die sogenannte Streetart. Aber ihr Vorkommen ist verschwindend gering. Nicht jeder, der eine Spraydose bedienen kann, ist ein Künstler,ein Banksy oder Ino (von ihm gibt es einige großartige Wandgemälde in Gazi), und nicht jeder hat eine Botschaft, geschweige denn eine, die verstanden wird. Als Kunst geht heute vieles durch. Aber das ist nicht das Thema und soll hier auch nicht behandelt werden.

Das Problem ist, daß die meisten "Kunstwerke" einfach nur Schmierereien sind, die das Auge beleidigen und deprimieren. Es gibt sie in diesem Ausmaß in keiner anderen europäischen Haupt- oder Großstadt. Sie haben im Zentrum überhand genommen und betonen die Verwahrlosung der citynahen Viertel umso mehr. Kaum eine Straße, kaum ein Haus, das von den Verschandelungen verschont geblieben ist. Das Straßenbild wird immer unansehnlicher, die schmuddeligen Ecken der Stadt werden noch schmuddeliger, besonders in den alten Vierteln der Stadt, und die Verwüstung nimmt von Jahr zu Jahr zu. Ganze Stadtteile verlottern, zugleich floriert die Sprayerszene.

Wenn man durch das Athener Zentrum geht, ob Plaka, Monastiraki, Psiri, Metaxourgio oder besonders Exarchia, ist man von Graffiti behelligt. Das gibt es nirgendwo sonst in Europa. In Exarchia zum Beispiel ist ein Gebäude ohne "Malerei" die Ausnahme. In diesem ehemals gutbürgerlichen Wohnviertel stehen in den baumbestandenen Straßen noch einige schöne klassizistische Häuser mit schmiedeeisernen Balkonen und kunstvollen Eingangstüren, manche teuer restauriert. Aber fast alle sind beschmiert, die hübschen pastelligen Fassaden besudelt. Die Eigentümer sind verzweifelt, aber was sollen sie tun? Sie fühlen sich der Zerstörungswut hilflos ausgeliefert.

In Exarchia befindet sich neben dem Archäologischen Nationalmuseum das altehrwürdige Politechnion, das einstige Polytechnikum, in dem heute nur noch die Büros einiger Fakultäten, darunter Architektur und Kunst,  zu Hause sind. Das schöne klassizistische Hauptgebäude, aber auch die anderen Gebäude auf dem Campus sind sinnlos verunstaltet. An allen Fassaden liest man immer dieselben Parolen, die von beklagenswerter Ideenlosigkeit zeugen, wie "Piss off Cops", "Fuck the Police", ".... the politicians", "... the banks" und wer oder was sonst noch als Feind angesehen wird. Die verbale Ausdrucksweise ist begrenzt. Es langweilte, wenn es nicht so häßlich und zerstörerisch wäre.  

Denn die Täter besprühen alles, was ihnen vor die Dose kommt. Sie schrecken weder vor Antiken, Denkmälern - etwa den geschichtsträchtigen Statuen im Areos-Park - noch vor dem Holocaust-Denkmal am Kerameikos-Friedhof zurück, das seit seinem Bestehen schon mehrfach mit beleidigenden Krakeleien "bemalt" wurde.

Obwohl die Graffiti-Malerei offziell verboten ist, scheint sich niemand darum zu kümmern, diese Unart zu unterbinden. Entfernt werden die Schmierereien meist nicht, weil kein Geld dafür vorhanden ist, der Staat ist arm und die Kosten sind hoch. Vermutlich würde es auch nichts nützen, denn manche "Malereien" sind zentimeterdick vom mehrfachen Überpinseln, Überkleben, Übersprühen.  Heute gereinigt, morgen dieselbe Prozedur der Zerstörung.

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