Montag, 16. Oktober 2017

Bayern und Griechen. Die Esslin-Straße in Athen. Konstantin von Hößlin

Vom Leoforos Alexandras, nahe der Kreuzung mit der Kifisias, zweigt eine kleine Straße nach Norden ab, die Odos Esslin. Sie trägt den Namen Konstantins von Hößlin, dessen in Triest geborener Vater Julius von Hößlin 1839 nach Athen auswanderte. Die weit verzweigte Familie stammt von einem alten bayerischen Adelsgeschlecht ab, das in Augsburg ansässig war.

In Athen gründete Julius nach westlichem Vorbild ein Bankhaus, das bedeutendste jener Zeit und Vorläufer der National Bank of Greece, die 1841 ins Leben gerufen wurde und heute die älteste Geschäftsbank Griechenlands ist. Erfahrungen als Bankier hatte er zuvor in Triest gesammelt, wo sein Vater und sein Onkel das Handels- und Bankhaus Gebrüder Hößlin und Co. etabliert hatten. Julius von Hößlin war finanzpolitischer Berater in der Regierung Ottos I. und wurde in den Vorstand der Nationalbank berufen. Maßgeblich beteiligt am Aufbau und Erfolg der neuen Bank, die bis 1928 auch die Funktion einer Zentralbank ausübte, war der Schweizer Bankier und Philhellene Jean Gabriel Eynard, ein Freund des Grafen Ioannis Kapodistrias', des ersten Präsidenten des unabhängigen Griechenlands;  Eynard hatte ihn 1814 auf dem Wiener Kongreß kennengelernt. Nach ihm ist ebenfalls eine Straße benannt, die Odos Einardou im Norden Athens, eine Querstraße der Liossion.

Das klassizistische Nationalbankgebäude am Kotziaplatz erbaute übrigens der Deutsche Ernst Ziller, dem Athen mehr als 600 repräsentative Bauten verdankt.

Julius heiratete die aus Smyrna stammende Griechin Christina Justina Chatziapostolou und ist somit der Stammvater des griechischen Zweiges derer von Hößlin. Sie hatten drei Söhne: Aristides Emanuel Balthasar, der als Bauingenieur u.a. den Hafen von Volos plante, Ferdinand Nikolaos Balthasar, der 24-jährig im Befreiungskampf gegen die Türken 1866 auf Kreta fiel, und Konstantin Alexander Balthasar, der sich als Politiker einen Namen machte. Die drei Söhne wurden in Athen geboren; die beiden Überlebenden heirateten Griechinnen: Aristides ehelichte Maria Notaras und Konstantin Emilia Vryzakis. Alle männlichen Nachkommen der Familie tragen den Namen Balthasar als Beinamen, den Mädchennamen der Ehefrau ihres Vorfahren Gallus Hößlin, der - um 1500 geboren - eine Anna Balthasarin heiratete.

Konstantin von Hößlin studierte Jura in Leipzig, München, Zürich und Genf und anschließend Staatswissenschaften in Brüssel. Seine berufliche Laufbahn begann der promovierte Jurist 1868 als Richter in Tripolis und Pyrgos. 1897 wurde er zum Präfekten von Fthiotida und Fokida ernannt, wo er sich viele Meriten erwarb. Sein großes Verdienst war, daß es ihm in der Schlacht von Lamia gelang, die Türken daran zu hindern, in die Stadt Lamia einzufallen und die Bedingungen für einen Waffenstillstand auszuhandeln - eine Straße in Lamia erinnert an ihn.

Später - als Präsident der Verfassunggebenden Versammlung von Griechenland - war er maßgeblich an der Überarbeitung der griechischen Verfassung beteiligt, die 1910 verabschiedet wurde und bis heute gültig ist. Während seiner Zeit als Parlamentspräsident übernahm er 1916 noch die Funktion als erster Vorsitzender der Athener Rechtsanwaltskammer. Kurz darauf begann der dramatische Abstieg.  Sein politischer Widersacher Venizelos vertrieb ihn 1917 ins Exil nach Korsika. Nach seiner Rückkehr am 11. Juni 1919 verurteilte ihn ein außerordentliches Militärgericht zum Tode. Zwar wurde das Urteil später aufgehoben, doch durch die Haft geschwächt und schwer erkrankt starb er am 17. Januar 1920 in einem Athener Krankenhaus, in das ihn seine Tochter Polyxenia (die erste Frau des deutschen Dramatikers und Generalintendanten des Deutschen Nationaltheaters in Weimar, Ernst Hardt) noch hatte bringen können.

Nachkommen der Familie Hößlin leben noch heute in Griechenland. 

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