Die armlose "Venus von Milo" ist weltberühmt als eines der vielbewunderten Kunstwerke des Pariser Louvre. Die Insel Milos, von der sie stammt, ist weit weniger bekannt. Die Insulaner haben den Tourismus bislang nicht so forciert wie ihre Nachbarn Paros, Naxos, Mikonos und Santorin, die frühzeitig auf den Fremdenverkehr setzten. Dabei ist Milos ein grandioses Stückchen Natur, ein kleines Paradies mit rund sechzig Stränden, Seegrotten, Lagunenlandschaften, bizarren Felsskulpturen und kristallinen Lavaformationen.
Aber Milos ist auch gesegnet mit Bodenschätzen, denen es schon in der Antike seinen Wohlstand verdankte. Damals war es der harte Obsidian, heute sind es die "seltenen Erden" wie Bentonit, Baryt und vor allem Perlit, denn hier, auf diesem kleinen Ägäis-Eiland, liegt das größte Perlit-Vorkommen Europas; es findet vor allem in der Bauindustrie Verwendung. Abgebaut wird es von der Gesellschaft S & B (Silver & Baryte Industrial Minerals), für die jeder fünfte Milier arbeitet und recht gut verdient. Die Insel ist vergleichsweise wohlhabend. Das Einkommen der Milier liegt insgesamt über dem griechischen Durchschnitt.
S & B richtete auch das kleine Mining Museum in Adamas ein, das eine Vorstellung von den reichen Schätzen unter der Erde sowie einen Überblick über die Geologie, die lange Geschichte des Bergbaus und seine Bedeutung für die Insel gibt. Am besten besucht man es, bevor man die Insel erkundet.
Auf Milos liegen noch weitere Schätze unter der Erde. So wurden die Gräber der frühchristlichen Katakomben bei Tripiti (die "Durchlöcherte") in die weichen Tuffsteinwände gegraben, dicht aneinander gereihte Nischen an verzweigten unterirdischen Gängen, in denen die Toten begraben wurden. Sie wurden 1840 entdeckt und 1843 von dem deutschen Archäologen Ludwig Ross erforscht.
Ein weiterer ausgedehnter Komplex von in das weiche Felsgestein gehauenen Gängen, Räumen und Treppen wurde 2014 in Adamas, gegenüber vom Fährhafen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: das World War II Bomb Shelter, auch Refuge Project genannt. Damals, im Zweiten Weltkrieg spielte das kleine Milos, auf dem Seeweg nach Kreta und Afrika liegend, für die Deutschen eine bedeutende strategische Rolle als Basis für die Einnahme Kretas. Deutsche Truppen fielen am 9. Mai 1941 auf Milos ein und besetzten es nach heftiger Gegenwehr. In den Hochzeiten hielten sich hier mehr als 3000 Soldaten auf, die Stellungen und Bunker bauten und Funkanlagen betrieben. Sie blieben genau vier Jahre, erst am 9. Mai 1945 erfolgte die Kapitulation und der Inselkommandant, ein Major Knauer, ergab sich und seine 529 Männer dem griechischen Major Drakoulis Vassilarakis.
Die von den Deutschen ausgehobenen Stollen und Räume, die als Verpflegungs- und Munitionslager sowie als Schutzbunker für die Soldaten dienten, sind heute ein sehr besonderer Ort. Der ganze Komplex ist Kunstgalerie. Siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg finden hier Kunstausstellungen und Installationen statt, und in den Tunneln geht der Besucher auf Entdeckungsreise von einem zum nächsten Kunstwerk.
Nebenan ist eine nach Hippokrates benannte Thermalbadeanlage entstanden, die die natürlichen heißen Quellen gegen Krankheiten wie Rheuma, Arthritis und gynäkologische Beschwerden nutzt. Die 15 Meter lange Höhle wurde mit modernen Einrichtungen versehen.
Es gibt noch weitere Orte auf Milos, in denen die Deutschen Stellungen und Bunker gebaut haben, zum Beispiel an der Nordwestküste und in Plakes. Der dortige Bunker diente im Zweiten Weltkrieg als Lazarett. Seit März 2014 befindet sich hier ein interessantes kleines Museum, das anschaulich die Bedingungen auf Milos in Kriegszeiten darstellt.
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