Mittwoch, 18. Juni 2014

Griechische Vornamen - im Land der Kostas, Makis und Takis, der Roulas, Toulas und Voulas

Nachdem im neuen Koenigreich Griechenland unter dem Wittelsbacher Otto I. die "reinste Antike wieder auferstanden" war - erhielten "Kreise, Distrikte und Gemeinden die groesstenteils seit Jahrhunderten vergessenen Ortsnamen der Antike zurück, so dass ihre Bewohner sich nun noch mehr mit den alten Hellenen identifizieren und ihr Nationalbewusstsein auch auf diese Weise stärken konnten". Diese Hinwendung zur Antike, die bald in Antikenverehrung mündete, bedeutete auch, dass viele Griechen ihren Kindern - sehr zum Verdruss der orthodoxen Kirche - altgriechische Vornamen gaben. Eingesetzt hatte diese Entwicklung bereits Anfang des 19. Jahrhunderts mit der von Auslandsgriechen (mit dem in Paris lebenden Adamantios Korais an der Spitze) in Gang gebrachten Aufklärungsbewegung, die sich stark am Hellenentum "als Sprach- und Kulturgemeinschaft" orientierte. "Die Griechen führen etwas im Schilde", schwante schon damals Ali Pascha von Epirus, als ihm zugetragen wurde, dass immer mehr kleine Achilleas, Herakles, Perikles und Aristoteles das Land bevoelkerten. Er sollte Recht behalten. Die Namen als Kassandra; sie entwickeln sich nicht unabhängig von der Geschichte und den sozialen Erfahrungen eines Volkes. Unterstützt von einem breiten Philhellenismus, "der ersten europaweiten Protest- und Solidaritätsbewegung", kam es nach mehreren misslungenen Aufständen 1821 zum erfolgreichen Freiheitskampf gegen die fast 400jährige osmanische Fremdherrschaft. Griechenland machte sich auf den Weg zum Nationalstaat.

Die altgriechische Namengebung, in der sicherlich auch das Bewusstsein einer jahrtausendealten grossen Kultur mitschwingt, hat sich bis heute erhalten. Zwar werden in der orthodox geprägten Gesellschaft noch immer zumeist christliche und seltener antike Vornamen vergeben, beide aber tauchen in den nachfolgenden Generationen kontinuierlich auf. Das liegt an der bis heute aufrecht erhaltenen Tradition, den ersten Sohn nach dem Grossvater väterlicherseits und die erste Tochter nach der Grossmutter väterlicherseits zu benennen. Entsprechend vergibt man bei den zweiten Kindern die Namen der Grosseltern mütterlicherseits. Ab dem dritten Kind hat man freie Wahl; oft entscheidet man sich allerdings für die Vornamen der Taufpaten, die in Griechenland lebenslang auch finanzielle Verpflichtungen für ihr Patenkind übernehmen. Die jungen Griechen, es sei denn, sie sind sehr traditionsverhaftet, ordnen sich diesem Brauch nicht mehr so ohne weiteres unter, sondern wählen einen Namen, der ihnen zusagt, meistens aber einen griechischen.

Ein berühmter Grieche, der Tanker-Tycoon "Ari" Onassis, trug gleich drei antike Vornamen: Aristoteles Sokrates Homer. Seine Enkelin Athina wurde nach ihrer Grossmutter benannt.

Listen der beliebtesten Jungen- und Mädchennamen, wie sie in Deutschland jedes Jahr veroeffentlicht werden, gibt es in Griechenland nicht. Wozu auch. Modenamen sind eher selten, und wenn, dann stammen sie gewoehnlich ebenfalls aus der Antike wie in den letzten Jahren Zoi und Danai, aber kaum je aus einem westlichen Land, etwa Frankreich oder dem angloamerikanischen Sprachraum. Kevins und Justins, Chantals und Jacquelines gibt es in Hellas nicht. Die Griechen bleiben bei ihren eigenen Namen, die sich inzwischen auch bei den Deutschen, die deren Bedeutung und zeitlose Schoenheit vielleicht erkannt haben, zunehmender Beliebtheit erfreuen. Jedenfalls trifft man hier neuerdings viele kleine Penelopes, Zoes, Daphnes und andere, es scheint ein neuer Trend zu sein.

Die Griechen lieben Abkürzungen und Akronyme. Gerade auch bei den Namen wird man mit einer Flut von Abkürzungen überschüttet, die den originalen Namen gar nicht mehr erkennen lassen. Bei Mädchennamen trifft man am häufigsten auf die Kurzformen Voula, Roula, Toula, Soula, Koula, hinter denen sich Vasiliki, Xanthippi, Sotiria, Argyro, Paraskevi, Anastasia, Varvara und noch so einige andere Vornamen verbergen, oder auf Litsa, Ritsa, Nitsa, Gitsa und Kitsa, die zum Beispiel für Evangelia, Pagona, Georgia, Virginia und viele weitere Namen stehen.

Die häufigsten Kurzformen bei den Jungennamen sind Makis für Efthimios, Takis, Makis oder Mitsos für Dimitrios, Sakis für Athanasios, Akis für Alexandros. Wer würde hinter Agis Agamemnon vermuten, hinter Dakis Leonidas, hinter Soulis Odysseas und hinter Fotis Theofanis? Der wohl häufigste Vorname aber ist unangefochten Konstantinos bzw. dessen Kurzform Kostas. Ein oft erzählter alter Witz lässt daran keinen Zweifel aufkommen: Ein Grieche sieht auf einer voll besuchten Platia einen Freund und ruft "Hallo Kosta" quer über den Platz. Daraufhin dreht sich mindestens die Hälfte der anwesenden Männer um.

Es gibt noch viele andere männliche und weibliche Kurzformen, belassen wir es hier bei den gebräuchlichsten. Im Kalender der Namenstage, der in den griechischen Zeitungen regelmässig veroeffentlicht wird, tauchen die Voulas und Toulas, die Takis und Makis nicht auf. Da in Hellas die  Namenstage immer noch mehr als die Geburtstage gefeiert werden - obwohl letztere stark aufgeholt haben -, muss man also, um zu gratulieren, die Taufnamen wissen. Aber nicht nur das, die Sache ist komplizierter, denn manche Namen, zum Beispiel Alexandros, Anna, Kosmas, Zara, Zacharias, Loukia, kommen im Kirchenkalender mehrfach vor. Doch jede Person feiert nur einmal im Jahr. Man muss also das auf sie zutreffende Datum herausfinden. Aehnliches gilt für diejenigen, die vor oder nach Ostern Namenstag haben, wie Theodora, Zoi, Jorgos und andere. Ostern ist ein bewegliches Fest und somit sind auch die Daten der Namenstage niemals gleich. "Chronia polla" ("viele Jahre") wünscht man dem Feiernden.

Alle Zitate aus Nikolaos-Komnenos Hlepas, Ein romantisches Abenteuer, in Alexander von Bormann (Hrsg.), Ungleichzeitigkeiten der Europäischen Romantik, Würzburg 2006





1 Kommentar:

  1. Hoffentlich bleibt Penelope aber eher die Ausnahme. Nicht dass sich dann alle umdrehen, wenn ich auf dem Marktplatz stehend den Namen meiner Tochter rufe!

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