Jedes Mal,wenn ich ins "Cassambalis" essen gehe, fühle ich mich an Fofi's Estiatorion erinnert. Fofi war wohl die bekannteste Griechin in Berlin, ihr Restaurant eine Berliner Institution, genauer: eine Westberliner Institution, denn in jenen Jahren war die Stadt noch geteilt.
Fofi und ihr Ehemann Alexis Akrithakis kamen 1969 nach Berlin, Alexis als Stipendiat des Künstlerprogramms des DAAD (von dem auch 1973 bzw. 1977 Vlassis Caniaris und Jannis Psychopedis eingeladen wurden). Das Klima in Berlin war damals vor dem Hintergrund der politischen Situation in Hellas sehr Griechenfreundlich, speziell in den siebziger Jahren, und die vor der Athener Militärdiktatur aus ihrer Heimat geflohenen Intellektuellen, Studenten und Künstler wurden überaus herzlich aufgenommen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, gingen viele zunächst in die Gastronomie und kellnerten oder eröffneten Restaurants, die meisten mitten im Zentrum West-Berlins und das war Charlottenburg.
Auch Fofi arbeitete anfangs in mehreren Tavernen, darunter in dem berühmten "Exil" in Kreuzberg und ab 1972 in dem Szene-Lokal "AxBax" (eigentlich "AchWach", aber für die Berliner war das griechische ch ein x und das vita ein B) der beiden Österreicher Oswald Wiener und Michel Würthle ("Paris Bar"), bis sie 1976 - zusammen mit Costas Cassambalis - ihr eigenes Restaurant eröffnete. Sie gab ihm den schlichten Namen "Estiatorion", das griechische Wort für Restaurant. Aber niemand nannte es so. Man sagte "Ich geh ins Fofi's", wenn man sich im "Estiatorion" in der Fasanenstraße traf. Vom ersten Tag an ein Erfolg, versammelte sich hier regelmäßig die Künstler-, Literaten- und Intellektuellenszene Berlins; jeder kannte jeden. Heiner Müller, Thomas Brasch, Luc Bondy, Peter Stein und seine Schaubühnen-Stars, Markus Lüpertz, der Komponist Wolfgang Rihm, der Prominentenmaler Reinhold Timm, der um die Ecke, in der Meinekestraße, wohnte und mindestens ein Porträt von Fofi anfertigte, und Jannis Psychopedis waren Stammgäste, Jannis Kounellis schaute vorbei, wenn er in Berlin war und da das Estiatorion weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war, fanden auch viele internationale Prominente den Weg zu Fofi, etwa Robert Rauschenberg, Takis, Ed Kienholz oder Robert de Niro.
Zwanzig Jahre lang lief das Geschäft glänzend, bis Fofi ihre Räume 1996 an Cartier verkaufte und ein neues Restaurant in Berlin-Mitte, dem ehemaligen Ostteil der Stadt, eröffnete. Ihre Stammgäste aus dem "alten Westen" waren älter geworden und scheuten den weiten Weg, in der neuen fremden Umgebung mußte sie sich erst einen Namen machen, und schließlich hatte sich nach dem Mauerfall die Situation insgesamt verändert. Und dann gab es ja das "Cassambalis". 1997 gab sie auf und kehrte zurück in ihre Heimatstadt Athen.
Alexis Akrithakis hatte Berlin bereits 1984, nach fünfzehn Jahren Aufenthalt, verlassen; hier verbrachte er einige seiner produktivsten Jahre. Anfang der neunziger Jahre ging es mit seiner Gesundheit rapide bergab und nach wiederholten Krisen und Krankenhausaufenthalten starb er am 19. September 1994 im Alter von 55 Jahren in Athen. Akrithakis gilt als einer der bedeutendsten griechischen Künstler des 20. Jahrhunderts, er war von entscheidender Bedeutung für die zeitgenössische Kunst. (Beispielsweise weisen manche Bilder von Keith Haring Ähnlichkeiten mit Akrithakis auf, etwa mit dem "Spielmann" von 1969.) Seine Malereien sind poetische und detailreiche Bilder in leuchtenden Farben, voller Codes und Symbole in allen möglichen Formen und Variationen wie Vögel, kleine Flugzeuge und Fahrräder, Blumen, Herzen, Pfeile, die in verschiedene Richtungen zeigen, und immer wieder Koffer, vielleicht ein Wunschbild für Erinnerungen oder für ein in die Welt hinausgehen. Schöner als der Galerist Folker Skulima kann man seinen Mikrokosmos nicht in Worte fassen: "Der besessene Maler-Dichter entwickelte seine Bildsprache wie ein nur ihm gehörendes Alphabet: Verwurzelung und Universales in einer seltsam eindringlichen Mischung. Was er auf seinen Griechenlandreisen am Straßenrand aufsammelte oder an den Stränden fand, das waren 'arme' Materialien: angeschwemmte Hölzer, Plankenteile von Schiffswracks. Er schuf daraus wunderbar leuchtende Reliefs. Ein mediterraner Liebender hat das Weggeworfene, Angeschwemmte verzaubert. In diesen Reliefs brachte Akrithakis Mythos und Materie ins Gleichgewicht."
2003 widmete die Berliner Neue Nationalgalerie Akrithakis eine Ausstellung, die Folker Skulima kuratierte: "Alexis Akrithakis ist auf dem Weg zum Klassiker zu werden - er hätte es sich nicht träumen lassen". Da hat er wohl Recht. Schade, daß er das nicht mehr erlebt hat. Viele Ausstellungen folgten, u.a. 2008 und 2010 bei Kalfayan in Athen, 2011 bei Faggionato Fine Art in London, und 2013 "Fofi's Berlin - Fofi Akrithaki's Berlin: 1969-1997", Makedonian Museum of Contemporary Art (Museum Alex Mylona). Hier war auch Alexis Akrithakis berühmte Installation "Bar" zu sehen, als ein Platz, an dem Menschen sich treffen, die zuerst - 1981 - die Athener Galerie Bernier zeigte und 2010 die Galerie Kalfayan.
Noch bis zum 29. Februar 2016 ist die Ausstellung "Flying over the Abyss" im Contemporary Art Center of Saloniki und bis zum 5. März 2016 "Propositions. For a History of the Artistic Avantgarde" im State Museum of Contemporary Art, ebenfalls in Saloniki, zu sehen.
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