Montag, 1. Februar 2016

Küsten in Hellas. Demokratische Strände und Privatisierung

Mit seinen über dreitausend Inseln und Inselchen hat Griechenland eine Küstenlinie von knapp 14 000 Kilometer Länge, wovon rund 2500 Kilometer touristisch genutzt werden. Neben der Antike ist die Küste die wichtigste Ressource, das größte Pfund, mit dem der griechische Tourismus, der einzige Wirtschaftszweig mit Wachstumspotential, wuchern kann.

Alle Strände in Hellas sind öffentlich, das heißt, es gibt keine Privatstrände. Auch diejenigen der Hotels müssen für jedermann zugänglich sein. Selbst wenn die Hotels gerne mit "Privatstrand" werben, trifft das formal nicht zu. Es mag bedeuten, daß man möglicherweise einen Umweg gehen muß, um ihn zu erreichen, aber niemand darf den Zutritt verwehren. Der Zugang zu einem Strand bzw. die Anwesenheit dort ist immer frei, das heißt, kein Strand ist kostenpflichtig. Eine Kurtaxe, wie sie in Deutschland an Nord- und Ostsee üblich ist, ist in Griechenland unbekannt.

Der freie Zugang zum Meer ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht, Strände sind ausnahmslos öffentliches Eigentum. So gehört auch den Besitzern von Wassergrundstücken der vor ihren Anwesen liegende Strand nicht. Sie müssen sich wenn auch zähneknirschend damit abfinden, ihn mit fremden Menschen zu teilen. Mir erzählte kürzlich ein griechischer Freund, als er nahe Porto Cheli nach dem Schwimmen an Land gegangen sei, habe ein betreßter Wachmann ihn zwar höflich, aber unmißverständlich aufgefordert, den Strand zu verlassen, wohl der Angestellte irgendeines Monarchen oder Ex-Monarchen, der dort residiert. Ebenso höflich sei er der Weisung nicht nachgekommen, sondern habe Artikel 24 der Verfassung zitiert, auf den der Schutz des Meeres und der Küsten gründet ("der Schutz der natürlichen Umwelt ist Pflicht des Staates und ein Recht für jeden"). Daraufhin habe sich der Sicherheitsmann wortlos zurückgezogen.

Ganz privat sind auch Privatinseln in Griechenland nicht. Ihre Eigner sind von dem Gesetz nicht ausgenommen, mögen sie Niarchos heißen oder Emir von Katar. Letzterer hat sich im Jahr 2013 eine kleine Inselgruppe im Ionischen Meer, die Echinades bei Ithaka, zugelegt, zu einem Schnäppchenpreis, wie es heißt. Die Buchten dieser Kleininseln sind beliebte Ankerplätze bei Seglern. Die Besitzer können niemandem verbieten, an "ihrem" Strand an Land zu gehen - aber nicht weiter.

Doch mit diesem Privileg für alle könnte es bald vorbei sein. Dieses Recht wollte der griechische Finanzminister der Vor-Tsipras-Regierung 2014 aushebeln und ein Gesetz verabschieden, das es privaten Investoren ohne Einschränkungen ermöglicht, Küstengrundstücke zu erwerben und zu bebauen. Es soll bereits Pläne von Großinvestoren für gigantische Hotelkomplexe direkt an Stränden gegeben haben und noch geben, ebenso für den Bau von Golfplätzen - die Griechenland zweifellos dringend braucht, denn seit Jahrzehnten ist zu den bestehenden lediglich fünf Golfplätzen in ganz Hellas, die noch dazu in die Jahre gekommen sind, nur ein einziger auf dem Peloponnes hinzugekommen; aber sie müssen ja nicht unbedingt direkt am Strand liegen.

Das Gesetz zur Privatisierung der Küste ist inzwischen vom Tisch, weil sich ein breiter Widerstand gegen das Vorhaben formiert hatte, u.a. von Umweltorganisationen. Sie fürchten spanische Verhältnisse, die Verschandelung und Betonierung der Küsten. Aber ob sich die Großinvestoren so leicht abschrecken lassen? Ob es nicht Sondergenehmigungen gibt, jetzt, wo das Land privatisieren muß? Schließlich ist die wirtschaftliche und soziale Not noch lange nicht ausgestanden, das Land ist in der Krise (und wird es vermutlich noch lange sein). Dies soll nun nicht heißen, daß eine Privatisierung generell zu unterbinden ist, etwa bei Projekten, die der Staat nicht mehr stemmen kann und die sich in einem Stadium des Niedergangs befinden wie etwa der Yachthafen Vouliagmeni mit dem "Astir Palace" oder die Golfplätze von Glifada und Rhodos. Golfspieler fahren nicht nach Griechenland, sondern nach Portugal. Allein darin, diese zahlungskräftige Klientel über die Jahrzehnte vernachlässigt zu haben, offenbart sich ein großes Versäumnis und komplettes Versagen des Tourismusministeriums. Private (Groß-)Investoren sind also gefragt und notwendig, um wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen; das wird immer gern übersehen, wenn in Hellas gegen jegliche Privatisierung protestiert wird, diese Einstellung ist fatal, und hat in manchen Fällen - auch bei Vouligmeni - dazu geführt, daß durch die jahrelangen Verzögerungen der Marktwert der Objekte tatsächlich sogar sinkt, weil sie immer mehr verlottern. Aber es muß in jedem Einzelfall (und zwar schnell und ohne abschreckende bürokratische Hürden) entschieden werden, ob das Projekt sinnvoll ist. Der Schutz der Landschaft und das, was dieses Land auszeichnet und so besonders macht, muß erhalten bleiben.

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