Spetses, die üppig grüne, sanft hügelige argo-saronische Insel, hat ebenso wie das nördlichere Hydra keine antiken Überreste, aber ebenso wie diese eine große Seefahrertradition. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es eine reiche Insel, die vom Schiffbau und vom Getreidehandel mit ganz Europa und dem südlichen Rußland lebte und besonders zur Zeit der Kontinentalsperre, die die geschäftstüchtigen, gerissenen Griechen skrupellos durchbrachen, riesige Vermögen anhäufte. Nachdem die Reeder und Kapitäne - manche sollen so reich gewesen sein, daß sie ihren Schiffsballast mit Goldmünzen verstärkten - sich anfangs prächtige Villen gebaut und im Luxus gelebt hatten, zögerten sie nicht, ihren gesamten Reichtum für die Freiheit Griechenlands einzusetzen. Zusammen mit Hydra und Psara nahmen die Spetsioten als erste mit über 50 Schiffen 1821 am Unabhängigkeitskrieg teil. Die Kanonen am zentralen Hafenplatz, der Dapia, erinnern daran. Den Aufstand gegen die Türken führte eine Frau an, die legendäre Laskarina Bouboulina (1771-1825), zweimal verwitwet und siebenfache Mutter, deren "Agamemnon" das größte Schiff der griechischen Marine war. Ihr von Kanonen bewehrtes Wohnhaus, jetzt im Besitz der vierten Enkel-Generation, ist als Museum eingerichtet, ebenso das 1795 erbaute Mexis-Herrenhaus (Hatzigiannis Mexis war Reeder und erster Gouverneur der Insel), in dem man eine von dem deutschen Künstler Peter von Hess gemalte "Bouboulina an Bord der Agamemnon" bewundern kann. Der Sieg über die türkische Flotte und zugleich der Beginn des modernen Griechenlands wird alljährlich am 8. und 9. September als "Armata"-Festival aufwendig gefeiert, mit dem nachgestellten Seegefecht, Konzerten und einem opulenten Feuerwerk, das die Familie Niarchos der Insel spendiert.
Schon früh, in den fünfziger Jahren, setzte auf Spetses der Tourismus ein. Anfangs kamen vor allem wohlhabende Athener, die das stille, ländliche Leben schätzten. Erst nachdem der Reeder Stavros Niarchos 1962 das benachbarte Inselchen Spetsopoula gekauft hatte - sein ewiger Konkurrent Aristoteles Onassis legte sich im selben Jahr die ionische Insel Skorpios zu -, zogen Reiche und Prominente aus ganz Europa nach. Charles und Diana verbrachten hier ihre Flitterwochen und im August 2010 feierte Prinz Nikolaos von Griechenland, ein Sohn von Ex-König Konstantin, hier seine Hochzeit mit der Schweizerin Tatiana Blatnik. Zu dem Fest reiste die royale Verwandtschaft aus ganz Europa an. Konstantin hat eine Ferienvilla im gegenüberliegenden Porto Cheli auf dem Festland, wo auch König Willem-Alexander und Königin Maxima der Niederlande, der russische Präsident Putin und einige griechische Großreeder Sommerresidenzen besitzen. Besonders während der mehrtägigen Segelregatta im Juni ist es nicht ungewöhnlich, daß man "königlichen Hoheiten" begegnet, im Cafe nebenan oder im Grand-Hotel Possidonion, dessen Terrasse die Eigner der Luxus-Jachten bevölkern, die in der Marina ankern.
Das 1914 im Stil der Belle Epoque erbaute hochherrschaftliche "Possidonion" war eine Idee von Sotirios Anargyros, dem größten Sohn und Wohltäter der Insel. 1849 in eine einflußreiche, aber nach der Revolution verarmte Reederfamilie hineingeboren, verließ er noch als Jugendlicher die Insel in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft als das kleine Spetses sie ihm bieten konnte. Nach beruflichen Stationen in Konstantinopel, Rumänien, Ägypten, Marseille und London wagte er 1883 den Sprung nach New York, wo er es zu einem Millionenvermögen in der Tabakindustrie brachte. 1899 kam er zurück, forstete die halbe Insel mit 100 000 Aleppokiefern auf, legte die Strasse rund um Spetses an, baute das prächtige Grand-Hotel nach dem Vorbild des "Negresco" in Nizza und des "Carlton" in Cannes und gründete 1919 das Anargyrios- und Korgialenios College nach dem Vorbild englischer Internatsschulen wie Eton und Harrow. Wohl alle griechischen Prinzen, die Söhne von Ministern, Industriellen und Reedern besuchten diese Schule, die lange Zeit als die beste ganz Griechenlands galt. Sie bestand bis 1983. Seitdem dient die großzügige, aus fünf Gebäuden bestehende Anlage, die man besichtigen kann, internationalen Kongressen und als "Summer School". Sie hat einen eigenen Olivenhain, 9000 Hektar Wald, in dem sich eine Freilichtbühne versteckt, Sportanlagen, ein hübsches Cafe unter Bäumen und unterhalb des Geländes einen Strand. Hier ließ und läßt es sich sehr angenehm studieren.
Vom Massentourismus ist Spetses bisher verschont geblieben. Abgesehen von dem Luxushotel "Possidonion", das nach jahrelanger Renovierung 2009 wiedereröffnet wurde und gleich mehrere Auszeichnungen erhalten hat (London 2012: "Best Classic Boutique Hotel in the World", "Best Hotel Architecture Europe", ebenfalls London 2012 u.a.), gibt es zahlreiche Unterkünfte jeder Kategorie in kleineren individuellen Hotels oder umgebauten Kapitänshäusern. Ein beliebtes Ferienhotel ist das dem College benachbarte "Spetses", das einen kleinen Privatstrand hat.
Spetses hat den Vorteil, daß es nicht nur mit dem Schiff (mit dem Schnellboot gut zwei Stunden ab Piräus), sondern entlang der ostpeloponnesischen Küste vorbei an Epidauros und Nauplia auch auf dem Landweg erreichbar ist (rund zweieinhalb Stunden ab Athen). Dort setzt man von dem kleinen Hafen Kosta auf die Insel über (zehn Minuten). Das Auto muß allerdings auf dem Festland bleiben, der Autoverkehr ist stark reduziert. Stattdessen scheint jeder 4000 Spetsioten, die alle in dem einzigen gleichnamigen Ort wohnen, ein Moped oder einen Motorroller zu besitzen, die auf den schmalen, kurvenreichen Straßen überlaut knatternd an einem vorbeizischen und den Inselfrieden empfindlich stören.
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