Sonntag, 7. Dezember 2014

Das Lykeion des Aristoteles in Athen

Athen ist um eine wichtige archäologische Stätte reicher. Am 4. Juni 2014 wurde die Schule des Aristoteles, das berühmte Lykeion (Lyzeum), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie soviele andere Überreste aus der Antike ist es - Mitte der neunziger Jahre - bei Bauarbeiten zufällig entdeckt worden. Das 5000 qm grosse parkähnlich gestaltete Grabungsareal liegt im Zentrum der Stadt, in der Rigilisstrasse (Odos Rigilis), zwischen dem Byzantinischen Museum und dem Konservatorium.

Das "ruhmreiche Athen" war immer eine Stadt der Künste und der Wissenschaften und blieb es, auch nachdem es seine politische Bedeutung längst verloren hatte. Alle vier grossen Philosophenschulen wurden hier gegründet: 387 v. Chr. die Platonische Akademie, 335 der Aristotelische Peripatos, 306 "der Garten" (Kepos) des Epikur und 301 die Stoa des Zenon, deren Anhänger man die Stoiker nannte. Alle vier Schulen sind nach den Bauten (bzw. im Falle Epikurs dem Ort) benannt, in denen die Schüler unterrichtet wurden, die Stoa beispielsweise nach einer Säulenhalle auf der Agora. Weitere kleinere, das städtische Geistesleben bereichernde Philosophenschulen wie die kynische und die skeptische haben ebenfalls ihren Ursprung im demokratischen Athen, das offen für neue Strömungen und neues Denken war.

Aristoteles (384-322 v. Chr.) wurde in Stagira nordöstlich der Chalkidike geboren. Er kam bereits als 17jähriger nach Athen, um an der Akademie Platons zu studieren, dessen "Meisterschüler" er wurde. Nach Platons Tod 347 v. Chr. verließ er die Stadt und wurde u.a. Lehrer des jungen Alexander, der später "der Grosse" genannt wurde. 335 v. Chr. kehrte er nach Athen zurück, um hier zu forschen und zu lehren. Noch im selben Jahr eröffnete er seine eigene Schule, das Lykeion, in der er männliche junge Griechen in Philosophie, Rhetorik und der Kunst der freien Rede unterwies. Redegewandtheit war im 4. Jahrhundert eminent wichtig, um an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Um auch ärmeren Bürgern den Zugang zu ermöglichen, wurden sogar Tagegelder (Diäten) eingeführt (die 392 v. Chr. auf den Besuch von Theatervorstellungen ausgeweitet wurden). Für einen überzeugenden Auftritt in der Volksversammlung (Ekklesia), dem Herzstück der athenischen Demokratie, in der das Volk (demos) freies Rederecht hatte und über seine eigenen Angelegenheiten debattierte und abstimmte, waren rhetorische Qualitäten gar nicht hoch genug einzuschätzen. Gleiches galt für die Mitwirkung der Laienrichter an den Volksgerichten, an denen die Redezeit begrenzt war.

Man nannte Aristoteles und seine Schüler die Peripatetiker ("Spaziergänger") nach dem Peripatos, der im Schulbezirk liegenden Säulenhalle des Lykeion, in der die Gespräche und Diskussionen beim Umherwandeln geführt wurden. Neben dem Unterricht forschte Aristoteles auf so unterschiedlichen Wissensgebieten wie Staat und Verfassung, Ethik, Metaphysik, Logik, Dichtung (speziell der Tragödie) und Naturwissenschaften, hier besonders in Zoologie und Biologie. Systematisch trug er das Wissen der damaligen Welt zusammen und richtete eine umfangreiche Bibliothek ein, die das Lykeion zu einem bedeutenden Forschungszentrum machten.

Nach dem Tod Alexanders 323 v. Chr., als Athen die makedonische Vorherrschaft abschütteln konnte, musste Aristoteles Athen wegen politischer Anfeindungen verlassen. Er zog sich nach Chalkis auf Euböa zurück, wo seine Familie mütterlicherseits zu Hause war. Dort starb er im Jahr 322 v. Chr.

Schon zu Lebzeiten hatte sich Aristoteles einen Namen gemacht. Mit seinem Werk setzte er Massstäbe, die bis heute gültig sind, besonders seine Ideengebäude zu Ethik, Wissenschaftstheorie und Staatslehre. Eines seiner bekanntesten Werke, die Nikomachische Ethik, widmete er seinem Sohn Nikomachos.

Informationstafeln im Lykeion-Gelaende, ein Platz der Stille und Kontemplation inmitten der lauten Stadt, geben dem Besucher einen ausführlichen Einblick in das antike Leben. Der Ort ist ein Glücksfall für Athen. Es ist geplant, den Park mit dem angrenzenden Gelände des Byzantinischen Museums zu verbinden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen