Dienstag, 26. Juli 2016

Das Makronissos-Museum in Athen

Athen hat viele kleine Privatmuseen. Eines davon ist das Makronissos-Museum in der Agion-Asomaton-Straße 31, gegenüber dem Benaki-Museum für Islamische Kunst, dessen exquisite Ausstellung zu den führenden Sammlungen islamischer Kunst weltweit gehört. Entsprechend häufig wird es besucht, wohingegen das kleine Makronissos Exil-Museum eher ein Schattendasein führt. Wer sich indes ein Bild von der neueren Geschichte Griechenlands machen möchte, sollte sich ein wenig Zeit für einen Besuch nehmen.

Vor knapp hundert Jahren begannen die jeweiligen griechischen Diktatoren damit, Regimegegner, Oppositionelle und sonstige mißliebigen Zeitgenossen auf unbewohnte oder abgelegene Inseln zu verbannen. Die bekanntesten und gleichsam der Inbegriff für Deportation und Folter sind Leros, das Felseneiland Jaros nahe Siros, Ai Strati (Agios Efstratios) und später Makronissos. Der Lyriker Jannis Ritsos, der auf Limnos, Ai Strati und Makronissos inhaftiert war und 20 Jahre später von der Militärjunta auf Leros und Samos erneut festgesetzt wurde, fand für die Situation der Gefangenen die bekannte Gedichtzeile, die alles sagt: "Unsere einzigen Urkunden: drei Worte: Makronissos, Jaros und Leros. Und wenn euch unsere Verse eines Tages ungeschickt erscheinen, denkt nur daran, daß sie geschrieben wurden unter den Augen der Wächter und mit der Lanze immer in unserer Seite" (in dem Band "Unter den Augen der Wächter", 1989).

Von Leros - Gefängnis-, Verbannungs- und noch Anfang der neunziger Jahre berüchtigte Psychiatrieinsel - sagte der englische Schriftsteller Lawrence Durrell, der 1945-47 als britischer Presseattache auf Rhodos lebte: "Leros ist eine elende Insel ohne jeden Charakter. Gott helfe denen, die dort geboren sind, und denen, die dort leben." Die relativ kleine Dodekanes-Insel mit ein wenig Tourismus heute und einem schlechten Ruf seit jeher, war unter der Obristenherrschaft eines der Konzentrationslager für Regimegegner. Prominenteste Gefangene waren Jannis Ritsos und der KP-Vorsitzende Charilaos Florakis. Ein anderes Internierungslager war Jaros, das unbewohnte, nur 17 qkm große Felseneiland. Verbannungsort schon unter den römischen Kaisern und in byzantinischer Zeit, war es noch unter der Militärjunta (1967-74) Häftlingsinsel. Die Obristen schafften Tausende politische Gefangene hierher (auch Ritsos, der KP-Mitglied war, war vor seiner Deportation nach Leros auf Jaros) und auf die anderen KZ-Inseln, Mitglieder der Zentrums-Union, der Lambrakis-Jugend u.a., gewöhnlich ohne Gerichtsverfahren und -urteil. 1974, nach dem Ende der Militärherrschaft, wurde Jaros geschlossen.

Nach dem abgelegenen Ai Strati, südlich von Limnos in der nördlichen Ägäis gelegen, mit gerade einmal zweihundert Einwohnern, wurden zwischen 1928 und 1963 geschätzte Hunderttausend politische Gefangene verbracht, neben Ritsos auch Mikis Theodorakis, der Schauspieler Manos Katrakis, der Journalist und Schriftsteller Kostas Varnalis sowie der Schriftsteller Nikos Karouzos.

Für sie alle waren die griechischen Inseln die Hölle.

Auf Makronissos, das wie ein Riegel östlich vom Hafenort Lavrion und vom Kap Sounion liegt, wurden nach dem Ende des Bürgerkriegs (1946-49), ein unrühmliches Kapitel in der griechischen Geschichte, das rund 600 000 Tote forderte, vor allem Linke und Kommunisten interniert, die dort in jahrelanger Haft Folterungen, Erniedrigungen, Zwangsarbeit und Hunger ausgesetzt waren. Tausende fanden den Tod. Auch Ritsos, Katrakis, Theodorakis,der Lyriker Tassos Livaditis und der Jurist und Widerstandskämpfer Apostolos Sandas waren auf Makronissos inhaftiert. Sandas hatte am 30. Mai 1941 zusammen mit Manolis Glezos die Hakenkreuzfahne von der Akropolis gerissen. Daran erinnert auf der Akropolis seit 1982 eine Bronzetafel. Theodorakis zog sich auf Makronissos sein Lungenleiden zu, das "Makronissos-Fieber", an dem viele Deportierte litten.

Die beiden Museumsräume sind angefüllt mit Schriftdokumenten und Fotografien. Zettel, handschriftliche Briefe und Postkarten an Freunde und Verwandte sind Zeugnisse aus einer Zeit, die noch sehr präsent ist. Die gesamte Korrespondenz ist auf Griechisch geschrieben. Man kann aber eine Broschüre erwerben, die - illustriert mit Plänen und Fotos - auf Englisch über die Geschichte von Makronissos informiert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen