Donnerstag, 14. März 2013

Die Crux mit den Athener Strassennamen


Es verlangt nicht selten eine gewisse Findigkeit, in Athen von A nach B zu gelangen. Die hohe Kunst, eine Strasse oder bestimmte Adresse zu finden, ist oftmals zeitraubend und kompliziert und stuerzt nicht nur Athen-Unkundige in tiefste Verwirrung. Je nach der Regierung nämlich, die gerade an der Macht ist, werden Strassen und Plätze häufig umbenannt, speziell die repräsentativen. In letzter Zeit hat man sich damit gluecklicherweise zurueckgehalten - gegenwärtig gibt es gewichtigere Probleme - , aber die frueheren Aenderungen verursachen noch immer Schwierigkeiten und bereiten ziemliche Umstände.

Die Strassenschilder, die die Namen vorbildlich jeweils in griechischen und lateinischen Lettern widergeben, helfen nicht immer weiter. Manche nennen nur den gebräuchlichen alten Namen, andere den alten und den neuen und manche nur die neue Bezeichnung; man wundert sich auch gelegentlich ueber ein und dieselbe Strasse, die an ihrem Anfang den einen und an ihrem Ende einen anderen Namen trägt. Eine Strasse, die mich seit Jahren regelmässig verzweifeln laesst, ist die Odos Adrianou, die mitten durch die Altstadt Plaka zieht. An der Römischen Agora macht sie urplötzlich einen Knick, der Dexippou heisst. An dessen Ende muss man in die Areos einbiegen, bevor man sich - nach links gehend - in der Adrianou wiederfindet (sofern man nicht die schlecht einsehbare, von Touristenmassen blockierte Abzweigung verpasst hat und unversehens und einigermassen ratlos im Gedraenge des Monastiraki-Platzes umher irrt). Gluecklich also in der Adrianou angekommen, verläuft sie an der antiken Agora vorbei bis hinauf zum Theseion. Wie oft ich hier schon im Kreis gelaufen bin, kann ich an zwei Händen nicht abzählen. Warum die Strasse in ihrer Mitte plötzlich anders heisst, hat sich mir bisher noch nicht erschlossen.

Probleme bereitet auch die Piräos, eine kilometerlange Hauptverkehrsader, die vom Omoniaplatz bis nach Piräus fuehrt. Diese Strasse heisst offiziell P. Tsaldari und so steht es auch auf den Strassenschildern, doch fragt man einen Athener danach, erntet man gewöhnlich ein Schulterzucken. Er kennt sie nur unter ihrem alten Namen Piräos. Vollends tragisch kann es werden, wenn man zur Platia Eleftherias, dem Freiheitsplatz, möchte, von dem aus die Busse nach Dafni und Eleusis abfahren. Er liegt nämlich direkt an der P. Tsaldari-Strasse, die eben alle nur als Piräos-Strasse kennen, und die Platia Eleftherias kennen alle nur unter ihrem alten Namen Platia Koumoundourou - sogar der offzielle von der Griechischen Fremdenverkehrszentrale herausgegebene Stadtfuehrer "Athen" macht hier keine Ausnahme. Da kann man denn schon mal leicht ins Gruebeln oder gar ins Schwitzen geraten und den Bus zum Kloster Dafni verpassen. Jedenfalls empfiehlt es sich bei Verabredungen, einen gewissen Zeitpuffer einzuplanen, um puenktlich zu sein.

Freunde von mir sind im letzten Jahr bei sengender Hitze mehrmals rund um den Omonia-Platz gelaufen, weil sie die vom Platz abgehende Patission nicht fanden, an der das weltberuehmte Archäologische Nationalmuseum steht. Diese Strasse heisst nämlich offiziell 28. Oktovriou und so steht es auch auf dem dortigen Strassenschild. Aber jeder nennt sie nur Patission, ebenso wie jeder die El. Venizelou-Strasse, an der das Schliemann-Haus (mit einem sehr huebschen, stillen Gartencafe) steht, Panepistimiou nennt und den Platz mit dem Rathaus Platia Kotzia und nicht Platia Ethnikis Antistaseos, wie er offiziell heisst.

Die Postboten finden sich in diesem Durcheinander gut zurecht. Ich habe mir sagen lassen, dass die Briefzustellung perfekt funktioniert. Weniger gut geschult und Welten entfernt etwa von ihren Londoner Kollegen, die eine strenge Pruefung bestehen muessen, ehe sie auf ihre Kunden losgelassen werden und denen jede noch so winzige Sackgasse geläufig ist, sind die Athener Taxifahrer. Viele kommen aus Dörfern in Attika und sind den Finessen des Athener Strassensystems selber hilflos ausgeliefert. Wuerde man etwa dem Fahrer als Adresse Platia Filikis Etairias nennen, chauffierte er einen auf der Suche danach vermutlich durch halb Athen, um schliesslich entnervt aufzugeben. Dabei handelt es sich um die mitten im Zentrum gelegene, nur fuenf Gehminuten vom Parlament entfernte Platia Kolonakiou, den Kolonaki-Platz, den jeder kennt und auch so nennt. Diese Liste liesse sich fortfuehren.

Die Uneinheitlichkeit in der Nennung der Strassennamen findet man oft auch in einschlägigen Veröffentlichungen und sogar auf Stadtplänen. Letzteres ist meist dem Platzmangel geschuldet, schliesslich muessen beide Versionen, die griechische und die lateinische, auf kleinstem Raum gedruckt werden.
Was also tun? Das Athener Zentrum ist zum Glueck ziemlich klein, so dass man fast alle Sehenswuerdigkeiten erlaufen  kann. Um ohne Umwege ans Ziel zu gelangen, ist es besser, sich an die gebräuchlichen alten Namen zu halten oder - noch klueger - beide Namen zu wissen. Ferner sollte man immer einen Stadtplan zur Hand haben, um auf die entsprechende Adresse zu tippen, wenn man gar nicht weiter weiss. Am allerkluegsten aber ist es, nicht in Hektik zu verfallen, sondern sich in eines der vielen Strassencafes zu setzen und bei einem Cappuccino oder Eiskaffee den Trubel drumherum zu geniessen, der Athen ausmacht. Sie muss man jedenfalls nicht suchen, Cafes und kleine Tavernen gibt es genug und ueberall. Hier kann man dann in aller Ruhe den Stadtplan studieren und gegebenenfalls den Kellner nach dem Standort der gesuchten Sehenswuerdigkeit fragen. Er kann in den meisten Fällen weiterhelfen und wenn ausnahmsweise nicht, wird er sich genötigt sehen, einen der Angestellten oder der griechischen Gäste zu fragen. Sein Ziel erreicht man immer, und sei es in Begleitung.

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