Mittwoch, 25. Oktober 2017

Griechischer als Griechisch: Alekos Fassianos

Ich lernte Alekos Fassianos, heute einer der bekanntesten griechischen Künstler der Gegenwart, Ende der sechziger Jahre in der Berliner Galerie Onnasch kennen. Ein männlicher Kopf in klassisch griechischem Profil und leuchtendem Rot, gezeichnet in einfachen, klaren Konturen, fiel mir ins Auge und ließ mich nicht mehr los. Ich wußte sofort, daß ich dieses herrliche antikisierende Bildnis eines Mannes, der aussah wie ein junger Gott, haben mußte. So tätigte ich meinen ersten spontanen Kunstkauf und habe ihn nie bereut. Seitdem hängt der "rote Kopf" über meinem Schreibtisch, zwar nicht mehr ganz so intensiv leuchtend, sondern im Laufe der Jahrzehnte etwas bleicher geworden, was seiner Schönheit jedoch keinen Abbruch tut. Damals war Fassianos in Deutschland noch kaum bekannt, in Paris hingegen, wo er seit 1960 studierte und arbeitete - insgesamt verbrachte er 35 Jahre seines Lebens in Paris -,  hatte man ihm schon mehrere Soloausstellungen gewidmet. Heute weiß ich, daß mein Bild das von ihm entworfene Poster für seine erste Pariser Ausstellung war und inzwischen ein rares Sammlerstück ist.

1935 in Athen geboren, studierte Fassianos zunächst Violine am Athener Konservatorium und 1956-60 Malerei an der Athener Kunstakademie, wo Yannis Moralis einer seiner Lehrer war. Mit einem Stipendium des französischen Staates setzte er seine Ausbildung 1960  in Paris fort und studierte drei Jahre lang Lithographie an der Ecole des Beaux- Arts bei Clairin und Caroline Chariot-Dayez. Er verbrachte seine Anfangsjahre als Maler in Paris und hatte dort auch seine ersten Ausstellungen. Insgesamt kann er auf nahezu hundert Solo-Auftritte weltweit zurückblicken, nach Paris in Athen, Saloniki, Mailand, Stockholm, London, Zürich, Brüssel, Tokio, Beirut, New York - dort erstmals sehr erfolgreich 1966 -  sowie in Deutschland: in Hamburg, München, Düsseldorf und Köln. Er war auch Teilnehmer der Biennalen von Sao Paolo und Venedig, ferner der Basel Art Fair. Als einem der wenigen griechischen Künstler ist es ihm gelungen, schon früh über die Grenzen Griechenlands hinaus bekannt zu werden und internationales Ansehen zu erringen.

Sein künstlerisches Schaffen ist vielfältig. So arbeitete er seit 1975 mehrfach als Bühnenbildner für das Athener Nationaltheater, er entwirft die Poster für alle seine Ausstelllungen gewöhnlich selbst, kreiert Cover für Bücher, illustriert sie und veröffentlichte eine Reihe eigener Prosatexte und Gedichte. Für die Olympischen Spiele 2004 in Athen entwarf er eine Briefmarkenserie und Poster, für die Ausstellung "Ewige Wiederkehr" 2007 in Athen einen Schreibtisch, den er "Menschen-Säulen" nannte.

Seine Malerei ist keiner Schule zuzuordnen. Er malt in seiner ureigenen Weise, der Weise Fassianos. Seine tiefenlosen, flächigen Bilder haben einen hohen Erkennungswert. Der figurativen Darstellung ist er immer treu geblieben - im Zentrum seines Werkes steht der Mensch -,  ebenso der Liebe zur antiken und byzantinischen Kunst, auch  der griechischen Folklore. Seine Bilder haben immer etwas Poetisches, selbst wenn er  Figuren aus der griechischen Mythologie - und aus ihr nimmt er gewöhnlich sein Personal -  mit der heutigen Wirklichkeit bzw. dem täglichen Leben in Zusammenhang bringt, etwa "Lysander auf einem Athener Balkon" oder "Freunde mit Fahrrad". Bei manchen fühlt man sich an die griechische Vasenmalerei erinnert.

Weniger bekannt sind seine Landschaftsbilder und die übermalten Fotografien, eine neuere Art der Darstellung, in der er die griechische Realität thematisiert und - so in einer Ausstellung im Sommer 2008 in Athen - an das erinnert "Was uns blieb".

Neben verschiedenen Auszeichnungen und Preisen wurde Alekos Fassianos - die Franzosen nennen ihn Alexandre - 2013 mit dem Orden der Ehrenlegion (officier de la legion d'honneur) ausgezeichnet, einem der höchsten Orden Frankreichs. In Athen wurde die Metrostation Metaxourgio mit Kunstwerken von Fassianos ausgestattet.


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